Gesetzestext

 

Wer ohne rechtlichen Grund eine Verbindlichkeit eingeht, kann die Erfüllung auch dann verweigern, wenn der Anspruch auf Befreiung von der Verbindlichkeit verjährt ist.

A. Normzweck und Anwendungsbereich.

 

Rn 1

§ 821 schützt denjenigen, der rechtsgrundlos eine abstrakte Verbindlichkeit iSd § 812 II eingegangen ist und sich nach dem Eintritt der Verjährung seines auf Befreiung von dieser Verbindlichkeit gerichteten Kondiktionsanspruchs (hierzu § 812 Rn 52 f) nun der Inanspruchnahme des Gläubigers (Bereicherungsschuldners) aus dieser Verbindlichkeit ggüsieht. Dann soll der Schuldner (Bereicherungsgläubiger) die Erfüllung trotz der Verjährung seines Bereicherungsanspruchs durch die Geltendmachung der Einrede aus § 821 verweigern dürfen. Praktische Relevanz erlangt diese Einredemöglichkeit, wenn für die abstrakte Verpflichtung – insb kraft Vereinbarung (§ 202) – eine längere Verjährungsfrist gilt als die für den Kondiktionsanspruch maßgebliche Regelfrist von drei, höchstens zehn Jahren (§§ 195, 199 IV), des Weiteren, wenn die Verjährung des Anspruch aus der abstrakten Verbindlichkeit gehemmt oder unterbrochen war. Und schließlich kann der Bereicherungsgläubiger mit Hilfe des § 821 verhindern, Sicherheiten (Pfandrechte, Hypotheken; wohl auch Grundschulden – Köln OLGZ 69, 419) bedienen zu müssen, auf welche der Gläubiger gem § 216 I trotz der Verjährung seines Anspruchs aus der abstrakten Verpflichtung zurückgreifen kann (zum Ganzen Staud/Lorenz § 821 Rz 7).

 

Rn 2

Der BGH entnimmt § 821 in mittlerweile gefestigter Rspr über den in ihrem Wortlaut angelegten Regelungsgehalt der Vorschrift hinaus den allg Bereicherungseinwand, dass der Bereicherungsgläubiger unabhängig vom Verjährungseintritt jede Leistung verweigern darf, die er nach bereicherungsrechtlichen Grundsätzen sogleich wieder zurückverlangen könnte (BGH NJW 95, 1484 [BGH 15.12.1994 - IX ZR 252/93]; 91, 2140 f [BGH 16.04.1991 - XI ZR 68/90]). Das betrifft va die Fälle, in denen es um die Abwehr von Ansprüchen aus rechtsgrundlos hingegebenen abstrakten Schuldversprechen im Wechsel- und Scheckverkehr geht (iE Staud/Lorenz § 821 Rz 4 ff mwN). Ein praktisches Bedürfnis für dieses extensive Normverständnis besteht indes nicht, weil sich ein entspr Leistungsverweigerungsrecht in aller Regel bereits aus § 242 nach dem Grundsatz dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est ergibt (abl deshalb Wilhelm JZ 95, 573, 574 [BGH 11.11.1994 - V ZR 116/93]; Staud/Lorenz § 821 Rz 3 f mwN; AnwK/v Sachsen Gessaphe § 815 Rz 6; differenzierend MüKo/Lieb, 4. Aufl, § 821 Rz 3 f mwN). Gleichwohl wird man der Rspr in der Praxis ohne erkennbar negative Auswirkungen auf materiell-rechtlich konsistente Lösungen folgen können (ebenso BRHP/Wendehorst § 821 Rz 3).

B. Einrede.

 

Rn 3

§ 821 begründet eine echte dauerhafte Einrede, die nicht vAw berücksichtigt wird, sondern vom Schuldner geltend gemacht werden muss (allgM BGH WM 92, 1522, 1523 [BGH 07.07.1992 - XI ZR 239/91]; Staud/Lorenz § 821 Rz 8; Erman/Westermann § 821 Rz 2; MüKo/Schwab § 821 Rz 9). Sie kann gem § 404 dem Zessionar, iÜ auch sonstigen Rechtsnachfolgern des Gläubigers (Erman/Buck-Heeb § 821 Rz 3), insb dem Sequester und dem Insolvenzverwalter (BGH NJW 95, 1484 [BGH 15.12.1994 - IX ZR 252/93]) entgegengehalten werden. Auf Seiten des Bereicherungsgläubigers kommt § 821 all denjenigen zugute, die sich nach allg Vorschriften auf dessen Einreden im Verhältnis zum Gläubiger berufen dürfen (Erman/Buck-Heeb § 821 Rz 3; MüKo/Schwab § 821 Rz 7), bspw also dem Schuldübernehmer (§ 417), dem Bürgen (§ 768), dem Hypothekenschuldner (§ 1137) und dem Drittverpfänder (§ 1211). Die Einrede besteht nicht, soweit dem Bereicherungsgläubiger der Entreicherungseinwand aus § 818 III zusteht (AnwK/Linke § 821 Rz 6; Erman/Buck-Heeb § 821 Rz 3).

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