Entscheidungsstichwort (Thema)

Versäumung der Berufungsfrist nach nicht rechtzeitiger Absetzung und Zustellung des Urteils

 

Leitsatz (amtlich)

Am Ablauf der absoluten Berufungsfrist von 5 Monaten nach Verkündung des Urteils ändert auch die spätere Zustellung des zwischenzeitlich abgefassten Urteils nichts. Wussten die Prozessbevollmächtigten der Parteien von der Verkündung, kommt auch eine Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand nicht in Betracht.

 

Verfahrensgang

AG Flensburg (Urteil vom 15.07.2003; Aktenzeichen 93 F 241/01 UE)

 

Tenor

Die am 19.2.2004 eingelegte Berufung des Beklagten gegen das am 15.7.2003 verkündete und am 5.2.2004 zugestellte Urteil des AG - FamG - Flensburg - 93 F 241/01 UE - wird - unter Zurückweisung der Wiedereinsetzungsanträge v. 19.2.2004 - als unzulässig verworfen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt nach einem Streitwert i.H.v. 3.600 Euro der Beklagte.

 

Gründe

I. Die 1941 geborene Klägerin begehrt von dem 1940 geborenen Beklagten die Abänderung eines Vergleichs über nachehelichen Unterhalt.

Die Parteien sind rechtskräftig geschiedene Eheleute. Sie haben sich in dem Verfahren 15 UF 17/96 OLG Schleswig = 64 F 166/93 AG Flensburg am 10.2.1997 zum nachehelichen Unterhalt u.a. dahin verglichen, dass der Beklagte an die Klägerin ab Juli 1997 monatlich 1.250 DM zahlt.

Mit der am 25.10.2001 beim AG - FamG - Flensburg eingegangenen Stufenklage hat die Klägerin Auskunft über die Einkünfte des Beklagten und Zahlung nachehelichen Unterhalts auf der Grundlage der Auskunft begehrt. Nachdem der Beklagte auf Grund eines am 25.1.2002 verkündeten Teilanerkenntnisurteils Auskunft erteilt hatte, hat die Klägerin den Beklagten im Juni 2002 auf Zahlung rückständigen Unterhalts sowie fortlaufenden Unterhalts i.H.v. monatlich 1.225,70 Euro zzgl. Krankenvorsorgeunterhalt i.H.v. 170 Euro ab 1.7.2002 in Anspruch genommen.

In der am 20.5.2003 geschlossenen mündlichen Verhandlung hat das AG einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 10.6.2003 anberaumt. Der Verkündungstermin ist am 10.6. auf den 1.7. und am 1.7. auf den 15.7.2003 verlegt worden. Von den Verlegungen sind die Prozessbevollmächtigten der Parteien jeweils zeitnah durch Zustellungen in Kenntnis gesetzt worden.

Am 15.7.2003 ist ausweislich des Verkündungsprotokolls (Bl. 179d.A.) das angegriffene, als im schriftlichen Verfahren ergangen bezeichnete Urteil verkündet worden. Zum Verkündungstermin hat offensichtlich nur die erste Seite des Urteils mit dem Tenor der Entscheidung vorgelegen, die noch am 15.7.2003 zur Geschäftsstelle gelangt ist (Bl. 173d.A.). Nach dem Tenor ist der Beklagte in Abänderung des Vergleichs verurteilt worden, an die Klägerin rückständigen Unterhalt für den Zeitraum vom 1.8.2001 bis zum 31.1.2003 i.H.v. 12.555,80 Euro nebst Zinsen sowie ab 1.2.2003 monatlichen Unterhalt i.H.v. 1.200 Euro zu zahlen. Die Zustellungsverfügung der Geschäftsstelle vom 24.7.2003 (Bl. 179d.A.) ist offensichtlich nicht ausgeführt worden.

Auf telefonische Nachfrage erfuhren die Prozessbevollmächtigten des Beklagten den Tenor des Urteils. Eine Berufungsfrist wurde nicht notiert.

Die Prozessbevollmächtigten erkundigten sich, nachdem die Zustellung des Urteils ausblieb, am 17.9.2003 schriftsätzlich danach, wann mit Zustellung des vollständig abgefassten Urteils zu rechnen sei.

Auf Grund Zustellungsverfügung vom 3.2.2004 (fälschlich mit 2003 bezeichnet, Bl. 183 d.A.) ist das Urteil in vollständiger Form beiden Parteien am 5.2.2004 zugestellt worden.

Am 19.2.2004 hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er hat zugleich unter dem Vorbehalt der Erweiterung beantragt, das angefochtene Urteil zu ändern und die Klage im Umfang von monatlich 300 Euro mit Wirkung ab Rechtshängigkeit abzuweisen, die Berufung vorsorglich und vorläufig begründet und wegen Versäumung der Berufungsfrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begehrt.

Zur Wiedereinsetzung trägt der Beklagte vor, die Überwachung der sog. absoluten Berufungsfrist sei nicht erforderlich gewesen. Denn die Ursachen für die Versäumung dieser Frist lägen in erster Linie in der Sphäre des AG. Dort habe man es aus Gründen, die dem Beklagten und seinen Prozessbevollmächtigten nicht bekannt seien, nicht fertig gebracht, das am 15.7.2003 offenbar noch nicht in vollständiger Form vorliegende Urteil rechtzeitig zuzustellen. Dies könne nicht auf dem Umweg über die Anwaltshaftung den Parteien bzw. ihren Rechtsanwälten angelastet werden, wie das BVerfG (BVerfG v. 12.8.2002 - 1 BvR 399/02, MDR 2002, 1339 = NJW 2002, 2937) ausgeführt habe. Das müsse erst recht für solche Fehler gelten, die ihre Ursache ausschließlich im Arbeits- und Organisationsbereich des Gerichts hätten.

Darüber hinaus sei der Umstand, dass die absolute Berufungsfrist nicht notiert worden sei, für die Fristversäumung nicht ursächlich geworden. Wäre die Frist ordnungsgemäß notiert worden, wäre es dem Beklagten nicht zuzumuten gewesen, vorsorglich gegen ein nicht bekanntes Urteil Berufung einzulegen. Dies sei zum einen aus der Entscheidung des BVerfG ab...

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