Gesetzestext

 

Ein Grundstück darf nicht in der Weise vertieft werden, dass der Boden des Nachbargrundstücks die erforderliche Stütze verliert, es sei denn, dass für eine genügende anderweitige Befestigung gesorgt ist.

A. Allgemeines.

 

Rn 1

Die Vorschrift enthält keine Anspruchsgrundlage, sondern formuliert lediglich ein Verbot; Anspruchsgrundlagen zur Durchsetzung des Verbots sind § 1004 I (BGHZ 85, 375, 384) bzw § 862 I (BGHZ 147, 45, 51).

 

Rn 2

§ 909 beschränkt die aus § 903 folgende positive Befugnis des Eigentümers, mit seinem Grundstück nach Belieben zu verfahren, indem ihm an sich zustehende Eingriffe zu Gunsten der Festigkeit des Bodens benachbarter Grundstücke untersagt werden, wenn die Vertiefung einen Eingriff in fremdes Eigentum zur Folge hat (BGHZ 103, 39, 42).

 

Rn 3

Durch § 909 wird die natürliche bodenphysikalische Stütze gesichert, die sich benachbarte Grundstücke gegenseitig gewähren; die Vorschrift dient dem Schutz von Grundstückseigentümern vor unzulässigen Vertiefungen, welche Dritte auf einem Nachbargrundstück vornehmen (BGHZ 91, 282, 284).

B. Berechtigter und Verpflichteter.

I. Berechtigter.

 

Rn 4

Die Vorschrift schützt nicht nur den Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks, sondern alle dinglich Berechtigten, denen der Eigentumsanspruch aus § 1004 I in entspr Anwendung zusteht. Dazu gehören der Nießbraucher (§ 1065), der Dienstbarkeitsberechtigte (§§ 1027, 1090 II) und der Erbbauberechtigte (§ 11 I ErbbauRG).

 

Rn 5

Hat der Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks die Vertiefung auf einem Nachbargrundstück vorgenommen, welches ihm ebenfalls gehört, ist das keine unzulässige Vertiefung. Der Schutz der Vorschrift kommt auch nicht demjenigen zugute, der nach der Vertiefung das beeinträchtigte Grundstück von dem Eigentümer erwirbt, der die Vertiefung vorgenommen hat (BGHZ 91, 282, 285).

 

Rn 6

Ebenfalls in den Schutzbereich des § 909 ist der anwartschaftsberechtigte Käufer des beeinträchtigten Grundstücks einbezogen (BGHZ 114, 161). Das folgt aus dem Umstand, dass das Anwartschaftsrecht dem Vollrecht ähnelt. Es ist ein dem Eigentum wesensähnliches Recht, eine selbstständig verkehrsfähige Vorstufe des Grundeigentums, deren Entwicklung zum Vollrecht nur noch von der Eintragung in das Grundbuch abhängt, welche der Veräußerer grds nicht mehr verhindern kann, und das durch Auflassung nach § 925 übertragen wird (BGHZ 114, 161, 164).

 

Rn 7

Neben dem Eigentümer des beeinträchtigten Grundstücks und den daran dinglich Berechtigten (Rn 4) sowie dem Anwartschaftsberechtigten (Rn 6) genießen auch die obligatorisch Berechtigten den Schutz des § 909, wenn ihnen ein dem Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch aus § 1004 I gleichartiger Anspruch zusteht. Das ist bei Mietern und Pächtern der Fall, weil sie gegen Störungen ihres Besitzes mit dem Abwehranspruch aus § 862 I vorgehen können (BGHZ 147, 45, 51).

II. Verpflichteter.

 

Rn 8

Der auf § 909 gestützte Unterlassungs- und Beseitigungsanspruch nach § 1004 I richtet sich in erster Linie gegen denjenigen, der im Zeitpunkt der Störung, also dann, wenn das benachbarte Grundstück die erforderliche Stütze verliert, Eigentümer (RGZ 103, 174, 176) oder Besitzer (RGZ 167, 14, 28) des Grundstücks ist, welches vertieft wurde. Der frühere Eigentümer oder Besitzer, der die Vertiefung vorgenommen hat, kann nicht in Anspruch genommen werden, weil er zur Unterlassung oder Beseitigung der aufgrund der Vertiefung eingetretenen Störung des Nachbargrundstücks nicht mehr in der Lage ist.

 

Rn 9

Daneben richtet sich das Verbot des § 909 an jeden, der das Grundstück vertieft oder an der Vertiefung mitwirkt; das sind zB der Architekt, der bauleitende Ingenieur, der Bauunternehmer und der Statiker, dessen Berechnungen die Grundlage für den Bodenaushub und die dabei zu beachtenden Sicherungsmaßnahmen bilden (BGH NJW 96, 3205, 3206).

C. Tatbestand.

I. Vertiefung.

 

Rn 10

Unter Vertiefung iSd Vorschrift ist jede Einwirkung auf ein Grundstück zu verstehen, die zur Folge hat, dass der Boden des Nachbargrundstücks in der Senkrechten den Halt verliert oder dass dort die Festigkeit der unteren Bodenschichten in ihrem waagerechten Verlauf beeinträchtigt wird (BGHZ 101, 106, 109). Diese Definition ist nicht ganz vollständig; es fehlt der Hinweis darauf, dass die Einwirkung auf das Grundstück auf eine menschliche Handlung zurückzuführen sein muss. Vertiefungen infolge von Naturereignissen wie zB das Abschwemmen von Boden durch starken Regen werden von § 909 nicht erfasst.

 

Rn 11

Welches Ausmaß die Vertiefung hat, spielt keine Rolle; auch ein Bohrloch ist eine Vertiefung (Grüneberg/Herrler Rz 3).

 

Rn 12

Die Vertiefung einer bereits bestehenden Vertiefung gehört ebenfalls hierher (BGH WM 79, 1216).

 

Rn 13

Unerheblich ist, zu welchem Zweck die Vertiefung erfolgt und wie lange sie besteht (BGHZ 57, 370, 374). Auch die nur vorübergehende Vertiefung wie das Ausheben eines Grabens, in welchem Rohrleitungen verlegt werden und der danach wieder zugeschüttet wird, fällt unter § 909 (BGH NJW 78, 1051, 1052).

 

Rn 14

Ein Bodenaushub ist für die Annahme einer Vertiefung iSd Vorschrift nicht erforderlich. Deshalb gehören zB die Absenkung der Grundstücksoberfläch...

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