Diesel-Urteil des BGH zu kleinem Schadensersatz und gefahrenen km

Der BGH ist so schwer beschäftigt mit den „Dieselsachen“, dass ein eigens dafür eingerichteter Senat dafür zuständig ist. Die Rechtsprechung zum Schadensersatz wurde mit dem neuesten Urteil des BGH wieder ein wenig weiterentwickelt. Diesmal ging es um die Vorteilsanrechnung der Kilometer, die zwischen Kauf und Klageerhebung gefahren wurden.

Noch nimmt die Flut von Rechtsstreitigkeiten im Zusammenhang mit der Abgasmanipulation durch VW bei Dieselmotoren nicht ab. Der BGH schafft weiter Klarheit für Betroffene. Das aktuelle Urteil v. 24.1.2022 setzt auf bisherige Entscheidungen auf. Die Fälle ähneln sich, sind aber nicht so gleich, dass dem BGH die Entscheidungsnotwendigkeit sobald ausginge.

Der zum "kleinen Schadensersatz" entschiedene Diesel-Fall:

Im September 2013 kaufte der Kläger seinen Seat Leon gebraucht für knapp 13.000 EUR. Der km-Stand bei Kauf betrug 60.400. Der Dieselmotor war mit der manipulativen Software ausgestattet, die fehlerhaft vorgab, die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm einzuhalten. Auch in diesem Fahrzeug wurde in der Folge der Skandalaufdeckung das von VW entwickelte Software-Update, das die Täuschung aufhob, aufgespielt. Wie so viele, klagte auch der Seat-Eigentümer auf Schadenersatz.

Zwischen Kauf und Klage ca. 200.000 km gefahren

Zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Urteils um den Jahreswechsel 2020/2021 betrug sein Km-Stand ca. 275.000, also rund 200.000 km mehr als beim Kauf gut sieben Jahre zuvor. Er wollte sein Auto behalten und erhofft sich von den Gerichten Schadensersatz, der in diesem Fall „nur“ auf Zinsansprüche und vorgerichtliche Anwaltskosten gerichtet war.

Blick zurück auf die bisherige BGH-Rechtsprechung in Schlagworten:

  • Käufer von vom Dieselskandal betroffenen Fahrzeugen haben grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch wegen vorsätzlicher, sittenwidriger Schädigung (§ 826 BGB).
  • Sie können wählen zwischen „großem Schadensersatz“ (Rückgabe des Fahrzeugs gegen Kaufpreiserstattung minus Nutzungsvorteilen) und „kleinem Schadensersatz“ (Behalten des Pkw, Differenz zwischen höherem Kaufpreis und ggf. niedrigerem Wert des Fahrzeugs).
  • Der Minderwert wird so berechnet, dass die Werte von Leistung und Gegenleistung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses verglichen werden. Später eintretende, die Werte beeinflussende Umstände, sind ebenfalls zu berücksichtigen.
  • Das Software-Update ist grundsätzlich als Vorteil zu bewerten; ggf. können aber auch Nachteile daraus folgen (BGH, Urteil v. 6.7.2021, VI ZR 40/20).

Inzwischen gefahrene Kilometer sind als Vorteil des Klägers einzuberechnen

Nicht wirklich überraschend an dem BGH-Urteil, aber anschließend an die vorherigen Entscheidungen, ist die Bewertung des Einzelfalldetails, dass der Seat-Fahrer zusätzliche 200.000 km auf dem Tacho hatte. Dies muss als Vorteil zu Lasten des Käufers eingepreist werden. Das LG Bonn hatte die Klage wie schon das Amtsgericht zuvor komplett abgewiesen und war daher nicht zu diesem Prüfungspunkt gekommen, was nun – nach Zurückverweisung des BGH - nachzuholen ist.

(BGH, Urteil v. 24.1.2022, VIa ZR 100/21).


Hintergrund:

Der anhaltend hohe Eingang von Streitigkeiten über Schadensersatzansprüche im Zusammenhang mit Dieselfahrzeugen hat zu einer erheblichen Überlastung der damit bisher weitgehend befassten VI. und VII. Zivilsenate des BGH geführt. Aufgrund dieser Situation hat das Präsidium des BGH gemäß § 21e As. 1, Abs. 3 GVG die Einrichtung eines Hilfsspruchkörpers für „Diesel-Sachen“ beschlossen. Ab 1. August soll der neue Senat VIa über die Eingänge in „Diesel-Sachen“ entscheiden. Mitglieder des Hilfszivilsenats sind Richter anderer Zivilsenate, denen sie weiterhin anteilig zugewiesen bleiben.

(Präsidium des BGH, Beschluss v. 21.7.2021)

Schlagworte zum Thema:  Bundesgerichtshof (BGH), Schadensersatz