Rz. 18

Nach Abs. 2 beläuft sich der Mindestbetrag einer Gebühr auf 15 EUR. Die Anwendung dieser Vorschrift kommt nur für Gebührensätze unter 0,4 und auch dort nur bei niedrigen Gegenstandswerten zum Tragen.

 

Beispiel: Der Anwalt ist mit einem einfachen Schreiben oder einer Vollstreckungsmaßnahme beauftragt. Der Gegenstandswert beträgt 250 EUR.

Der Gebührensatz beläuft sich in beiden Fällen auf 0,3 (Einfaches Schreiben VV 2301, Zwangsvollstreckung VV 3309). Die Gebühr würde sich demnach auf 0,3 x 49 EUR = 14,70 EUR belaufen. Die Gebühr wird daher nach Abs. 2 auf 15 EUR angehoben.

 

Rz. 19

Die Vorschrift des Abs. 2 gilt nur für Gebühren, nicht auch für Erhöhungen. Daher ist diese Vorschrift nicht auf die Gebührenerhöhung nach VV 1008 anwendbar,[3] da es sich bei dieser Erhöhung nicht um eine Gebühr handelt.

 

Beispiel: Der Anwalt erhebt für zwei Auftraggeber gemeinschaftlich Klage nach einem Wert von 300 EUR.

Die Verfahrensgebühr beläuft sich auf 1,3, also 63,70 EUR. Diese Gebühr erhöht sich nach VV 1008 um 0,3 auf 1,6, also auf 78,40 EUR. Die Erhöhung beträgt demnach 14,70 EUR. Dennoch kommt eine Heraufsetzung der Erhöhung nach Abs. 2 auf 15 EUR nicht in Betracht.

 

Rz. 20

Ebenfalls nicht anwendbar ist Abs. 2 auf das nach einer Gebührenanrechnung verbleibende Aufkommen, da es sich insoweit nur um einen rechnerischen Differenzbetrag handelt, nicht aber um eine eigene Gebühr.[4] Abs. 2 ist auch nicht auf Auslagen (z.B. Schreibgebühren, Telekommunikationsentgelte) anwendbar.[5]

 

Rz. 21

Für die Hebegebühr gilt Abs. 2 ebenfalls nicht, da VV 1009 eine spezielle Regelung enthält und eine eigene Mindestgebühr (1 EUR) vorsieht.[6]

 

Rz. 22

Umstritten war die Gebührenberechnung bei mehreren Aufraggebern nach § 6 Abs. 1 S. 2 BRAGO, wenn die nicht erhöhte Gebühr unter dem Mindestbetrag lag.[7] Diese Streitfrage stellt sich nach VV 1008 weiterhin.[8]

 

Beispiel: Der Anwalt erhält von zwei Auftraggebern gemeinschaftlich den Auftrag, wegen einer Forderung von 250 EUR zu vollstrecken. Ohne die Anwendung der VV 1008 würde sich die 0,3-Verfahrensgebühr für die Vollstreckung nach VV 3309 auf 15 EUR belaufen.

 

Rz. 23

Nach einer Auffassung[9] ist zunächst einmal die jeweilige Gebühr ohne Erhöhung zu ermitteln und gegebenenfalls auf die Mindestgebühr heraufzusetzen. Erst hiernach ist dann die Erhöhung um 0,3 vorzunehmen.

 

Danach wäre also im Beispiel zunächst der Betrag von 14,70 EUR auf 15 EUR aufzurunden und anschließend um 0,3 auf 29,70 EUR zu erhöhen.[10]

 

Rz. 24

Denkbar wäre auch, zunächst einmal die jeweilige Gebühr auf die Mindestgebühr heraufzusetzen. Sodann würde auch die 0,3-Erhöhung auf 15 EUR angehoben.[11]

 

Danach wäre also im Beispiel zunächst der Betrag von 14,70 EUR auf 15 EUR aufzurunden und anschließend auch die 0,3-Erhöhung ebenfalls auf 15 EUR, so dass sich ein Gesamtbetrag i.H.v. 30 EUR ergeben würde.

 

Rz. 25

Beide Berechnungsmethoden sind jedoch unzutreffend. Ausgangspunkt dieses "Scheinproblems" ist der häufig anzutreffende Irrtum, bei dem Tatbestand der VV 1008 handele es sich um eine eigene Gebühr. Das ist aber nicht richtig. Zwar ist VV 1008 in VV Teil 1 enthalten, der mit "Allgemeine Gebühren" überschrieben ist; es handelt sich bei der Erhöhung nach VV 1008 jedoch nicht um eine eigene Gebühr. Der Wortlaut ist insoweit eindeutig. Es wird kein neuer Gebührentatbestand geschaffen; vielmehr wird eine Geschäfts- oder Verfahrensgebühr erhöht. Daraus folgt schon aus dem Wortlaut, dass die Erhöhung lediglich Teil einer einheitlichen Gebühr ist. Dies ist inzwischen auch ganz einhellige Auffassung.[12]

Bei mehreren Auftraggebern fällt von vornherein die erhöhte Gebühr an, indem der Gebührensatz der Ausgangsgebühr um 0,3 erhöht wird (siehe VV 1008). Nur wenn die erhöhte Gebühr selbst unter dem Mindestbetrag liegt, darf sie nach Abs. 2 heraufgesetzt werden.[13]

 

Danach ergibt sich im Beispiel also eine 0,6-Gebühr i.H.v. 29,40 EUR, die keiner Anhebung nach Abs. 2 mehr bedarf.

 

Rz. 26

Ein solcher Fall, in dem die nach VV 1008 erhöhte Gebühr gemäß Abs. 2 anzuheben ist, kann nach dem derzeitigen Vergütungsverzeichnis allerdings nicht vorkommen, da sich selbst bei einer Ausgangsgebühr von 0,1 schon bei einer Erhöhung nach VV 1008 ein Gebührensatz von 0,4 ergibt und danach schon bei der untersten Wertstufe der Mindestbetrag von 15 EUR erreicht ist.

[3] LG Berlin AGS 2006, 484 = RVGreport 2006, 306; AG Hohenschönhausen AGS 2006, 117 m. Anm. N. Schneider = RVGreport 2006, 143; AG Stuttgart AGS 2005, 331; so auch schon zu § 6 Abs. 1 BRAGO: AG München DGVZ 1978, 414; N. Schneider, AGS 2005, 325; Hansens, RVGreport 2005, 372; Volpert in: Hansens/Braun/Schneider, Praxis des Vergütungsrechts, Teil 18 Rn 21 f. und Teil 6 Rn 219 f.
[4] A.A. – allerdings noch auf Basis der überholten Anrechnungsrechtsprechung des BGH – Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 15 Rn 13; Mayer/Kroiß, RVG, § 13 Rn 36.
[5] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 13 Rn 13.
[6] Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, § 13 Rn 13.
[7] Ausführlich N. Schneider, AGS 2003, 284.
[8] Siehe hierzu N. Schneider, AGS 2005, 325; Hansen...

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