Rz. 134

Werden mehrere Verfahren miteinander verbunden und wird der Anwalt erst danach in den verbundenen Verfahren vom Gericht bestellt oder beigeordnet, gilt Abs. 6 S. 1 oder im Rechtsmittelverfahren Abs. 6 S. 2. Auf Abs. 6 S. 3 kommt es in diesem Fall gar nicht an. Das ist jetzt durch die Neufassung des Abs. 6 S. 3 klargestellt worden. Die bisherige Streitfrage, ob auch bei dieser Konstellation eine Erstreckungsanordnung auszusprechen ist, hat sich damit erledigt.

 

Rz. 135

Wird der Anwalt nach Verbindung im erstinstanzlichen Verfahren bestellt oder beigeordnet, erhält er nach Abs. 6 S. 1 sämtliche Gebühren aus der Landeskasse, die bis dahin angefallen waren.

 

Beispiel: Gegen den Angeklagten waren zunächst zwei Ermittlungsverfahren wegen Betruges (Az. 1/21) und wegen Diebstahls (Az. 2/21) geführt worden. In beiden Fällen wurde Anklage erhoben. Nach Anklageerhebung wurden beide Verfahren miteinander verbunden und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Führend ist das Verfahren 2/21. Hiernach wird die Hauptverhandlung durchgeführt.

Nach Abs. 6 S. 1 wirkt die Bestellung zurück. Der Anwalt erhält also sämtliche Gebühren und Auslagen aus der Landeskasse:

I. Vorbereitendes Verfahren 1/21

 
1. Grundgebühr, VV 4100   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 4104   145,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 341,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   64,79 EUR
Gesamt   405,79 EUR

II. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren 1/21

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4106   145,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 165,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   31,35 EUR
Gesamt   196,35 EUR

III. Vorbereitendes Verfahren 2/21

 
1. Grundgebühr, VV 4100   176,00 EUR
2. Verfahrensgebühr, VV 4104   145,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 341,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   64,79 EUR
Gesamt   405,79 EUR

IV. Erstinstanzliches gerichtliches Verfahren 2/21

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4106   145,00 EUR
2. Terminsgebühr, VV 4108   242,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 407,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   77,33 EUR
Gesamt   484,33 EUR
 

Rz. 136

Bei einer Verbindung im Berufungsverfahren gilt Abs. 6 S. 2. Die Erstreckung wirkt jetzt nur auf die Rechtsmittelinstanz zurück. Auf Abs. 6 S. 3 kommt es in diesem Fall wiederum nicht an.

 

Beispiel: Wie vorangegangenes Beispiel; jedoch wird der Angeklagte vom Amtsgericht in beiden Verfahren gesondert verurteilt. Im Berufungsverfahren werden die beiden Berufungen vor der Hauptverhandlung miteinander verbunden und der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt. Anschließend wird die Hauptverhandlung durchgeführt.

Jetzt gilt Abs. 6 S. 2. Der Anwalt kann sämtliche Gebühren beider Berufungsverfahren aus der Landeskasse verlangen. Die Vergütung für die erste Instanz und das vorbereitende Verfahren erhält er dagegen nicht aus der Landeskasse.

I. Berufungsverfahren 1/21

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4124   282,00 EUR
2. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 302,00 EUR  
3. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   57,38 EUR
Gesamt   359,38 EUR

II. Berufungsverfahren 2/21

 
1. Verfahrensgebühr, VV 4124   282,00 EUR
2. Terminsgebühr, VV 4126   282,00 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 584,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   110,96 EUR
Gesamt   694,96 EUR
 

Rz. 137

Zu beachten ist auch hier, dass nur ein früherer Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung fingiert wird. Die Vergütung des Anwalts muss dagegen entstanden sein. Sie wird nicht fingiert.[137]

[137] LG Stuttgart RVGprof. 2007, 177, das allerdings unzutreffender Weise davon ausgeht, eine Grundgebühr könne ohne Verfahrensgebühr entstehen, was jetzt durch VV 4100 geklärt ist.

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