Notwegerecht: Gartenbesitzer ohne Straßenzugang

Das Notwegerecht steht Grundstücksbesitzern auch dann zu, wenn der Besitzer des Notwegegrundstücks durch den Zugang über sein Grundstück im Besitz gestört wird. Hindernisse im Zugangsbereich muss er entfernen.

Das LG Lübeck hat sich in einer Entscheidung mit den Voraussetzungen und dem Umfang des Notwegerechts befasst. Der Eigentümer des Notwegegrundstücks muss ggf. Störungen und Beeinträchtigungen durch die Nutzung des Notweges hinnehmen und darf keine Hindernisse errichten.

Inselgrundstück ohne eigene Zuwegung

Der Kläger ist Eigentümer einer Gartenparzelle. Es handelt sich um ein Inselgrundstück ohne eigene Zuwegung. Das Grundstück ist nur über Nachbargrundstücke begehbar. Auf dem Grundstück der Beklagten verläuft ein Wirtschaftsweg, über den der Kläger zu seinem Grundstück gelangen könnte. Hiervon hatte er in der Vergangenheit über mehrere Jahre auch Gebrauch gemacht.

Eigentumsbeeinträchtigung durch Notwegerecht

Die Beklagte fühlte sich durch die ständige Nutzung des Wirtschaftswegs durch den Kläger gestört. Nach ihren Behauptungen war der Kläger bei Nutzung des Wirtschaftswegs häufig stark alkoholisiert und sei mehrfach in ihren Gartenzaun gefallen. Das müsse sie sich nicht gefallen lassen. Sie hatte daher über die gesamte Breite des Weges Pflanzsteine errichtet, sodass dem Kläger der Zugang zu seinem Grundstück versperrt war. Auch war die Beklagte der Auffassung, dass nicht nur ihr Grundstück, sondern auch weitere Nachbargrundstücke für die Einräumung des Notwegerechts in Betracht kämen.

Notwegerechtsinhaber hat Anspruch auf Störungsbeseitigung

Der Kläger klagte auf Entfernung der Pflanzsteine und berief sich auf das ihm zustehende Notwegerecht. Das LG gab der Klage statt. Dem Kläger stehe gemäß § 1004 Abs. 1 BGB ein Anspruch auf Entfernung der Pflanzsteine zu. Gemäß § 1004 Abs. 1 BGB könne der Eigentümer, dessen Eigentum durch eine Erschwerung der Ausübung des Notwegerechts beeinträchtigt wird, vom Störer die Beseitigung der Beeinträchtigung verlangen.

Notwegerecht vom Gesetzgeber nicht eingeschränkt

Als Eigentümer des vom öffentlichen Verkehrsraum nicht zugänglichen Inselgrundstücks steht dem Kläger nach der Bewertung des LG ein Notwegerecht gemäß § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB zu. Nach dieser Vorschrift kann der Eigentümer eines Grundstücks von dem Eigentümer eines Nachbargrundstücks die Nutzung dessen Grundstücks verlangen, wenn seinem Grundstück die zur ordnungsgemäßen Benutzung notwendige Verbindung zu einem öffentlichen Weg fehlt. Dieses Notwegerecht besteht nach Auffassung des LG unbedingt. Der Gesetzgeber habe keine Beschränkungen für den Fall vorgesehen, dass das Notwegerecht den Verpflichteten in der Nutzung seines Eigentums beeinträchtigt.

Auswahl des Notwegegrundstücks nach Billigkeitserwägungen

Kommen mehrere Grundstücke für das Notwegerecht infrage, so sind nach Auffassung des Gerichts die Gesichtspunkte der Effektivität und einer möglichst geringen Belastung sowie die historisch gewachsenen Gegebenheiten maßgebliche Kriterien für die Auswahl des mit dem Notwegerecht belasteten Grundstücks. Nach diesen Kriterien sei z. B. ein brachliegendes Grundstück eher geeignet für ein Notwegerecht als ein bewohntes Grundstück, aber auch der kürzeste Weg spiele eine wichtige Rolle.


Grundstück der Beklagten für Notwegerecht am besten geeignet

Im konkreten Fall kamen nach Meinung des Gerichts zwar auch andere Grundstücke für das Notwegerecht in Betracht, für das Grundstück der Beklagten ergab allerdings die geringste Belastung im Vergleich zu den übrigen Nachbarn. Da anders als bei den weiteren Grundstücken am Nordrand des Grundstücks der Beklagten ein sich für die Nutzung als Notweg anbietender Wirtschaftsweg verlief, der in der Vergangenheit ja hierzu auch genutzt worden sei, sei das Grundstück der Beklagten für das Notwegerecht am besten geeignet.

Anspruch auf Unterlassung der Beeinträchtigung des Notwegerechts

Dieses Notwegerecht werde nach der Rechtsprechung des BGH vom Schutz des Eigentümers vor Eigentumsstörungen nach § 1004 BGB umfasst (BGH, Urteil v. 22.4.2016, V ZR 189/15). Durch die von der Beklagten aufgestellten Pflanzsteine werde der Kläger in der Nutzung des Notwegerechts stark beeinträchtigt. Er könne nicht darauf verwiesen werden, über die aufgestellten Pflanzsteine zu klettern. Außerdem sei das Notwegerecht für den Zugang zu einem Gartengrundstück so auszulegen, dass ein Begehen beispielsweise auch mit einer Schubkarre zum Zwecke der Gartenbewirtschaftung möglich sein müsse. Insoweit verstießen die aufgestellten Pflanzsteine auch gegen das Schikaneverbot des § 226 BGB.

Die Pflanzsteine müssen weg

Mit diesen Argumenten gestand das LG dem Kläger den geltend gemachten Anspruch auf Einräumung des Notwegerechts durch Entfernen der Pflanzensteine zu.

(LG Lübeck, Urteil v. 18.8.2023, 3 O 309/22)

Hintergrund:

Auseinandersetzungen zwischen Nachbarn über ein Notwegerecht sind nicht selten. Der BGH legt die Voraussetzungen für die Einräumung eines Notwegerechts als Eingriff in die Eigentumsrechte des Verpflichteten eher eng aus. Allerdings setzt nach der Rechtsprechung des BGH die ordnungsgemäße Nutzung eines Wohngrundstücks regelmäßig die Erreichbarkeit mit Kraftfahrzeugen voraus (BGH, Urteil v. 11.12.2020, V ZR 268/19). Diese Erreichbarkeit ist nach Auffassung des BGH gegeben, wenn der Eigentümer sein Fahrzeug vor dem Grundstück auf einer öffentlichen Straße abstellen kann. Ein berechtigtes Interesse, ein Kraftfahrzeug über eine Zufahrt über das Nachbargrundstück auf dem eigenen Wohngrundstück abstellen zu können, erkennt der BGH in diesem Fall nicht an. Der Eigentümer, über dessen Grundstück der Notweg führt, ist durch eine angemessene Geldrente zu entschädigen, § 917 Abs. 2 BGB.


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