Rz. 178

Nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG muss der "Wert des Beschwerdegegenstandes" 200 EUR übersteigen. Um zu verstehen, was damit gemeint ist, muss zwischen den Begriffen "Beschwer" und "Beschwerdegegenstand" unterschieden werden (siehe auch § 33 Rdn 74 ff.).

 

Rz. 179

Beschwer ist dasjenige, was einem Verfahrensbeteiligten durch die Streitwertfestsetzung aberkannt wird. Sie berechnet sich im Verfahren der §§ 32, 33 nach dem Unterschiedsbetrag der Gebühren zwischen dem erstrebten und dem festgesetzten Streitwert.

 

Rz. 180

Wert des Beschwerdegegenstandes ist der Betrag, den der beschwerte Verfahrensbeteiligte mit der Beschwerde als ihn belastend noch geltend macht.

 

Beispiel: Der Rechtsanwalt geht von einem Streitwert von 10.000 EUR aus, während das Gericht nur 5.000 EUR festgesetzt hat. Die Beschwer ergibt sich dann aus der Differenz der Vergütungsbeträge nach den Streitwerten 10.000 EUR und 5.000 EUR. Im Beschwerdeverfahren muss der Anwalt aber diese Beschwer nicht geltend machen. Er kann seine Wertvorstellung herabsetzen und erstrebt mit seinem Beschwerdeantrag vielleicht nur noch eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 7.500 EUR. Dann berechnet sich der Wert des Beschwerdegegenstandes nach der Gebührendifferenz zwischen dem nur noch erstrebten Streitwert von 7.500 EUR und dem festgesetzten Streitwert von 5.000 EUR. Der Wert des Beschwerdegegenstandes verringert sich also gegenüber der Beschwer.

 

Rz. 181

Für die Zulässigkeit der Beschwerde kommt es nur auf den Wert des Beschwerdegegenstands an. Dessen Höhe steht allerdings nicht im Belieben des Beschwerdeführers. Er muss in jedem Fall die Beschwer von über 200 EUR erreichen, anderenfalls die Beschwerde unzulässig ist, sofern das Gericht sie nicht zugelassen hat.

 

Beispiel: Das LG hat den Streitwert in Höhe von 10.000 EUR festgesetzt. Der Rechtsanwalt begehrt die Heraufsetzung auf den Betrag von 16.000 EUR. Bei einer Wertfestsetzung in Höhe von 10.000 EUR würde der Rechtsanwalt folgende Gebühren erhalten:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   798,20 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   736,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.555,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   295,45 EUR
Gesamt   1.850,45 EUR

Bei einem Wert von 16.000 EUR erhielte er dagegen:

 
1. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100   933,40 EUR
2. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104   861,60 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 1.815,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   344,85 EUR
Gesamt   2.159,85 EUR

Der Wert des Beschwerdegegenstands beläuft sich somit auf (1.259,85 EUR – 1.850,45 EUR =) 309,40 EUR. Die Beschwerde ist damit zulässig.

 

Rz. 182

Die Gerichtskosten bleiben bei der Berechnung des Werts des Beschwerdegegenstands außer Betracht, da sie nicht dem Anwalt zufließen und er auch für ihre Begleichung grundsätzlich nicht herangezogen werden kann. Das Gebührenaufkommen anderer Anwälte darf nicht berücksichtigt werden, auch wenn die Wertfestsetzung für sie ebenfalls verbindlich ist, etwa für den Verkehrsanwalt (VV 3400) oder den Gegenanwalt.

 

Rz. 183

Die auf den Differenzbetrag entfallende Umsatzsteuer erhöht die Beschwer.[69]

 

Rz. 184

Ist der Anwalt im Rahmen der Prozesskostenhilfe oder anderweitig beigeordnet worden, ist gleichwohl auf die Differenz der Wahlanwaltsgebühren abzustellen,[70] da dem Anwalt insoweit ein weitergehender Anspruch gegen die Staatskasse zustehen kann, der unter den Voraussetzungen des § 50 gegebenenfalls noch zu einem späteren Zeitpunkt geltend gemacht werden kann. Im Falle der Aufhebung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe (§ 120 Abs. 4 ZPO) kann der Anwalt auch gegen den Auftraggeber wegen weitergehender Ansprüche vorgehen. Abgesehen davon können sich auch Erstattungsansprüche gegen Dritte ergeben (§ 126 ZPO). Daher ist für ihn auch dann eine Beschwer gegeben, wenn die Höchstbeträge des § 49 bereits erreicht sind.

 

Beispiel: Dem Kläger ist Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Rechtsanwalts bewilligt worden. Das LG hat den Streitwert auf 4.000 EUR festgesetzt. Der Rechtsanwalt begehrt die Heraufsetzung auf den Betrag von 8.000 EUR. Wären bei der Berechnung der Anwaltsgebühren die Wertgebühren des § 49 maßgeblich, wäre eine Beschwerde gegen die Wertfestsetzung unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands nicht erreicht wäre. Unter Berücksichtigung der Wahlanwaltsgebühren ist der Wert des Beschwerdegegenstands von mehr als 200 EUR erreicht.

[69] OVG Hamburg AnwBl 1981, 501.
[70] OLG Frankfurt AGS 2012, 347 = NJW-Spezial 2012, 443; OLG Celle FamRZ 2006, 1690; unzutreffend OLG Rostock, Beschl. v. 28.3.2011 – 3 W 52/10.

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