Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung der Zuständigkeit zwischen einer Kammer für Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften und einer Kammer für Streitigkeiten aus Baurecht eines Landgerichts

 

Tenor

Die 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg als Kammer für Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften wird als funktionell zuständiger Spruchkörper bestimmt.

 

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagte aus einer Bürgschaft in Anspruch.

Die Klägerin ist eine Gemeinschaft von Eigentümern, die in dem Bauvorhaben (...), einer ab dem Jahre 2008 errichteten Ferienhaussiedlung mit 105 Einheiten, Wohnungseigentum erworben haben. Bauträgerin und Verkäuferin der einzelnen Einheiten war die (...) GmbH & Co KG mit Sitz in Berlin. Mit schriftlicher Erklärung vom 22. Oktober 2007 übernahm die beklagte Bank gegenüber der Klägerin eine als "Bürgschaft gem. § 7 MaBV" bezeichnete selbstschuldnerische Bürgschaft zu einem Höchstbetrag von 250.000,00 EUR für eine Schuld der Bauträgerin (Anlage K 1). In der Bürgschaftsurkunde heißt es, die Bauträgerin - dort bezeichnet als "Gewerbetreibender" - werde zur Herstellung des Gemeinschaftseigentums von der Wohnungseigentümergemeinschaft einen Gesamtbetrag von 250.000,00 EUR erhalten oder zu deren Verwendung ermächtigt werden. Die Übernahme der Bürgschaft erfolge zur "Sicherung aller etwaigen Ansprüche des Auftraggebers gegen den Gewerbetreibenden auf Rückgewähr oder Auszahlung der vorgenannten Vermögenswerte, die der Gewerbetreibende erhalten hat oder zu deren Verwendung er ermächtigt worden ist". Die Klägerin behauptet, die Außenanlagen seien mangelhaft errichtet und nach wie vor nicht fertiggestellt und abgenommen worden. Für die erforderliche Sanierung des Verkehrsflächenunter- und oberbaus sowie die Herstellung einer funktionsfähigen Entwässerung seien Kosten in Höhe von 460.565,70 EUR aufzuwenden. Die Verkäuferin habe mitgeteilt, sie sei nicht leistungsfähig. Die Klägerin meint, die Beklagte habe aufgrund der übernommenen Bürgschaft den Höchstbetrag von 250.000,00 EUR an sie zu zahlen.

Mit Schriftsatz vom 29. November 2018 hat die Klägerin beim Landgericht Flensburg wegen der Hauptforderung von 250.000,00 EUR nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten Klage eingereicht. Die Sache ist zunächst der nach dem Geschäftsverteilungsplan für Bausachen zuständigen 2. Zivilkammer zugeteilt worden. Die Kammer hat nach Einzahlung des Vorschusses die Klage mit Verfügung des Vorsitzenden vom 25. Januar 2019 an die Beklagte zugestellt. In der Klageerwiderung vom 2. April 2019 hat die Beklagte beantragt, den Rechtsstreit an die für Streitigkeiten aus Bank- und Finanzgeschäften zuständige 3. Zivilkammer des Landgerichts Flensburg zu verweisen, da es sich bei der von ihr gestellten Bürgschaft um ein typisches Bankgeschäft handele.

Nach Schriftwechsel mit den Parteien hat die 2. Zivilkammer sich durch Beschluss vom 3. Juli 2019 für unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an die 3. Zivilkammer verwiesen. Die Kammer ist der Auffassung, es handele sich hier nicht um eine Streitigkeit aus einem Bauvertrag nach § 72a Nr. 2 GVG, sondern um einen Rechtsstreit aus einem Bankgeschäft im Sinne des § 72a Nr. 1 GVG. Zwischen den Parteien bestehe kein Bauvertrag. Allein eine Sachnähe zu baurechtlichen Fragen genüge nicht, um den Rechtsstreit als Streitigkeit aus einem Bauvertrag einzuordnen. Die Übernahme von Bürgschaften zähle hingegen nach § 1 Abs. 1 Nr. 8 KWG zu den Bankgeschäften. Eine Zuständigkeit der 2. Zivilkammer folge auch nicht aus der Regelung unter C.3.a. und C.3.d. des Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts Flensburg. Danach ist die Rückgabe einer erstinstanzlichen Zivilsache an die Eingangsstelle grundsätzlich nur vor Veranlassung der Zustellung der Klage möglich, und mit der Unzulässigkeit der Rückgabe gilt diejenige Kammer als zuständig, bei der die Sache anhängig ist. Im konkreten Fall hätte die 2. Zivilkammer zwar bereits aus der Klageschrift erkennen können, dass Gegenstand der Klage kein Anspruch aus einem Bauvertrag, sondern ein Anspruch aus einem Bürgschaftsvertrag sei. Die im Geschäftsverteilungsplan enthaltene Regelung über die zeitliche Begrenzung der Abgabe eines Verfahrens an eine andere Kammer sei jedoch nachrangig gegenüber der gesetzlichen Zuständigkeitsvorschrift des § 72a GVG. Es liege nicht in der Hand des Präsidiums eines Gerichts, die gesetzlich vorgeschriebene Sonderzuständigkeit entfallen zu lassen, sofern diese nicht rechtzeitig bemerkt werde. Diese Möglichkeit habe das Präsidium nur bei Sonderzuständigkeiten, die nicht von § 72a GVG erfasst seien. Soweit die Zuständigkeit eines bestimmten Spruchkörpers - hier nach § 72a GVG - gesetzlich vorgegeben sei, könne das Gericht den Parteien nicht den Anspruch auf Behandlung des Verfahrens durch die Spezialkammer entziehen, um eigene Fehler bei der Zuteilung der Verfahren zu heilen.

Die 3. Zivilkammer hat sich durch Beschluss vom 29. Juli 2019 ebenfalls für unzuständig erklärt und das Schleswig-Holsteinische Oberlan...

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