Leitsatz (amtlich)

1. Trifft das Familiengericht keine Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit einer Endentscheidung in einer Familienstreitsache, kann der hierdurch beschwerte Beteiligte gem. § 120 Abs. 1 FamFG, §§ 716, 321 ZPO innerhalb von zwei Wochen eine Ergänzung der Endentscheidung beantragen.

2. Eine erstinstanzlich unterbliebene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit gem. § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann im Beschwerdeverfahren nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden.

 

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 19. April 2022, die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengerichts - Schleswig vom 17. Februar 2022 zu Ziffer 3.) anzuordnen, wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der mit der Beschwerdebegründung vom 19. April 2022 verbundene Antrag der Antragsgegnerin, die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses des Amtsgerichts - Familiengericht - Schleswig vom 17. Februar 2022 zu Ziffer 3.) - der Entscheidung über den nachehelichen Unterhalt - anzuordnen, ist zurückzuweisen, da es an einer dahingehenden Rechtsgrundlage fehlt.

1.) Endentscheidungen in Familienstreitsachen - also auch die Entscheidung in der hier vorliegenden Folgesache zum nachehelichen Unterhalt - werden grundsätzlich erst mit Rechtskraft wirksam. Das Familiengericht kann jedoch gem. § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG die sofortige Wirksamkeit anordnen mit der Folge einer sofortigen Vollstreckbarkeit kraft Gesetzes. Gem. § 116 Abs. 3 Satz 2 und 3 FamFG soll das Familiengericht die sofortige Wirksamkeit anordnen, soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält. Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit steht im pflichtgemäßen Ermessen des Familiengerichts unter Abwägung aller Umstände und hat von Amts wegen zu erfolgen, ohne dass es eines Antrags bedarf.

2.) Wird - wie vorliegend - eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG in der Endentscheidung vom Familiengericht unterlassen, kann der hierdurch beschwerte Beteiligte gem. § 120 Abs. 1 FamFG, §§ 716, 321 ZPO auf eine Ergänzung der Entscheidung des Familiengerichts hinwirken, was allerdings innerhalb der Zweiwochenfrist des § 321 Abs. 2 ZPO zu geschehen hat (vgl. Keidel/ Weber, FamFG, 20. Auflage, § 116, Rn. 17a).

3.) Ob stattdessen auch die Nachholung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit durch das Beschwerdegericht zulässig ist, ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und der Literatur umstritten.

a) Nach einer Auffassung kann das Beschwerdegericht eine im ersten Rechtszug unterbliebene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nachholen.

aa) Dabei wird die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung durch das Beschwerdegericht teilweise auf §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 3 FamFG gestützt (OLG Bamberg, FamRZ 2013, 481). Hierzu wird ausgeführt, dass das Beschwerdegericht zwar grundsätzlich einstweilige Anordnungen nach § 64 Abs. 3 FamFG nur hinsichtlich der schon eingetretenen Wirkung treffen dürfe, nicht aber Entscheidungen, welche noch nicht wirksam geworden seien, im Wege der einstweiligen Anordnung Wirksamkeit verleihen dürfe. Eine Ausnahme bestehe aber in den gesetzlich ausdrücklich vorgesehenen Fällen wie dem § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG.

bb) Teilweise wird die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung durch das Beschwerdegericht auf § 120 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 718 Abs. 1 ZPO gestützt, wonach eine Vorabentscheidung über die sofortige Wirksamkeit beantragt werden kann (so KG Berlin, FamRZ 2014, 1934 f.; OLG Karlsruhe, NJW-RR 2019, 581; Prütting/ Helms, FamFG, 5. Auflage, 2020, § 116, Rn. 30; Zöller/ Lorenz, ZPO, 34. Auflage, 2022, § 116 FamFG, Rn. 10; Grandel in: Musielak/ Borth, FamFG, 6. Auflage, 2018, § 116, Rn. 6; Lies-Benachib in: Dutta/ Jacoby/ Schwab, FamFG, 4. Auflage, 2022, § 116 FamFG, Rn. 6; Keidel/ Weber, FamFG, 20. Auflage, § 116, Rn. 17a). Hierzu wird ausgeführt, dass die Regelungen der §§ 116 Abs. 3, 120 Abs. 2 FamFG nach Auffassung des Gesetzgebers die differenzierte Konstruktion der vorläufigen Vollstreckbarkeit in der ZPO ersetzen sollten. Da in § 120 Abs. 1 FamFG angeordnet sei, dass die Vorschriften der ZPO über die Vollstreckung entsprechend gelten, könne § 718 ZPO für das Nachholen der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG durch das Beschwerdegericht herangezogen werden. Der Umstand, dass in § 718 ZPO die Ermessensentscheidung des § 116 Abs. 3 Satz 3 FamFG nicht vorgesehen sei, begründe angesichts der nach dem Gesetz in § 120 Abs. 1 FamFG vorgesehenen "entsprechenden" Anwendung keine grundsätzlichen Bedenken gegen eine Entscheidung des Beschwerdegerichts. Die Regeln der §§ 321 und 718 ZPO stünden auch in der Zivilprozessordnung nebeneinander. Es sei nicht anzunehmen, dass der Gesetzgeber, der die existentielle Bedeutung des Unterhaltsanspruchs für den Unterhaltsgläubiger betone, dessen Rechtspositionen gegenüber der des sonstigen ZPO-Gläubigers verkürzen habe wollen.

b) Nach anderer Auffassung ist die Möglichkeit der nachträglichen Anordnung der sofortigen...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge