Verfahrensgang

AG Flensburg (Beschluss vom 16.03.2015; Aktenzeichen 8 VI 1385/14)

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Beteiligten zu 2. wird der Beschluss des AG Flensburg vom 16.3.2015 geändert:

Der Erbscheinsantrag der Beteiligten zu 1. vom 22.12.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligte zu 1. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Kostenerstattung findet nicht statt.

Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 118.000,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die am 8.12.2014 verstorbene Erblasserin war ledig und kinderlos. Die Antragstellerin (A.) und die Beteiligte zu 3. - ihrerseits Geschwister - sind die Nichten der Erblasserin, die Beteiligte zu 3. ist zudem ihr Patenkind. Die Mutter der Beteiligten zu 1. und 3. - Schwester der Erblasserin - ist vorverstorben. Der Beteiligte zu 2. ist der Bruder der Erblasserin.

Die Erblasserin verfasste kurz vor ihrem Tod, bereits schwer erkrankt, am 5.12.2014 ein Testament mit folgendem Wortlaut:

Mein Testament

Testamentsvollstreckerin: A.

Testamentsvollstrecker: B.

Ich setze A. als Erbin meiner Wohnung in... mit allem Inventar ein.

(es folgen Datum und Unterschrift)

Die Erblasserin hat eine Wohnung in... mit einem Wert von ca. 90.000,00 EUR und Inventar mit einem Wert von ca. 2.000,00 EUR hinterlassen. Des Weiteren besteht ihr Nachlass aus Kontoguthaben im Wert von rd. 19.000,00 EUR und Bausparkassenguthaben im Wert von rd. 7.000,00 EUR. Es existiert wohl auch eine Lebensversicherung, deren Höhe und deren Bezugsberechtigung nicht geklärt sind.

Die Beteiligte zu 1. hat am 22.12.2014 zu Protokoll der Rechtspflegerin des AG Flensburg gestützt auf das genannte Testament einen Erbschein dahingehend beantragt, dass sie die Erblasserin als Alleinerbin beerbt habe. Die Beteiligte zu 3. stimmt diesem Antrag zu. Der Beteiligte zu 2. ist dem Antrag entgegen getreten.

Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten erster Instanz wird auf das Protokoll des AG vom 12.3.2015 - wo die drei Beteiligten angehört worden sind - und auf den angefochtenen Beschluss verwiesen.

Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss vom 16.3.2015 die Tatsachen, die zur Erteilung des beantragten Erbscheins erforderlich sind, für festgestellt erachtet und die sofortige Wirksamkeit des Beschlusses ausgesetzt sowie die Erteilung des Erbscheins bis zur Rechtskraft des Beschlusses zurückgestellt. Es hat zur Begründung ausgeführt, die Beteiligte zu 1. sei gemäß § 2087 Abs. 1 BGB als Alleinerbin anzusehen. Sie sei zwar nicht ausdrücklich als Alleinerbin eingesetzt worden, sondern nur im Hinblick auf die Eigentumswohnung der Erblasserin. Die Auslegungsregel des § 2087 Abs. 2 BGB, wonach die Zuwendung einzelner Gegenstände im Zweifel nicht zur Erbeinsetzung führe, sei dennoch nicht anzuwenden, weil der zugewendete Gegenstand dem Wert nach im Wesentlichen den Nachlass ausmache. Hier sei zu berücksichtigen, dass die Erblasserin der Beteiligten zu 1. nicht nur ihren Hauptvermögensteil zugewandt habe, sondern sie zugleich auch als Testamentsvollstreckerin eingesetzt habe. Somit habe die Beteiligte zu 1. alle Nachlassangelegenheiten zu regeln und zu regulieren. Im Übrigen sei als wesentlicher Vermögensgegenstand nach der Rechtsprechung des Bayerischen Obersten Landesgerichts in FamRZ 1997, 1177 auch z.B. ein Grundvermögen anzusehen, wenn es drei Viertel des Nachlasses ausmache, das verbleibende Geld dagegen nur ein Viertel. Ähnlich sei es hier im vorliegenden Fall, denn von dem Nachlasswert in Höhe von 118.000,00 EUR sei ein Wert in Höhe von 92.000,00 EUR - Wohnung nebst Inventar - der Beteiligten zu 1. zugewiesen worden, also rund 78 %.

Zu bedenken sei, dass die Erblasserin eine Pension in Höhe von rund 5.000,00 EUR bis 6.000,00 EUR gehabt habe, dieses Geld aber für Reisen und gemeinnützige Zwecke regelmäßig ausgegeben habe. Gegenüber ihren regelmäßigen Einnahmen habe sie mithin keine hohen Barwerte zurückgelegt, sondern ihr Geld verbraucht. Daraus ergebe sich, dass die Eigentumswohnung für sie der wesentliche Wert ihres Nachlasses gewesen sei. Aus dem gesamten Verhalten der Erblasserin sei nicht ersichtlich, dass sie im Übrigen die gesetzliche Erbfolge gewünscht hätte. Die Beteiligten hätten übereinstimmend erklärt, dass die Erblasserin sich insbesondere gern um ihre Großnichten und Großneffen auf Seiten der Beteiligten zu 1. bzw. Nichten auf Seiten des Beteiligten zu 2. gekümmert und diese beschenkt hätte. Bei Eintritt der gesetzlichen Erbfolge würden aber nicht diese Kinder erben, sondern die Erwachsenen. Der Wunsch finanzieller Zuwendungen an den Beteiligten zu 2. sei aus der Art des Lebens und der früheren Zuwendungen der Erblasserin nicht erkennbar.

Gegen die Auslegung des Testamentes spreche auch nicht, dass die Beteiligte zu 1. nicht ausdrücklich als Alleinerbin eingesetzt worden sei. Die Optik des Testamentes zeige, dass die Erblasserin nur noch schwer in der Lage gewesen sei, etwas schriftlich niederzulegen. Es sei daher nicht verwunderlich, dass sie sich auf das Wesentliche, das auch früher im Gespräch gewesen sei, nämlich ...

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