Rz. 89
Auch im Hinblick auf diesen Ermessensspielraum, den die Rechtsprechung dem Anwalt mit der Zubilligung des Toleranzbereiches eingeräumt hat, kann jedoch eine höhere Geschäftsgebühr als nach dem Schwellenwert nur verlangt werden, wenn die Tätigkeit entweder umfangreich oder schwierig war.[172] Abweichend davon hatten der IX. Senat[173] und der VI. Senat[174] des BGH die Ansicht vertreten, dass dem Anwalt auch hinsichtlich der Überschreitung des Schwellenwertes nach der Anm. zu VV 2300 dieser Toleranzbereich zustehe, wodurch eine Gebührenforderung von mehr als 1,3 auch dann nicht zu beanstanden sei, wenn die Tätigkeit zwar weder umfangreich noch schwierig war, jedoch keine Überschreitung der angemessenen Gebühr um mehr als 20 % vorlag. Diese Rechtsprechung war abzulehnen, was nunmehr auch durch die Begründung zum 2. KostRMoG unterstützt wird: Bei der Frage, ob eine Tätigkeit umfangreich oder schwierig war, handelt es sich nicht um eine Ermessensentscheidung des Anwalts – die er in einem bestimmten Toleranzbereich selbst zu treffen hat – sondern vielmehr um Tatbestandsmerkmale des Gebührentatbestandes. Diese sind in vollem Umfang gerichtlich überprüfbar.
Rz. 90
Inzwischen hat der VIII. Senat des BGH[175] diese Rechtsprechung auch korrigiert und zutreffend ausgeführt, dass die Frage des Umfangs bzw. der Schwierigkeit der Angelegenheit umfassend gerichtlich überprüfbar ist. Die in einem solchen Fall eigentlich erforderliche Anrufung des Großen Senates hatte sich erübrigt, da der IX. und der VI. Senat auf entsprechende Anfrage mitgeteilt hatten, ebenfalls diese Auffassung zu teilen.[176]
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