a) Streitfälle

 

Rz. 225

Umstritten ist die Anwendung des Abs. 3 in den Fällen, in denen einer Partei teilweise Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist.[179]

[179] Ausführlich Hansens, JurBüro 1988, 145; N. Schneider, BRAGOreport 2001, 1.

b) Die Partei führt den Rechtsstreit, obwohl Prozesskostenhilfe nur teilweise bewilligt worden ist

 

Rz. 226

Häufig kommt es vor, dass das Gericht der Partei Prozesskostenhilfe nur für einen Teil der beabsichtigten Prozessführung bewilligt. Soweit die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nämlich nur teilweise Aussicht auf Erfolg bietet, hat das Gericht die Bewilligung auf denjenigen Teil zu beschränken, der hinreichende Erfolgsaussichten bietet. Im Übrigen ist der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückzuweisen. Soweit die Prozesskostenhilfe danach abgelehnt wird, greift die Sperre des § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht. Der Anwalt kann insoweit die Wahlanwaltsvergütung unmittelbar gegen seinen Auftraggeber geltend machen. Die Berechnung dieser Vergütung bereitet in der Praxis Schwierigkeiten und wird zum Teil über eine entsprechende Anwendung des Abs. 3 gelöst.[180]

 

Beispiel: Der Beklagte will seinen Anwalt mit der Abwehr einer gegen ihn gerichteten Klage in Höhe von 20.000 EUR beauftragen und bittet den Anwalt zunächst, hierfür Prozesskostenhilfe zu beantragen. Dem Beklagten wird Prozesskostenhilfe lediglich zur Abwehr eines Teilbetrages in Höhe von 12.000 EUR bewilligt. Im Übrigen wird die Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Erfolgsaussichten abgelehnt. Die bedürftige Partei beauftragt den Anwalt ungeachtet dessen, das Verfahren in voller Höhe durchzuführen. Nach mündlicher Verhandlung ergeht ein Urteil.

Nach Ansicht des OLG München[181] ist wie folgt zu rechnen:

 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, § 49

(Wert: 12.000 EUR)
460,20 EUR  
2.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, § 13

(Wert: 8.000 EUR)
652,60 EUR  
 

gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als

1,3 nach § 13 Abs. 1 S. 1, 2 aus 20.000 EUR
  1.068,60 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104, § 49

(Wert: 12.000 EUR)
424,80 EUR  
4.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104, § 13

(Wert: 8.000 EUR)
602,40 EUR  
 

gem. § 15 Abs. 3 nicht mehr als

1,2 nach § 13 Abs. 1 S. 1, 2 aus 20.000 EUR
  986,40 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 2.075,00 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   394,25 EUR
Gesamt   2.469,25 EUR

Diese Berechnung ist unzutreffend. Die Vorschrift des Abs. 3 ist hier gar nicht anwendbar, da es nicht um verschiedene Gebührensätze, sondern um verschiedene Gebührenbeträge geht. Ebenso unzutreffend wäre es, von den Wahlanwaltsgebühren lediglich die Prozesskostenhilfegebühren abzuziehen.[182] Auf diese Art und Weise würde die bedürftige Partei doch wieder mit der Wahlanwaltsvergütung belastet. Auch eine Quotelung nach Streitwertanteilen kommt nicht in Betracht.

 

Rz. 227

Der Anwalt erhält vielmehr zunächst die volle Prozesskostenhilfe-Vergütung:

 
 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, § 49

(Wert: 12.000 EUR)
  460,20 EUR
2.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104, § 49

(Wert: 12.000 EUR)
  424,80 EUR
3. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 905,00 EUR  
4. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   171,95 EUR
Gesamt   1.076,95 EUR
 

Rz. 228

Darüber hinaus erhält er die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung aus dem vollen Wert (20.000 EUR) und aus dem Wert der Prozesskostenhilfe-Bewilligung (12.000 EUR):[183]

 
 
1.

1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, § 13

(Wert: 20.000 EUR)
  1.068,60 EUR
2.

abzgl. 1,3-Verfahrensgebühr, VV 3100, § 13

(Wert: 12.000 EUR)
  – 865,80 EUR
3.

1,2-Terminsgebühr, VV 3104, § 13

(Wert: 20.000 EUR)
  986,40 EUR
4.

abzgl. 1,2-Terminsgebühr, VV 3104, § 13

(Wert: 12.000 EUR)
  – 799,20 EUR
5. Postentgeltpauschale, VV 7002   20,00 EUR
  Zwischensumme 410,00 EUR  
6. 19 % Umsatzsteuer, VV 7008   77,90 EUR
Gesamt   487,90 EUR

Insgesamt erhält der Anwalt also:

 
PKH-Vergütung aus der Staatskasse: 1.076,95 EUR
Wahlanwaltsgebühren vom Mandanten: 487,90 EUR
Gesamt 1.564,85 EUR
[180] So OLG München JurBüro 1969, 514 m. abl. Anm. E. Schneider; JurBüro 1983, 1205.
[181] JurBüro 1969, 514 m. abl. Anm. E. Schneider (allerdings noch zur BRAGO); JurBüro 1983, 1205; JurBüro 1995, 203.
[182] So aber OLG Köln JurBüro 1981, 1011.
[183] KG JurBüro 1988, 728; OLG Düsseldorf AGS 1999, 108; AGS 2001, 66 = MDR 2001, 57; ausführlich Hansens, JurBüro 1988, 145; N. Schneider, BRAGOreport 2001, 1; OLG Düsseldorf AGS 2005, 457 m. Anm. N. Schneider = JurBüro 2005, 321; ausführlich N. Schneider, Weiter gehende Ansprüche gegen die Partei bei teilweise bewilligter Prozesskostenhilfe, AGS 2005, 137.

c) Nach teilweiser Prozesskostenhilfe-Bewilligung wird der Rechtsstreit nur im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe durchgeführt

 

Rz. 229

 

Beispiel: Der Anwalt wird von der bedürftigen Partei beauftragt, für eine beabsichtigte Klage in Höhe von 25.000 EUR Prozesskostenhilfe zu beantragen. Das Gericht ordnet einen Termin im Prozesskostenhilfe-Prüfungsverfahren an und bewilligt nach mündlicher Verhandlung im Prüfungsverfahren Prozesskostenhilfe lediglich in Höhe von 20.000 EUR; in Höhe der weiteren 5.000 EUR sieht das Gericht keine hinreichenden Erfolgsaussichten und lehnt den Antrag ab. Der Anwalt wird daraufhin beauftragt, das Verfahren lediglich nach einem Wert von 20.000 EUR durchzufüh...

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