Leitsatz (amtlich)

Das Beschwerdegericht kann die in erster Instanz unterbliebene Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit (§ 116 Abs. 3 FamFG) nicht nachholen.

 

Verfahrensgang

AG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 41 F 2903/11)

 

Tenor

Der Antrag der Antragsgegnerin vom 20.2.2013 wird zurückgewiesen.

 

Gründe

Dem Antrag der Antragsgegnerin, die sofortige Wirksamkeit von Ziff. 3 des angefochtenen Beschlusses anzuordnen, kann nicht stattgegeben werden. Es fehlt an einer entsprechenden Rechtsgrundlage.

1. Die Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit nach § 116 Abs. 3 Satz 2 und 3 FamFG ist in der jeweiligen Endentscheidung zu treffen (Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 116 Rz. 30). Wurde eine entsprechende Anordnung versäumt, hat der Gläubiger die Möglichkeit, gem. § 120 Abs. 1 FamFG in entsprechender Anwendung von §§ 716, 321 ZPO eine Ergänzung des Titels zu beantragen. Nach Ablauf der 2-Wochenfrist des § 321 Abs. 2 ZPO kommt weder eine Ergänzung der Endentscheidung noch eine isolierte Anordnung der sofortigen Wirksamkeit durch das Beschwerdegericht in Betracht.

2. Der teilweise vertretenen Ansicht, das Beschwerdegericht könne die in erster Instanz unterbliebene - in der Sollvorschrift des § 116 Abs. 3 FamFG vorgesehene - Entscheidung zur sofortigen Wirksamkeit nachholen, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Die insoweit herangezogenen Vorschriften der §§ 113 Abs. 1 Satz 1, 64 Abs. 3 FamFG bzw. §§ 120 Abs. 1 FamFG, 718 Abs. 1 ZPO (Keidel/Sternal, FamFG, 17. Aufl. 2011, § 64 Rz. 58a; nahezu wortgleich OLG Bamberg, Beschl. v. 22.6.2012 - 2 UF 296/11 - juris; Prütting/Helms, FamFG, 2. Aufl. 2011, § 116 Rz. 30 - ohne Begründung; teils unklar Keidel/Weber, a.a.O., § 116 Rz. 9), bieten für eine entsprechende Anordnung des Beschwerdegerichts keine hinreichende gesetzliche Grundlage.

a) Eine auf § 64 Abs. 3 FamFG gestützte nachträgliche Anordnung der sofortigen Wirksamkeit widerspricht dem Sinn und Zweck dieser Regelung. Nach § 64 Abs. 3 FamFG kann das Beschwerdegericht vor der Entscheidung in der Hauptsache eine einstweilige Anordnung erlassen, insbesondere anordnen, dass die Vollziehung des angefochtenen Beschlusses auszusetzen ist. Die Vorschrift entspricht dem bisherigen § 24 Abs. 3 FGG (BT-Drucks. 16/6308, 206) und beruht darauf, dass der Einlegung der Beschwerde keine aufschiebende Wirkung zukommt (Musielak/Borth, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 64 FamFG Rz. 8; MünchKomm/Koritz, ZPO, 3. Aufl. 2010, § 64 Rz. 7). § 64 Abs. 3 FamFG soll es dem Beschwerdegericht ermöglichen, einer - der Endentscheidung vorgreiflichen - Veränderung der Sachlage entgegenzuwirken (Jansen/Briesemeister, FGG, 3. Aufl. 2006, § 24 Rz. 14). Diesem Zweck liefe eine Anordnung der sofortigen Vollziehung zuwider, da sie die Vollstreckbarkeit der titulierten Unterhaltsansprüche und damit den Vorgriff auf die Endentscheidung gerade ermöglichen statt verhindern würde. Ausgehend hiervon bezieht sich § 64 Abs. 3 FamFG faktisch ausschließlich auf Familiensachen, die keine Familienstreitsachen darstellen (Musielak/Borth, a.a.O., § 64 Rz. 8), da letztere gem. § 116 Abs. 3 S. 1 FamFG ohnehin erst mit Rechtskraft wirksam werden.

Auch der Umstand, dass für Entscheidungen in Familienstreitsachen in §§ 116 Abs. 3, 120 Abs. 2 FamFG Sonderregelungen zur Vollstreckbarkeit vorgesehen sind, spricht gegen die Möglichkeit, eine unterlassene Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit unter Anwendung von § 64 Abs. 3 FamFG im Beschwerdeverfahren nachzuholen.

Weiter ist zu berücksichtigen, dass die Anordnung über die sofortige Wirksamkeit unanfechtbar ist. Sie ist damit einer eigenständigen Entscheidung des Beschwerdegerichts in der Form, dass die zweitinstanzliche Entscheidung an die Stelle der erstinstanzlichen gesetzt wird, entzogen. Das Beschwerdegericht kann vielmehr nur eine bereits ergangene Entscheidung an die Umstände des Einzelfalls anpassen, z.B. die Vollziehung aussetzen.

b) Die sofortige Wirksamkeit kann auch nicht in entsprechender Anwendung von § 718 ZPO nachträglich angeordnet werden.

Zwar ermöglicht es § 718 ZPO, aufgrund mündlicher Verhandlung eine erstinstanzlich unterlassene Regelung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit in der nächst höheren Instanz nachzuholen (MünchKomm/Götz, ZPO, 4. Aufl. 2012, § 718 Rz. 2; Musielak/Lackmann, ZPO, 9. Aufl. 2012, § 718 Rz. 1). § 718 ZPO ist jedoch auf die zivilprozessualen Vorschriften der §§ 708 ff. ZPO zugeschnitten. Danach ist die von Amts wegen auszusprechende Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit für alle Urteile mit vollstreckungsfähigem Inhalt zwingend vorgeschrieben. Demgegenüber steht die in § 116 Abs. 3 FamFG vorgesehene Anordnung der sofortigen Wirksamkeit - auch in Unterhaltssachen - im Ermessen des Gerichts. Im Falle der Nachholung der Anordnung der sofortigen Wirksamkeit wäre daher eine im Verfahren nach 718 ZPO nicht vorgesehene Ermessensentscheidung zu treffen.

Hinzu kommt, dass das Beschwerdegericht eine Entscheidung über die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit aufgrund ihrer...

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