A. Funktion.

 

Rn 1

Die Vertragsstrafe verfolgt zwei Ziele: Sie soll den Schuldner zur ordnungsgemäßen Erbringung der versprochenen Leistung anhalten, und sie soll dem Gläubiger bei einer Zuwiderhandlung eine erleichterte Schadloshaltung ohne einen Schadensnachweis ermöglichen (so schon Mot bei Mugdan II 152; BGHZ 85, 305, 312 f mN; 105, 24, 27; 153, 311, 325 f; NJW 17, 3145 Rz 15). Dabei gelten die §§ 339 ff (Ausn § 343 II) für das unselbstständige (akzessorische) Strafversprechen, das also eine primäre Leistungspflicht voraussetzt und deren Erfüllung sichern soll. Diese Primärpflicht kann auch eine gesetzliche sein (BGH NJW 93, 1786, 1787 [BGH 28.01.1993 - I ZR 294/90] für § 667). Häufigster Anwendungsfall für die Vertragsstrafe sind zu befürchtende Schwierigkeiten beim Schadensnachweis, etwa bei entgangenem Gewinn (vgl aber u. Rn 4). Zur Qualifikation einer ›Spaßbieterklausel‹ in den AGB einer Plattform als Vertragsstrafe Frankfurt NJW-RR 16, 1070 [BGH 21.07.2016 - IX ZB 58/15] Rz 26 ff; zur Gestaltung von Strafversprechen Schramm NJW 08, 1494 [BAG 14.08.2007 - 8 AZR 973/06].

 

Rn 2

Aus der Akzessorietät der unselbstständigen Vertragsstrafe folgt, dass der Anspruch auf die (noch nicht verfallene) Strafe nur gemeinsam mit der Primärpflicht auf einen Dritten übergehen kann (K. Schmidt FS Heinrichs [98], 529, 531). Auch lässt die Unwirksamkeit der Primärpflicht kein wirksames Strafversprechen zu. Fällt dagegen die Primärpflicht etwa durch Kündigung nur für die Zukunft weg, bleibt der Anspruch auf schon verfallene Strafen erhalten. Doch kann die Strafe später nicht mehr verwirkt werden (BGH NJW 62, 1340, 1341 [BGH 18.05.1962 - I ZR 91/60]).

B. Abgrenzungen.

I. Garantie.

 

Rn 3

Die Vertragsstrafe soll ein künftiges Verhalten des Schuldners erzwingen. Dagegen liegt sie nicht vor, wenn eine Strafe für eine in der Vergangenheit vorgefallene Verfehlung versprochen wird (BGHZ 105, 24, 28: Beteiligung an früheren Kartellabsprachen). Hier handelt es sich um ein ›Garantieversprechen oder eine ihm ähnl Erklärung‹ (BGH aaO).

II. Schadenspauschalierung.

 

Rn 4

Bei voraussehbaren Schwierigkeiten des Schadensnachweises wird oft vorsorglich die Zahlung einer bestimmten Summe als Pauschale vereinbart. Hierfür ist kennzeichnend, dass die Parteien sich an einer möglichst realistischen Schätzung des wirklich zu erwartenden Schadens orientieren (vgl § 309 Nr 5). Hier wird also nur der Schadensnachweis erleichtert und nicht unmittelbar – wie bei der Vertragsstrafe – ein zusätzlicher Druck auf den Schuldner beabsichtigt (BGHZ 49, 84, 89).

III. Verwirkungsklauseln.

 

Rn 5

Kraft einer Verwirkungsklausel braucht der Schuldner nicht – wie bei der Vertragsstrafe – eine zusätzliche Leistung zu erbringen. Vielmehr verliert er eigene Rechte. Beim vereinbarten Verlust aller Rechte deutet § 354 das in einen Rücktrittsvorbehalt um. Für eine weniger weitgehende Sanktion gilt das nicht. Doch ist dann der Unterschied zur Vertragsstrafe nicht so gewichtig, dass eine (entspr) Anwendung der §§ 339 ff ausgeschlossen sein müsste (BGH NJW 60, 1568). Anwendbar sind etwa das Verschuldenserfordernis von § 339 (RGZ 95, 199, 203) und die Herabsetzungsbefugnis nach § 343 (BGH NJW 68, 1625 [BGH 22.05.1968 - VIII ZR 69/66]). Dagegen sollen die §§ 339 ff für Vereinbarungen über eine vorzeitige Fälligkeit bei Zahlungsverzug nicht passen (BGH NJW 86, 46, 48 [BGH 19.09.1985 - III ZR 213/83]).

IV. Strafen in Gemeinschaftsverhältnissen.

 

Rn 6

Insb bei Vereinsstrafen und Betriebsbußen ist die Rechtsnatur str. Die Problematik ergibt sich aus den Besonderheiten von Vereins- und Arbeitsrecht und ist dort zu erörtern, doch vgl MüKo/Gottwald Rz 49; Thönissen AcP 219, 855, 869. Ein gesellschaftsvertraglicher Abfindungsausschluss wegen pflichtwidrigen Verhaltens oder eines Verstoßes gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist nicht als Vertragsstrafe einzuordnen ist (BGHZ 201, 65 Rz 15 ff: sittenwidrig; anders noch BGH WM 83, 1207, 1208 Rz 25).

C. Ausschluss von Vertragsstrafen.

 

Rn 7

Die Vertragsstrafe ist für den Versprechenden insofern gefährlich, als er regelmäßig davon ausgeht, es werde nicht zu einem Verfall kommen. Daher gibt es Beschränkungen: Nach § 555 kann sich der Wohnungsvermieter vom Mieter keine Vertragsstrafe versprechen lassen (zur Abgrenzung BGH NJW 10, 859 [BGH 14.10.2009 - VIII ZR 272/08]). § 344 erklärt Strafversprechen für unwirksam, wenn die Primärleistung selbst nicht wirksam versprochen werden kann (vgl § 1297 II und § 2302). Durch AGB kann nach § 309 Nr 6 ein Nichtunternehmer einem Unternehmer eine Vertragsstrafe nicht wirksam versprechen. Das gilt aber trotz § 310 IV 2 nicht für das Verhältnis Arbeitnehmer – Arbeitgeber, BAG ZIP 04, 1277. Keine Anwendung findet § 309 Nr 6 im Bereich der Beförderungserschleichung, da insoweit vorrangige gesetzliche Vorschriften bestehen (Grüneberg/Grüneberg § 309 Rz 35). Dies soll auf die unberechtigte Nutzung von Parkflächen übertragen werden können (Caspary JR 14, 179, 180). Dennoch haftet der Halter nicht ohne Weiteres für eine durch den Fahrer verwirkte Vertragsstrafe wegen eines Verstoßes gegen die Parkbedingungen (BGH NJW 20, 755 [BGH 18.12.2019 - XII ZR 13/19] Rz 28 ff). Eine Vertragsstra...

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