a) Abgeltungsbereich der Pauschgebühren

 

Rz. 119

Nach § 15 Abs. 1 werden durch die Gebühren der Vorinstanz bereits abgegolten:

die Beratung über die Möglichkeit, Form und Frist eines noch einzulegenden Rechtsmittels sowie
die Entgegennahme und Weiterleitung der gegnerischen Rechtsmittelschrift (Nr. 9).[119]

Ergänzend hierzu ordnet Nr. 10, 1. Hs. darüber hinaus an, dass auch die Einlegung eines Rechtsmittels bei dem Gericht desselben Rechtszugs in Verfahren nach VV Teil 4 bis 6 noch durch die vorinstanzlich entstandenen Gebühren abgegolten wird.

[119] OLG Düsseldorf JurBüro 1976, 635; a.A. LG Lüneburg AnwBl 1974, 228.

b) Sachlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 120

Nr. 10, 1. Hs. gilt in allen Verfahren nach VV Teil 4 bis 6, also in:

Strafverfahren (VV Teil 4), einschließlich des Adhäsionsverfahrens, also auch dann, wenn nur gegen die Adhäsionsentscheidung Berufung oder Revision eingelegt wird;
Verfahren nach dem Strafrechtlichen Rehabilitierungsgesetz (VV Vorb. 4 Abs. 1),
Bußgeldverfahren (VV Teil 5),
Disziplinarverfahren (VV 6200 ff.),
Beschwerdeverfahren in Freiheitsentziehungssachen nach § 415 FamFG, in Unterbringungssachen nach § 312 FamFG und bei Unterbringungsmaßnahmen nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG (VV 6300 ff.), siehe § 64 Abs. 1 FamFG; nicht auch im Rechtsbeschwerdeverfahren, da die Rechtsbeschwerde gem. § 71 S. 1 FamFG beim BGH einzureichen ist,
berufsgerichtlichen Verfahren wegen Verletzung einer Berufspflicht (VV 6200 ff.),
Verfahren nach der WBO (VV 6400 ff.).

c) Persönlicher Anwendungsbereich

 

Rz. 121

Nr. 10, 1. Hs. gilt nicht nur für den Anwalt als Verteidiger und Pflichtverteidiger, sondern auch für den Anwalt als Vertreter eines Nebenklägers oder Privatklägers, als Beistand eines Verletzten, eines Einziehungs- oder Nebenbeteiligten, soweit diese Beteiligten ein Rechtsmittel einlegen können und die Gebühren der VV Teile 4 bis 6 anzuwenden sind, VV Vorb. 4 Abs. 1; VV Vorb. 5 Abs. 1; VV Vorb. 6.2 Abs. 1); in Verfahren nach VV Teil 6 Abschnitt 3 für den Anwalt eines Beteiligten.

 

Rz. 122

Nr. 10, 1. Hs. gilt allerdings nur für den Vollverteidiger bzw. den Anwalt, dem die Vertretung eines anderen Beteiligten in vollem Umfang übertragen ist, wobei unerheblich ist, ob er in der Vorinstanz an der Hauptverhandlung teilgenommen hat oder nur außerhalb der Hauptverhandlung tätig geworden ist.

 

Rz. 123

Die Regelung in Nr. 10, 1. Hs. gilt auch für den Anwalt, der vorinstanzlich Vollverteidiger oder ansonsten umfassend beauftragt war, aber im Rechtsmittelverfahren (zunächst) ausschließlich mit der Einlegung des Rechtsmittels als Einzeltätigkeit beauftragt wird. Auch er erhält wegen Nr. 10 keine gesonderte Vergütung nach VV 4302 Nr. 1; VV 5200; VV 6404.

d) Einlegung eines Rechtsmittels

 

Rz. 124

Zu den Rechtsmitteln i.S.d. Nr. 10, 1. Hs. zählen:

Berufung und Revision in Strafsachen, auch dann, wenn sie sich nur gegen die Entscheidung im Adhäsionsverfahren richten oder gegen eine Einziehung oder eine verwandte Maßnahme.
Rechtsbeschwerde und Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde,
die entsprechenden Rechtsmittel in Disziplinarverfahren, berufsgerichtlichen Verfahren wegen Verletzung einer Berufspflicht,
Unterbringungssachen nach § 312 FamFG und bei Unterbringungsmaßnahmen nach § 151 Nr. 6 und 7 FamFG (VV 6300 ff.), siehe § 64 Abs. 1 FamFG. Nicht auch im Rechtsbeschwerdeverfahren, da die Rechtsbeschwerde gem. § 71 S. 1 FamFG beim BGH einzureichen ist.
Anträge auf gerichtliche Entscheidung zum BVerwG nach der WBO
Anträge auf gerichtliche Entscheidung nach der WDO.
 

Rz. 125

Hinsichtlich der Beschwerdeverfahren ist zu differenzieren:

Soweit sich die Vergütung in Beschwerdeverfahren nach VV Teil 3 richtet (VV Vorb. 4 Abs. 5; VV Vorb. 5 Abs. 4; VV Vorb. 6.2 Abs. 3) gilt Nr. 10 nicht. Es gilt vielmehr § 18 Abs. 1 Nr. 3 i.V.m. VV Vorb. 3 Abs. 1. Die Beschwerdegebühren entstehen mit der Entgegennahme der Information.
Soweit Beschwerden in Verfahren nach VV Teil 4 bis 6 keine gesonderte Angelegenheit darstellen, sondern nach Nr. 10a zur Hauptsache gehören, kommt es auf Nr. 10 ohnehin nicht an.

Soweit ausnahmsweise in Beschwerdeverfahren nach in Verfahren nach VV Teil 4 bis 6 gesonderte Gebühren anfallen und damit nach Nr. 10a eine gesonderte Angelegenheit darstellen, also bei

einer Beschwerde nach § 372 StPO in einem Wiederaufnahmeverfahren (VV 4139);
Beschwerden in der Strafvollstreckung (VV Vorb. 4.2);
Beschwerdeverfahren als Einzeltätigkeiten (ausdrücklich geregelt in VV Vorb. 3.4 Abs. 3 S. 2);
Beschwerden nach § 406 Abs. 5 S. 2 StPO gegen das Absehen einer Entscheidung über Adhäsionsansprüche (VV 4145);
Beschwerden gegen eine den Rechtszug beendende Entscheidung nach § 25 Abs. 1 S. 3 bis 5, § 13 StrRehaG (VV 4146),
gilt auch hier wiederum Nr. 10, 1. Hs.; da auch die Beschwerden gemäß § 306 Abs. 1 StPO beim Gericht eingelegt werden, dessen Entscheidung angefochten wird. Das Einlegen der Beschwerde gehört also auch hier noch zur Ausgangsinstanz. Erst mit weiterer Tätigkeit werden dann die Beschwerdegebühren ausgelöst.
Nur soweit der Verteidiger oder Vertreter eines anderen Beteiligten erstmals mit der Beschwerde beauftragt wird, g...

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