Leitsatz (amtlich)

1. Bezogene Sozialleistungen wie Sozialhilfe oder Arbeitslosengeld II gehören nicht zum für die Streitwertbestimmung nach § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG maßgeblichen "Nettoeinkommen".

2. Die Wertfestsetzung mit dem Mindestwert gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG ist durch die Rechtsprechung des BVerfG (Beschl. v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05 - AnwBl. 2005, 651) jedenfalls dann nicht ausgeschlossen, wenn sich im konkreten Fall das in drei Monaten erzielte Nettoeinkommen der Eheleute auf weniger als 2.000 EUR beläuft.

 

Normenkette

GKG § 48 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Hannover (Beschluss vom 25.11.2005; Aktenzeichen 615 F 439/05)

 

Tenor

Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers gegen den Streitwertbeschluss des AG - FamG - Hannover vom 25.11.2005 wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeentscheidung ergeht kostenfrei; Auslagen werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).

 

Gründe

I. Im vorliegenden Scheidungsverfahren ist beiden Parteien Prozesskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden; beide Parteien bezogen (nicht nur) bei Einleitung des Verfahrens nach den von ihnen selbst vorgelegten Bescheiden ausschließlich Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Mit Beschluss vom 25.11.2005 hat das AG den Streitwert auf insgesamt 3.000 EUR - für die Scheidung 2.000 EUR, für die (einzige) Folgesache Versorgungsausgleich 1.000 EUR - festgesetzt.

Gegen diese Streitwertfestsetzung richtet sich die am 15.12.2005 eingelegte Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers, die eine Streitwertfestsetzung "auf mindestens 4.500 EUR" erstreben. Zur Begründung machen sie geltend, nach der vom Antragsteller bezogenen Leistung nach dem SGB II von monatlich 629,80 EUR sowie einer solchen der Antragsgegnerin in entsprechender Höhe ergebe sich für die Scheidung als Wert des dreifachen Monatseinkommens der Parteien ein Betrag von über 3.775 EUR. Im Übrigen sei die Festsetzung mit dem Mindestwert aus § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG nach der jüngsten Rechtsprechung des BVerfG unzulässig.

Das AG hat der Beschwerde durch Beschl. v. 22.12.2005 - mit ausführlicher Begründung - nicht abgeholfen.

II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers ist nach §§ 32 Abs. 2 RVG, 68 Abs. 1 GKG zulässig; sie erreicht insb. auch den Beschwerdewert nach § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG, da insoweit die Differenz maßgeblich ist, die sich zwischen den Berechnungen auf Grundlage der Wahlanwaltsgebühren, nicht lediglich der aus der Staatskasse zu vergütenden Gebühren des beigeordneten Anwalts ergeben (vgl. Riedel/Süßbauer/Fraunholz, RVG § 32 Rz. 28; Meyer, GKG7 § 68 Rz. 10; - jeweils m.w.N. aus der obergerichtlichen Rechtsprechung; Hartmann, Kostengesetze34, RVG § 32 Rz. 17).

2. Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.

Uneingeschränkt zutreffend hat das AG - wie in dem Nichtabhilfebeschluss vom 22.12.2005 im Einzelnen ausgeführt - auch unter Berücksichtigung von Umfang und Bedeutung der Sache und der Einkommens wie Vermögensverhältnisse der Parteien für die Ehescheidung keinen höheren Streitwert als den Mindestbetrag von 2.000 EUR gem. § 48 Abs. 3 Satz 2 GKG festgesetzt.

Bei der Wertfestsetzung für ein Scheidungsverfahren ist gem. § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG zwar von dem in drei Monaten erzielten Nettoeinkommen der Eheleute auszugehen. Zum "Nettoeinkommen" gehören jedoch keine staatlichen Sozialleistungen wie die von beiden Parteien bezogene Sozialhilfe (ebenso die h.M.; vgl. z.B. OLG Karlsruhe FamRZ 2002, 1135; OLG Brandenburg FamRZ 2003, 1676; OLG Dresden FamRZ 2004, 1225; Zöller/Herget, ZPO § 3, Rz. 16, Stichwort Ehesachen; Madert/Müller/Rabe, Kostenhandbuch Familiensachen, Abschnitt B, Rz. 16; a.A. Hartmann, Kostengesetze34, GKG § 48 Rz. 38) oder Arbeitslosengeld II (vgl. Zöller/Herget, ZPO § 3, Rz. 16). Denn das Gesetz knüpft hinsichtlich der Gebührenberechnung mit der Bezugnahme auf das Einkommen (und das Vermögen) der Eheleute ersichtlich an die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Eheleute an. Diese individuelle Belastbarkeit wird aber nicht durch Sozialleistungen bestimmt. Vielmehr sind diese staatlichen Zuwendungen gerade Ausdruck fehlender eigener Mittel der Empfänger.

Eine Festsetzung des Streitwertes für das Scheidungsverfahren auf den Mindestwert nach § 48 Abs. 3 Satz 1 GKG ist auch nicht etwa durch die jüngste Rechtsprechung des BVerfG ausgeschlossen. Entgegen einem auch in mehreren Parallelverfahren zum Ausdruck kommenden offenbaren Fehlverständnis verschiedener Anwälte verhält sich der insofern in Berufung genommene Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senates (Beschl. v. 23.8.2005 - 1 BvR 46/05 - AnwBl. 2005, 651) ausschließlich zu der Frage, ob - wie im dortigen Ausgangsfall geschehen - eine Streitwertfestsetzung für das Scheidungsverfahren mit dem Mindestbetrag von 2.000 EUR allein auf die Tatsache beiderseitiger Inanspruchnahme von Prozesskostenhilfe gestützt werden kann bzw. in derartigen...

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