Leitsatz (amtlich)

Das Nichtschreiben eines Scheidungsantrags über die Dauer von 21 Jahren ist als Ausdruck der endgültigen Aufgabe des Scheidungswillens mit der Folge der Unabwendbarkeit des § 1933 BGB zu werten.

 

Normenkette

BGB § 1933

 

Verfahrensgang

AG S. (Beschluss vom 08.03.2010; Aktenzeichen 3 VI 564/09)

 

Tenor

1. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 16.4.2010 gegen den Einziehungsbeschluss des AG - Nachlassgericht - S. vom 8.3.2010 (3 VI 564/09) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten beider Instanzen werden der Beschwerdeführerin auferlegt.

2. Der Geschäftswert wird für beide Instanzen auf 17.303,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerdeführerin, die zum Zeitpunkt des Erbfalls mit dem Erblasser verheiratet war, wehrt sich gegen die Einziehung des ihr durch das AG - Nachlassgericht - S. erteilten Mindestteil-Erbscheins vom 22.7.2009 - 3 VI 564/09 -, der sie als dessen Erbin kraft Gesetzes zumindest ½-Anteil auswies (Bl. 8 d.A.).

Dieser Erbschein war der Beschwerdeführerin auf ihren Antrag vom 21.7.2009 (Bl. 1 d.A.) erteilt worden, zu dessen Begründung sie - u.a. - an Eides Statt versichert hatte, dass bei Eintritt des Erbfalls eine Ehesache nicht anhängig gewesen sei und der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft gegolten habe. Daneben war zugunsten der Kinder des Erblassers, der weiteren Beteiligten zu 1) und 2), ein gemeinschaftlicher Teil-Erbschein vom 9.12.2009 - 3 VI 564/09 - erteilt worden, der diese als Erben kraft Gesetzes zu je ¼ ausweist.

Mit Schreiben vom 3.3.2010 hat die weitere Beteiligte zu 1) "Beschwerde" gegen die Erteilung des Mindestteil-Erbscheins vom 22.7.2009 erhoben, dessen Unrichtigkeit sich daraus ergebe, dass der Erblasser - was unstreitig ist - am 7.3.1988 einen Scheidungsantrag gestellt habe (21 F 77/88 des AG S.). Auch wenn der Erblasser das Scheidungsverfahren in der Folge nicht weiter betrieben habe, habe dies gem. § 1933 Abs. 1 BGB zum Erlöschen des Erbrechts der Beschwerdeführerin geführt. Da die Eheleute außerdem - was ebenfalls unstreitig ist - mit notarieller Vereinbarung vom 7.12.1988 (Urkundenrolle Nr. AAAA des Notars T. mit dem Amtssitz in S.) gegenseitig auf Zugewinnausgleichsansprüche verzichtet hätten (Bl. 17, 25 d.A.), folge ein Erbrecht der Beschwerdeführerin in Höhe eines ¼-Anteils auch nicht aus § 1371 BGB.

Der zuständige Rechtspfleger des AG - Nachlassgericht - S. hat den Mindestteil-Erbschein vom 22.7.2009 mit Beschluss vom 8.3.2010 (Bl. 30 d.A.) wegen des nach wie vor rechtshängigen Ehescheidungsverfahrens als unrichtig eingezogen und mit weiterem Beschluss vom 21.4.2010 (Bl. 42 d.A.) für kraftlos erklärt. Der Einziehungsbeschluss enthielt außerdem den Hinweis, die Anfechtung mit der unbefristet einzulegenden Erinnerung sei möglich.

Daraufhin hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.4.2010 (Bl. 38/40 d.A.) "Erinnerung" gegen den ihr am 10.3.2010 zugestellten (Bl. 33 d.A.) Einziehungsbeschluss vom 8.3.2010 eingelegt, mit der sie die Wiedererteilung eines Mindestteil-Erbscheins beantragt. Sie ist der Ansicht, das Nichtbetreiben des Ehescheidungsverfahrens über eine Dauer von 21 Jahren sei als Rücknahme des Scheidungsbegehrens zu behandeln, so dass von einem Fortbestehen des Ehegattenerbrechts auszugehen sei.

Die weitere Beteiligte zu 1), die ihrerseits nach Einziehung des Mindestteil-Erbscheins die Erteilung eines gemeinschaftlichen Erbscheins zugunsten der Kinder des Erblassers beantragt hat (Bl. 35 d.A.), verteidigt den Einziehungsbeschluss (Bl. 52 d.A.).

II. Der als "Erinnerung" bezeichnete Rechtsbehelf ist als befristete Beschwerde gem. §§ 58 ff., 63 Abs. 1, 11 Abs. 1 RPflG statthaft, über die gem. § 119 Abs. 1 Nr. 1b) GVG das OLG zu entscheiden hat, nachdem der zuständige Rechtspfleger des AG (§§ 3 Nr. 2c), 16 Abs. 1 Nr. 7 RpflG) ihr nicht gem. § 68 Abs. 1 FamFG abgeholfen hat.

1. Zwar ging der Einziehung eine gegen den Mindestteil-Erbschein vom 22.7.2009 gerichtete Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1) vom 3.3.2010 voraus, die gem. Art. 111 Abs. 1 des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG-RG) an sich noch den bis zum Inkrafttreten des FGG-RG am 1.9.2009 geltenden Vorschriften des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FGG) unterfiel. Da diese Beschwerde nach der Erteilung des Mindestteil-Erbscheins jedoch mit dem Ziel der Rückgängigmachung der Erbscheinserteilung unzulässig war, hat das AG den Rechtsbehelf der weiteren Beteiligten zu 1) - in Übereinstimmung mit §§ 58, 352 Abs. 3 FamFG - in einen "Antrag" auf Einziehung des Erbscheins umgedeutet (Bl. 30 d.A.; vgl. Staudinger/Schilken (2004), § 2353 BGB Rz. 92), welcher - im Sinne einer Anregung (vgl. § 24 Abs. 1 FamFG) - zur Einleitung eines Einziehungsverfahren führte. Dieses von Amts wegen zu führende Verfahren (vgl. § 2361 Abs. 3 BGB) stellt ggü. dem Erbscheinserteilungsverfahren ein neues selbständiges Verfahren i.S.d. Art. 111 Abs. 2 FGG-RG dar, d...

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