Leitsatz (amtlich)

Zur Verneinung der Wechselbezüglichkeit der Schlusserbeneinsetzung des gemeinsamen Kindes, wenn die alsbald verstorbene Ehefrau bei Errichtung des gemeinschaftlichen Testaments schwer erkrankt war, seit der Heirat nicht mehr gearbeitet und auch kein nennenswertes Vermögen in die Ehe eingebracht hatte und das verhältnismäßig junge Alter der Ehegatten die Möglichkeit einer Wiederheirat des Überlebenden nahelegte.

 

Normenkette

BGB §§ 667, 677, 2018, 2270-2271

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 12.02.2021; Aktenzeichen 16 O 84/17)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 12. Februar 2021 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 16 O 84/17 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweiligen Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 89.277,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien streiten um das Nachlassvermögen des am 22. August 1930 geborenen und am 26. März 2015 verstorbenen D. (im Folgenden: Erblasser); der Kläger, der sich seit vielen Jahren überwiegend im Ausland aufhält, begehrt von der Beklagten die Auszahlung aus der Erbschaft erlangter Geldbeträge. Er ist der einzige Abkömmling des Erblassers und durch Erbschein des Amtsgerichts Saarbrücken vom 9. August 2016 (Anlage K1 = BI. 11 GA) als dessen alleiniger Erbe ausgewiesen; die - ebenfalls testamentarisch bedachte - Beklagte war die Lebensgefährtin des Erblassers. Die Mutter des Klägers und erste Ehefrau des Erblassers war am 17. Mai 1975 im Alter von 40 Jahren verstorben, eine zweite Ehe des Erblassers wurde später wieder geschieden. Die Mutter des Klägers litt zu Lebzeiten an einer schweren Nierenschädigung, sie war Dialysepatientin und in den letzten Jahren vor ihrem Tod schwer erkrankt gewesen, die letzte Zeit ihres Lebens verbrachte sie überwiegend in Krankenhäusern. Seit der Heirat im Jahre 1957 war sie nicht mehr berufstätig gewesen, der Erblasser war Alleinverdiener, beide hatten kein Vermögen in die Ehe eingebracht. Mit notarieller Urkunde vom 28. März 1972 hatten sie zu je 1/2- Anteil ein Hausgrundstück in Bensberg erworben, dessen Kaufpreis von 142.500,- DM zzgl. der Nebenkosten ganz überwiegend kreditfinanziert worden war.

Der Erblasser hatte wiederholt letztwillige Verfügungen errichtet. Zusammen mit der Mutter des Klägers, die damals schon längere Zeit schwer erkrankt war, errichtete er am 12. September 1973 ein gemeinschaftliches Testament (Anlage K2 = BI. 12 f. GA), das u.a. wie folgt lautete:

"Für den Fall unseres Todes setzen wir uns gegenseitig als Alleinerben ein. Nach dem Tode des Längerlebenden soll unser Sohn Jürgen, geboren am 27. April 1961, Erbe hinsichtlich des gesamten Nachlasses des zuletzt Versterbenden sein.

Der überlebende Ehegatte ist in der Verfügung über das gesamte Vermögen (eigenes und ererbtes) frei."

Im Übrigen befasste sich das Testament über eine weitere Seite ausschließlich mit der Frage, wer im Falle des Todes beider Ehegatten Vormund des damals noch minderjährigen Klägers werden sollte bzw. nicht werden sollte. Am 31. August 1988 errichtete der Erblasser sodann mit seiner damaligen zweiten Ehefrau ein weiteres gemeinschaftliches Testament (BI. 19 f. GA), das u.a. wie folgt lautete:

  • "Für den Fall unseres Todes setzen wir uns gegenseitig als Alleinerben ein.
  • Der überlebende Ehegatte ist in der Verfügung über das gesamte Vermögen (eigenes und ererbtes) frei.
  • Sollte I. S. der überlebende Ehegatte sein, muss unter allen Umständen verhindert werden, dass J., geboren am 27. April 1961, das Recht erhält, in das Haus (...). einzuziehen bzw. über dieses Haus oder Teile davon ohne Zustimmung von I. S. zu verfügen, auch für den Fall, dass ihm ein Pflichtteil am Nachlass zustehen sollte.
  • Dieses gemeinschaftliche Testament wurde verfasst in Kenntnis des Testamentes von D. und R. vom 12. September 1973, eröffnet vom Amtsgericht Bergisch-Gladbach am 22. August 1975 ...".

Nach der Trennung von seiner zweiten Ehefrau errichtete der Erblasser am 10. Juli 2002 ein notarielles Testament (UR Nr. 1214/2002 des Notars H., Bergisch-Gladbach, BI. 21 ff. GA); darin heißt es u.a.:

"Ich habe am 12. September 1973 mit meiner ersten Ehefrau ein gemeinschaftliches privatschriftliches Testament errichtet, in dem wir uns gegenseitig zum alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt haben und der Überlebende unseren gemeinsamen Sohn zum Schlusserben berufen hat.

Ich habe in der vorangegangenen Urkunde des amtierenden Notars alle Verfügungen, die ich in gemeinschaftlichen Testamenten mit meiner zweiten Ehefrau (...) getroffen habe, widerrufen.

Alle einseitig von mir errichteten Verfügu...

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