Das Wichtigste in Kürze:

1. Nach § 257a kann das Gericht den Verfahrensbeteiligten aufgeben, Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen schriftlich zu stellen.
2. Das Schriftlichkeitsgebot des § 257a bezieht sich nur auf Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen.
3. Bei der Anordnung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts.
4. Die Anordnung kann sich auf einen bestimmten (Beweis-)Antrag, aber auch auf künftige Anträge und Anregungen beziehen.
5. Verlangt das Gericht eine schriftliche Antragstellung, muss es dem Verteidiger genügend Zeit einräumen, seine Anträge und Anregungen schriftlich zu formulieren.
6. Nach § 257a S. 3 findet § 249, der den Urkundenbeweis regelt, entsprechende Anwendung, und zwar auch das Selbstleseverfahren.
 

Rdn 2919

 

Literaturhinweise:

Dahs, Das Verbrechensbekämpfungsgesetz vom 28.10.1994 – ein Produkt des Superwahljahres, NJW 1995, 553

R. Hamm, Was wird aus der Hauptverhandlung nach Inkrafttreten des Verbrechensbekämpfungsgesetzes?, StV 1994, 456

König/Seitz, Die straf- und strafverfahrensrechtlichen Regelungen des Verbrechensbekämpfungsgesetzes, NStZ 1995, 1

Krahl, Missachtung rechtsstaatlicher Verfahrensgrundsätze durch die schriftliche und selbstlesende Hauptverhandlung, GA 1998, 329

Münchhalffen, Der neue § 257a StPO und seine praktischen Auswirkungen, StraFo 1995, 20

dies., § 257a – Ein Einfallstor für richterliche Willkür und die Notwendigkeit seiner Beseitigung durch den Gesetzgeber, in: Festgabe für Heino Friebertshäuser, 1997, S. 139

Neumann, Zum Entwurf eines Verbrechensbekämpfungsgesetzes, StV 1994, 273

Scheffler, Kurzer Prozeß mit rechtsstaatlichen Grundsätzen?, NJW 1994, 2191

Wesemann, Zur Praxis des neuen § 257a StPO, StV 1995, 220

ders., Beanstandungs- und Erklärungsrechte zur Schaffung von Freiräumen der Verteidigung, StraFo 2001, 293.

 

Rdn 2920

1.a) § 257a, der die schriftliche Antragstellung regelt, ist durch das VerbrechensbekämpfungsG 1994 in die StPO eingefügt worden. Nach S. 1 der Vorschrift, deren Anwendungsbereich durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017“ erweitert worden ist, kann das Gericht den Verfahrensbeteiligten aufgeben, Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen schriftlich zu stellen.

 

Rdn 2921

b) Diese Regelung ist als ein Verstoß gegen das Mündlichkeitsgebot und das Unmittelbarkeitsprinzip heftig kritisiert worden (dazu eingehend Krahl GA 1998, 329; Münchhalffen StraFo 1995, 20; dies., S. 142 [Beseitigung dieses Gesetzes]; Scheffler NJW 1994, 2194; Wesemann StV 1995, 220; ders., StraFo 2001, 299). Sie diene zudem nur dazu, eine unbequeme Verteidigung zu disziplinieren (vgl. Münchhalffen, S. 141 f.). Da die gegen die Vorschrift erhobenen Bedenken nicht ohne Weiteres von der Hand zu weisen sind, wird – zu Recht – eine "restriktive" Anwendung der Vorschrift gefordert (Meyer-Goßner/Schmitt, § 257a Rn 2 m.w.N. [nur bei Verzögerung um "Stunden oder gar Tage"]; Wesemann StraFo 2001, 299; s. aber a. KK-Diemer, § 257a Rn 2). Allerdings sind die Befürchtungen, die mit der Einführung der Vorschrift geltend gemacht worden sind, in der Praxis wohl nicht eingetreten. Bislang liegt Rspr. zu der Regelung nicht vor.

 

Rdn 2922

2.a) Das Schriftlichkeitsgebot des § 257a bezieht sich nur auf Anträge und Anregungen zu Verfahrensfragen.

 

Rdn 2923

Das Schriftlichkeitsgebot gilt damit für Beweisanträge (→ Beweisantrag, Form, Teil B Rdn 1093), einen → Beweisermittlungsantrag, Teil B Rdn 1220, und die → Beweisanregung, Teil B Rdn 987 (s. BT-Drucks 12/6853, S. 34) sowie für alle auf ein Tätigwerden des Gerichts abzielenden Begehren der Verfahrensbeteiligten (KK-Diemer, § 257a Rn 2; KK-Krehl, § 244 Rn 86). Nach den Änderungen durch das "Gesetz zur effektiveren und praxistauglicheren Ausgestaltung des Strafverfahrens" v. 17.8.2017“ kann das Gericht jetzt gem. § 26 Abs. 1 S. 2 dem Antragsteller aufgeben, einen in der HV angebrachtes Ablehnungsgesuch schriftlich zu begründen (→ Ablehnungsantrag, Teil A Rdn 52 ff.). Auch beim sog. "Opening Statement" kann ggf. aufgegeben werden, weitere Erklärungen schriftlich abzugeben (→ Erklärungen des Verteidigers, Opening Statement, Teil E Rdn 1778 ff.).

 

Rdn 2924

b) Die Vorschrift gilt aber nicht für alle sonstigen Erklärungen und Äußerungen zu Sach- und Rechtsfragen. Sie gilt nach § 257a S. 2 ausdrücklich nicht für die sog. Schlussanträge i.S.d. § 258 (→ Plädoyer des Verteidigers, Teil P Rdn 2397). Sie gilt auch nicht für Erklärungen des Verteidigers nach § 257 (Meyer-Goßner/Schmitt, § 257a Rn 8). Nach dem Wortlaut des § 257a ("Anträge und Anregungen") kann das Schriftlichkeitsgebot wohl auch nicht solche Erklärungen erfassen, die Verfahrensfragen betreffen (→ Erklärungen des Verteidigers, Opening Statement, Teil E Rdn 1778), so z.B., wenn der Verteidiger zur Verwertbarkeit von Beweismitteln Stellung nimmt, es sei denn, diese münden in einen Antrag (KK-Diemer, § 257a Rn 3).

 

Rdn 2925

3.a) Bei der Anordnung handelt es sich um eine Ermessensentscheidung des Gerichts, bei der es...

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