Leitsatz

Die rückwirkende Änderung eines Umlageschlüssels scheidet jedenfalls dann aus, wenn das Wirtschaftsjahr bereits abgelaufen und der zugrunde liegende Wirtschaftsplan bestandskräftig ist

 

Normenkette

§§ 16 Abs. 3, 21 Abs. 4 WEG

 

Das Problem

  1. Wohnungseigentümer beschließen, Wohn-/Nutzflächen von einer Architektin errechnen zu lassen. Die neuen Flächen sollen sogleich der Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 2011 zugrunde gelegt werden.
  2. Ein Wohnungseigentümer greift diesen Beschluss an. Er meint u.a., es sei ordnungswidrig, dass die neu berechneten Flächen rückwirkend auf das Wirtschaftsjahr 2010 angewendet werden sollen.
 

Entscheidung

  1. Die Klage hat Erfolg. Rückwirkungen, die zu einer nachträglichen Neubewertung eines bereits abgeschlossenen Sachverhalts führten, seien grundsätzlich unzulässig. Zwar solle allein der Umstand, dass Vorschüsse auf der Grundlage des bislang geltenden Verteilungsschlüssels erhoben worden sind, kein schutzwürdiges Vertrauen begründen können. Dies könne aber nur dahin gehend verstanden werden, dass eine rückwirkende Änderung des Verteilungsschlüssels jedenfalls dann ausscheide, wenn das Wirtschaftsjahr bereits abgelaufen sei und der zugrunde liegende Wirtschaftsplan bestandskräftig ist. In diesem Fall könnten die Wohnungseigentümer die berechtigte Erwartung haben, der bisherige Verteilungsschlüssel werde jedenfalls nach Ablauf des Abrechnungsjahres nicht mehr geändert.
  2. Die geänderte Kostenverteilung könne danach frühestens im Rahmen der Abrechnung für das Wirtschaftsjahr 2012 Berücksichtigung finden.
 

Kommentar

Anmerkung
  1. Nach Ansicht des BGH darf ein Wohnungseigentümer grundsätzlich darauf vertrauen, dass die bis zur Änderung eines Umlageschlüssels angefallenen Kosten nach dem bis dahin geltenden (bisherigen) Schlüssel umgelegt (= abgerechnet) werden (BGH v. 9.7.2010, V ZR 202/09, Rn. 11, NJW 2010 S. 2654). In der Regel darf also nicht in bereits abgeschlossene Abrechnungszeiträume rückwirkend eingegriffen werden (BGH v. 9.7.2010, V ZR 202/09, NJW 2010 S. 2654). Ein Umlageschlüssel darf grundsätzlich also nur für die Zukunft geändert werden. Die Abrechnung eines Wirtschaftsjahrs muss somit grundsätzlich die bereits im Wirtschaftsplan genutzten Umlageschlüssel teilen.
  2. Als Ausnahme sind vom BGH bislang 2 Fälle anerkannt: Es gab keinen Wirtschaftsplan oder der Wirtschaftsplan wurde für ungültig erklärt (BGH v. 1.4.2011, V ZR 162/10, NJW 2011 S. 2202) oder es liegen besondere Umstände vor (BGH v. 9.7.2010, V ZR 202/09, NJW 2010 S. 2654) – etwa wenn der bisherige Schlüssel unbrauchbar oder in hohem Maße unpraktikabel ist oder dessen Anwendung zu grob unbilligen Ergebnissen führt.
  3. Bezüglich des Vertrauensschutzes war zuletzt ein Hamburger Fall ähnlich gelagert. Der Wirtschaftsplan nutzte nicht geltende, aber stets angewandte Umlageschlüssel. Mit der Abrechnung wurden die Umlageschlüssel den angewandten und auch im Wirtschaftsplan genutzten, bislang aber nicht geltenden Umlageschlüsseln angepasst (LG Hamburg v. 22.2.2013, 318 S 32/12, ZMR 2013 S. 465, 466).
  4. Im Fall liegt keine dieser Ausnahmen vor. Allerdings war der vereinbarte Umlageschlüssel "ca. Wohn-/Nutzflächen" ggf. wegen Unbestimmtheit nicht anwendbar. Ferner ist nicht ganz klar, wann ein Abrechnungszeitraum"abgeschlossen" ist: Nach Ablauf des Jahres, für den der Wirtschaftsplan beschlossen war (sehr nahe liegend) oder erst mit der Abrechnung über den entsprechenden Zeitraum.

Was ist für den Verwalter wichtig?

  1. Der Verwalter muss dem von ihm geschuldeten Entwurf der Abrechnung über den Wirtschaftsplan die jeweils geltenden gesetzlichen, vereinbarten oder wirksam beschlossenen Umlageschlüssel zugrunde legen.
  2. Die geplante Änderung des geltenden Umlageschlüssels muss als eigener TOP angekündigt werden. Gibt es keinen Vertrauensschutz, kann die Änderung auf die danach genehmigte Abrechnung angewandt werden. Gibt es einen Vertrauensschutz, kann die Änderung jedenfalls auf den Entwurf des Wirtschaftsplans angewendet werden.
 

Link zur Entscheidung

LG Berlin, Urteil v. 13.8.2013, 85 S 177/12 WEG

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