I. Zur Beiordnung eines auswärtigen Anwalts

1. Ortsansässiger Anwalt

 

Rz. 72

Der Anwalt, der im Bezirk des Prozessgerichts seinen Sitz hat, muss bei seiner Beiordnung darauf achten, dass sie ohne jedwede Einschränkung erfolgt, weil sich das Mehrkostenverbot des § 121 Abs. 3 ZPO nur auf Anwälte bezieht, die ihren Sitz nicht im Bezirk des Prozessgerichts haben. Oftmals sind bei gerichtlichen Beiordnungsbeschlüssen noch Formulierungen wie "wird zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts beigeordnet" oder "wird zu den Bedingungen eines bei dem Prozessgerichts zugelassenen Anwalts beigeordnet". Beide Einschränkungen sind unzutreffend und mit der sofortigen Beschwerde (§ 127 ZPO) anfechtbar.

2. Einverständnis des Anwalts

 

Rz. 73

Der von dem Mehrkostenverbot betroffene, also nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassene Rechtsanwalt kann nur mit seinem Einverständnis einschränkend "zu den Bedingungen eines im Bezirk des Verfahrensgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts" beigeordnet werden.[115] Dem Beiordnungsantrag eines nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassenen Rechtsanwalts kann regelmäßig dessen konkludentes Einverständnis mit einer dem Mehrkostenverbot entsprechenden Einschränkung der Beiordnung entnommen werden.[116] Besteht ein solches Einverständnis nicht, muss dies ausdrücklich in den Antrag auf Beiordnung aufgenommen werden.[117] Wird etwa die "uneingeschränkte" Beiordnung beantragt, so enthält dieser Antrag kein konkludentes Einverständnis für eine nur eingeschränkte Beiordnung.[118]

[117] Fölsch, NJW 2006, 3784.
[118] Fölsch, NJW 2006, 3784.

3. Auswirkung auf Forderungssperre (§ 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO)

 

Rz. 74

Soweit der Anwalt lediglich mit der Einschränkung des Mehrkostenverbots beigeordnet wird, gilt für diese Mehrkosten nach allerdings umstrittener Ansicht die Forderungssperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO (Ansprüche im Verhältnis des Rechtsanwalts zum Mandanten) nicht. Sind also etwa Reisekosten von der Beiordnung ausdrücklich ausgenommen, kann der Anwalt den Mandanten wegen dieser Kosten in Anspruch nehmen.[119]

[119] OLG Brandenburg Rpfleger 2000, 279; OLG Nürnberg FamRZ 2001, 1157; Enders, JurBüro 2003, 225, 228; a.A. KG 23.2.2011 – 19 WF 14/11, FamRZ 2012, 468; OLG Brandenburg 27.9.2009 – 6 W 13/09, AGS 2010, 327; OLG Frankfurt 6.11.2001 – 1 WF 180/01, AGS 2002, 95; Musielak/Voit/Fischer, § 122 ZPO Rn 8; Zöller/Geimer, ZPO, § 122 Rn 11.

II. Zur Sicherstellung von Auslagenersatz

1. Zwei unterschiedliche Verfahren

 

Rz. 75

Steht der beigeordnete Anwalt vor der Frage, ob er aus besonderen Gründen in das Verfahren (kräftig) investieren muss und ob diese Kosten von der Staatskasse übernommen werden, so eröffnet ihm das Gesetz zwei Wege der Vorabklärung: Einerseits kann er gem. Abs. 2 bei dem Gericht anfragen, ob die beabsichtigten Maßnahmen als erforderlich angesehen werden, und zum anderen kann er gem. § 47 im Verfahren gem. § 55 Abs. 1 bei dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle dafür sogleich einen Auslagenvorschuss anfordern.

2. Vorschuss gem. § 47

 

Rz. 76

In aller Regel ist der zweite Weg vorzugswürdig (Vorschuss § 47). Die Vorabentscheidung des Gerichts wird restriktiv gehandhabt. Zudem schafft sie endgültige Klarheit nur bei einer stattgebenden Entscheidung und selbst dann nicht ganz sicher.[120] Die Vorschussanforderung ist demgegenüber unkompliziert. Sie umfasst sämtliche Auslagen und klärt nicht nur die Ersatzpflicht der Staatskasse hinreichend verlässlich, weil der nämliche Entscheidungsträger tätig wird wie bei der abschließenden Festsetzung, sondern hat darüber hinaus auch noch den Vorteil, dass der beigeordnete oder bestellte Anwalt für die als erforderlich angesehene Maßnahme sogleich die entsprechenden Mittel erhält.

[120] OLG München AGS 1998, 90.

III. Zur Durchsetzung von Ersatzansprüchen

1. Beitreibungsrecht gem. § 126 ZPO

 

Rz. 77

Befasst sich der beigeordnete Anwalt erst im Nachhinein mit der Abrechnung von Auslagen (Aufwendungen) des Verfahrens, sollte er sein Augenmerk auch auf ein Beitreibungsrecht gegen den Gegner (§ 126 ZPO) richten. Im Rahmen der gewöhnlichen Kostenfestsetzung lassen sich Auslagenersatzansprüche jedweder Art grundsätzlich leichter durchsetzen als im Verfahren nach § 55. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle häufig als Interessenvertreter des Fiskus gesehen wird, hingegen der regelmäßig personenidentische Rechtspfleger im Kostenfestsetzungsverfahren nicht als Interessenvertreter des unterlegenen Gegners. Jedenfalls sind einige Probleme der Kostenerstattung im Rahmen des § 91 ZPO schon der Praxisnähe wegen wesentlich besser geklärt als die gleich gelagerten Fragestellungen zu § 46. Das gilt insbesondere für die Reisekosten des auswärtigen Anwalts, aber auch für sonstige Auslagen wie Dolmetscher-, Detektiv- und Sachverständigenkosten.

2. Staatskasse gem. § 55

 

Rz. 78

Besteht keine Möglichkeit, anderweitig Auslagenersatz zu beschaffen, sollte der Anwalt das Verfahren gem. § 55 nicht minder nachdrücklich betreiben als ein Verfahren nach § 126 ZPO. Es ist nichts dafür ersichtlich, warum die Staatskasse dem Grunde nach zum Auslagenersatz besser gestellt werden sollte als ein erstattungspflichtiger Gegner (vgl. Rdn 5 f.). Kommt es zu einer e...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge