Verfahrensgang

AG Strausberg (Aktenzeichen 2.1 F 225/11)

 

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 4.8.2015 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Der an den Senat gerichtete Antrag der Antragsgegnerin, die sofortige Wirksamkeit der Unterhaltsverpflichtung des Antragstellers im angefochtenen Beschluss des AG vom 29.4.2015 (Ziff. III der Beschlussformel) anzuordnen, ist zurückzuweisen. Denn für eine dahingehende Entscheidung des Senats gibt es keine Rechtsgrundlage.

Wird eine Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 2 und 3 FamFG unterlassen, kommt eine nachträgliche Anordnung der sofortigen Wirksamkeit durch das Beschwerdegericht, also den Senat, nicht in Betracht. Rechtsgrundlage hierfür ist insbesondere nicht § 64 Abs. 3 FamFG. Nach dieser Vorschrift kann das Beschwerdegericht eine einstweilige Anordnung erlassen, insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist. Diese Befugnis des Beschwerdegerichts beruht darauf, dass der Einlegung der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt (vgl. Musielak/Borth, FamFG, 5. Aufl., § 64 Rn. 9; Prütting/Helms/Abramenko, FamFG, 3. Aufl., § 64, Rn. 20). Das Beschwerdegericht soll die Möglichkeit haben, einer - irreversiblen - Veränderung der Sachlage entgegenzuwirken. Dementsprechend sollen grundsätzlich nur Anordnungen hinsichtlich der schon eingetretenen Wirkungen durch das Beschwerdegericht getroffen werden können. Entscheidungen, die noch nicht wirksam geworden sind, soll aber im Wege der einstweiligen Anordnung keine Wirksamkeit verliehen werden können (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.2.2013, 18 UF 363/12, juris; Prütting/Helms/Abramenko, a.a.O., § 64 Rn 31; s. aber OLG Bamberg, Beschluss vom 28.2.2013, 18 UF 363/12, juris; Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 64 Rn. 58a). Daher kann diese Vorschrift nicht herangezogen werden, um der vorliegenden Familienstreitsache, die nach § 116 Abs. 3 FamFG erst mit Rechtskraft wirksam wird, nachträglich die sofortige Wirksamkeit zu verleihen.

Die sofortige Wirksamkeit der angefochtenen Entscheidung des AG kann der Senat auch nicht auf der Grundlage von §§ 120 FamFG in Verbindung mit § 718 ZPO anordnen. Denn diese Norm eröffnet den Weg, eine erstinstanzlich negative bzw. unterlassene Entscheidung über die sofortige Wirksamkeit einer Endentscheidung in Familienstreitsachen in zweiter Instanz nachzuholen, nicht. Nach der ZPO ist die vorläufige Vollstreckbarkeit von Amts wegen für alle Endurteile mit vollstreckungsfähigem Inhalt, die nicht mit der Verlautbarung rechtskräftig und damit endgültig vollstreckbar werden, auszusprechen (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 708 Rn. 1). § 718 ZPO schafft die Möglichkeit, die erstinstanzliche Vollstreckbarkeitsentscheidung vorab abzuändern, insbesondere eine von Amts wegen zu treffende oder beantragte aber unterlassene Regelung (Abwendungsbefugnis, Sicherheitsleistung, Schutzmaßnahmen nach §§ 710, 711 Satz 3, 712 ZPO) nachzuholen (MüKoZPO/Götz, 4. Aufl., § 718 Rn. 2). Demgegenüber besteht im FamFG eine grundsätzlich andere Regelung. Nach § 116 Abs. 3 FamFG kann das Gericht die sofortige Wirksamkeit anordnen und soll dies tun, soweit die Endentscheidung eine Verpflichtung zur Leistung von Unterhalt enthält. Das Gericht hat also eine Ermessensentscheidung zu treffen (vgl. Keidel/Weber, a.a.O., § 116 Rn. 17). Daher wäre, falls die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit im Verfahren nach § 718 ZPO nachgeholt werden könnte, nicht nur eine über die Abänderungsmöglichkeit hinausgehende, die angefochtene Entscheidung ergänzende Entscheidung zu treffen. Sondern es müsste auch eine insoweit nicht vorgesehene Ermessensentscheidung gefällt werden, die dem dargestellten Konzept gerade nicht entspricht (vgl. dazu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 28.2.2013, 18 UF 363/12, juris; s. a. Heiß, FamFR 2013, 460 ff, 462; a.A. KG, Beschluss vom 9.5.2014, 18 UF 43/13, juris; wohl auch Keidel/Sternal, a.a.O., § 64 Rn. 58b).

Hinzu kommt, dass der Unterhaltsgläubiger die Ergänzung der Entscheidung des AG bei diesem gemäß § 120 Abs. 1 FamFG in Verbindung mit §§ 716, 321 ZPO beantragen kann, was allerdings innerhalb der Zweiwochenfrist des § 321 Abs. 2 ZPO zu geschehen hat. Er kann also wie stets veranlassen, dass die übergangene Entscheidung nachgeholt wird.

 

Fundstellen

Haufe-Index 8992411

NJW 2015, 6

FamRZ 2016, 161

NJOZ 2016, 521

NZFam 2015, 1127

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