BGH: Weitere VW-Schlappe bei Schummel-Dieseln

Der Weiterverkauf eines VW-Fahrzeugs mit vom Abgasskandal betroffenen Dieselmotor lässt den Anspruch der betrogenen Kunden auf Rückzahlung des Kaufpreises nicht entfallen. Den Veräußerungserlös müssen sie sich anrechnen lassen, Wechselprämien nicht.

Käufer von VW Dieselfahrzeugen, in denen die sogenannte Schummel-Software zur Reduzierung schädlicher Abgaswerte auf dem Rollenprüfstand eingebaut war, haben grundsätzlich Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages. Dies gilt nach zwei jetzt ergangenen Entscheidungen des BGH auch in den Fällen, in denen die VW-Kunden das Fahrzeug bereits anderweitig weiterveräußert haben.

Betroffene VW-Dieselkunden haben Anspruch auf Kaufpreiserstattung

Schon im Mai 2020 hatte der BGH entschieden, dass VW durch den Einbau der Software zur Abschaltung der Abgasreduzierung im normalen Fahrbetrieb bei Dieselmotoren des Typs EA 189 die Kunden arglistig getäuscht und sittenwidrig geschädigt hat. Aus diesem Verhalten von VW resultiert nach dieser Entscheidung ein Anspruch auf Schadenersatz der Dieselkäufer in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrags, d.h.

  • Rückzahlung des Kaufpreises
  • unter Anrechnung der gezogenen Nutzungen (gefahrene Kilometer) und
  • Rückgabe des Fahrzeuges (BGH, Urteil v. 25.5.2020, IV ZR 252/19).

VW bestreitet Vermögensschaden nach Weiterverkauf

Nach Auffassung von VW kann dieser Schadensersatzanspruch in Form der Rückabwicklung des Kaufvertrages keinen Bestand haben, wenn der Käufer das Fahrzeug bereits weiterveräußert hat. In diesem Falle könne er das Fahrzeug nicht mehr zurückgeben und damit auch keine Rückabwicklung des Kaufvertrages einfordern. Im konkreten Fall verwies VW darauf, die Klägerin habe im laufenden Verfahren ihr Fahrzeug nach Klageerhebung für 4.500 Euro verkauft und damit einen marktgerechten Verkaufspreis erzielt. Damit habe sie im Ergebnis keinerlei Vermögensschaden mehr.

BGH betont Recht des Kunden auf Weiterveräußerung

Dieser Argumentation von VW folgt der BGH nicht. Nach Auffassung des BGH hat der Kunde das Recht, sein Fahrzeug beispielsweise während eines lang dauernden Rechtsstreits zu veräußern. Der Weiterverkauf ändere grundsätzlich nichts an den Ansprüchen des Kunden gegenüber dem Autohersteller und damit auch nichts an seinem grundsätzlichen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises. Entscheidend sei, dass der Käufer den ursprünglich geschlossenen Kaufvertrag zum Erwerb eines VW Dieselfahrzeuges nicht geschlossen hätte, wäre er von VW zutreffend über den Einbau der Abgasmanipulationssoftware informiert worden. Wenn der Kunde das Fahrzeug dann nicht mehr wolle und der Autohersteller es nicht zurücknehme, dürfte der Kunde das Fahrzeug grundsätzlich veräußern.

Veräußerungserlöse sind auf Schadensersatzanspruch anzurechnen 

Der BGH wies darauf hin, dass die Ansprüche der Kunden infolge der Schädigung durch die arglistige und sittenwidrige Täuschung von VW gemäß § 826 BGB seiner Natur nach ein Schadensersatzanspruch ist. Dies bedeutet, der Kunde sei gemäß § 249 Abs. 1 BGB finanziell in die Lage zu versetzen, in der er sich befände, wenn er das mangelhafte Fahrzeug nicht gekauft hätte. Das dem Schadensrecht immanente Verbot der Schadensüberkompensation, also einer Bereicherung des Geschädigten infolge des geltend gemachten Schadens, führt nach dem Urteil des BGH allerdings dazu, dass Kunden, die ihr Fahrzeug bereits verkauft haben, sich den beim Weiterverkauf erzielten Kaufpreis auf ihren Rückzahlungsanspruch anrechnen lassen müssen.

Streitfrage: Mindern Wechselprämien den Anspruch auf Schadenersatz?

Der BGH befasste sich in einem weiteren Fall darüber hinaus mit der Frage, ob der Kunde sich im Rahmen des Vorteilsausgleiches auf seinen Schadensersatzanspruch eine Wechselprämie anrechnen lassen muss. Solche Wechselprämien bieten einige Fahrzeughersteller Kunden an, die von einer anderen Marke - in dem Fall VW - zur Fahrzeugmarke des Wechselprämienanbieters wechseln und beim Kauf eines neuen Fahrzeuges ihr Altfahrzeug dort in Zahlung geben. Im konkreten Fall hatte die Klägerin und VW-Kundin ihren VW-Diesel bei der Firma Audi in Zahlung gegeben und dort eine Wechselprämie in Höhe von 6.000 Euro erhalten.

BGH verneint Anrechnungspflicht

In der in der mündlichen Verhandlung vor dem BGH hoch umstrittenen Wechselprämienfrage hat der Senat sich klar positioniert: Die Wechselprämie ist nicht vom Schadensersatzanspruch abzuziehen. Der BGH verwies auf Sinn und Eigenart der Wechselprämien. Der Sinn einer Wechselprämie bestehe darin, den Autokäufer für den Wechsel der Automarke zu belohnen. Eine solche verkaufsfördernde Werbemaßnahme habe nichts mit dem Substanz- oder Nutzungswert des in Zahlung gegebenen Fahrzeugs zu tun, vielmehr solle sie dem Neukunden persönlich zugute kommen. Eine Wechselprämie sei daher im Rahmen des Schadenersatzes nicht zu berücksichtigen.

Ca. 1.000 weitere Verfahren betroffen

Die jetzigen Entscheidungen des BGH dürften Auswirkungen auf eine ganze Reihe von noch bei anderen Gerichten anhängige Diesel-Verfahren haben. Nach Angaben des Autoherstellers VW sind noch ca. 1.000 Rechtsstreitigkeiten mit einer vergleichbaren Problematik vor deutschen Gerichten anhängig.

(BGH, Urteile v. 20.7.2021, VI ZR 575/20 und VI ZR 533/20).

Hintergrund

Der anhaltend hohe Eingang von Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Dieselfahrzeugen hat zu einer erheblichen Überlastung der damit bisher weitgehend befassten VI. und VII. Zivilsenate des BGH geführt. Aufgrund dieser Situation hat das Präsidium des BGH gemäß § 21e As. 1, Abs. 3 GVG die Einrichtung eines Hilfsspruchkörpers für „Diesel-Sachen“ beschlossen. Ab 1. August soll der neue Senat VIa über die Eingänge in „Diesel-Sachen“ entscheiden. Mitglieder des Hilfszivilsenats sind Richter anderer Zivilsenate, denen sie weiterhin anteilig zugewiesen bleiben.

(Präsidium des BGH, Beschluss v. 21.7.2021)