Gesetzestext

 

Die §§ 491 bis 512 gelten auch für natürliche Personen, die sich ein Darlehen, einen Zahlungsaufschub oder eine sonstige Finanzierungshilfe für die Aufnahme einer gewerblichen oder selbstständigen beruflichen Tätigkeit gewähren lassen oder zu diesem Zweck einen Ratenlieferungsvertrag schließen, es sei denn, der Nettodarlehensbetrag oder Barzahlungspreis übersteigt 75.000 Euro oder die Verordnung (EU) 2020/1503 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. Oktober 2020 über Europäische Schwarmfinanzierungsdienstleister für Unternehmen und zur Änderung der Verordnung (EU) 2017/1129 und der Richtlinie (EU) 2019/1937 (ABl. L 347 vom 20.10.2020, S. 1) ist anwendbar.

A. Einführung; pers Anwendungsbereich.

 

Rn 1

Die nicht durch die VerbrKrRL 2008 veranlasste Vorschrift erweitert den persönlichen Anwendungsbereich des Verbraucherdarlehensrechts auf Existenzgründer (Grädler/Marquart ZGS 08, 50; Schünemann/Blomeyer JZ 10, 1156), die sich von einem Unternehmer ein Darlehen (§ 491 I), einen Zahlungsaufschub o eine sonstige Finanzierungshilfe (§ 506 I) gewähren lassen o mit diesem einen Ratenlieferungsvertrag abschließen (§ 510) o als Mithaftende beitreten (Rost MDR 09, 973), indem sie einem Verbraucher (§ 13) gleichstellt werden (BGHZ 162, 253, 258; NJW 08, 435). Eine natürliche Person kann sich auf die §§ 491–512, ferner auf §§ 358 ff (Staud/Kessal-Wulf § 512 Rz 1; MüKo/Weber Rz 3), nicht aber auf §§ 514 f (§ 514 Rn 2) berufen, auch wenn sie das Rechtsgeschäft für ihre gewerbliche o selbstständige berufliche Tätigkeit abschließt, sofern es um die Aufnahme, nicht um die Ausübung dieser Tätigkeit geht. Ob und inwieweit die zu § 13 diskutierten Erweiterungen des Verbraucherbegriffs auf Gesellschaften (§ 13 Rn 8) auf § 513 übertragbar sind, ist umstritten (zu Recht für parallele Behandlung LG Stuttgart WM 18, 2042, 2043; MüKo/Weber Rz 3; ähnlich Bülow/Artz Rz 6; insgesamt abl BeckOGK/Haertlein/Schultheiß Rz 6; vgl auch BGH NJW-RR 07, 1673, 1674 f [BGH 24.07.2007 - XI ZR 208/06] zum VerbKrG). Im Übrigen werden – abgesehen von §§ 655a ff (s § 665e Rn 3) – Existenzgründer nicht als Verbraucher behandelt (Kessal-Wulf FS Tolksdorf [14], 67, 71).

 

Rn 2

Die Beweislast für die unter Rn 1 genannten Voraussetzungen trägt der Existenzgründer (BGH NJW 08, 435 [BGH 15.11.2007 - III ZR 295/06]; 05, 1273); hingegen muss der Unternehmer ggf beweisen, dass der Kredit 75.000 EUR übersteigt (Bülow/Artz Rz 12; MüKo/Weber Rz 11) oder die VO (EU) 2020/1503 anwendbar ist.

B. Existenzgründungsphase.

 

Rn 3

Die Gründungsphase ist erst mit der tatsächlichen Aufnahme der gewerblichen o selbstständigen beruflichen Tätigkeit abgeschlossen (zB Geschäftseröffnung, Abschluss des ersten Kundenvertrags). Vorbereitende Handlungen (Einstellung von Arbeitnehmern, Anmietung von Räumlichkeiten, Kauf von Einrichtungsgegenständen) genügen nicht. Ausreichend ist jedoch die nach außen hin signalisierte Bereitschaft, am Markt aufzutreten, etwa durch Werbung o Kundenbesuche (Staud/Kessal-Wulf § 512 Rz 7). Umsätze müssen noch nicht erzielt worden sein. Auf die Erteilung einer öffentlich-rechtlichen Konzession o die Eintragung ins Handelsregister kommt es nicht an (Ddorf OLGR 06, 347). Maßgeblich für die Beurteilung, die anhand der objektiven Umstände zu erfolgen hat (BGHZ 162, 253, 257; NJW 08, 435, Rz 6), ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Darlehens- o Ratenlieferungsvertrags (Ddorf OLGR 97, 185), beim Franchising (Giesler ZIP 02, 420) also die Begründung der Bezugsverpflichtung (BGHZ 128, 156, 162).

 

Rn 4

Auch zusätzliche u wiederholte Existenzgründungen fallen unter § 513, wenn die neue Tätigkeit von einem bereits betriebenen Unternehmen klar abgegrenzt ist. Ein Kreditnehmer kann die verbraucherschützenden Normen dann mehrfach für sich in Anspruch nehmen, solange der Kredit o Kauf nicht für eine konkret schon ausgeübte gewerbliche o selbstständige berufliche Tätigkeit bestimmt ist (BGHZ 128, 156, 163; NJW 02, 2030; NJW-RR 00, 719 u 1221; Karls WM 98, 2156; Schlesw OLGR 98, 41; Dresd OLGR 98, 425; Celle NJW-RR 96, 119 [OLG Celle 04.01.1995 - 2 U 262/93]; Köln NJW-RR 95, 816; Hamm NJW 92, 3179 [OLG Hamm 28.07.1992 - 19 U 193/92]; aA Nürnbg WM 95, 481 [OLG Nürnberg 17.01.1995 - 11 U 2737/94]; Köln NJW-RR 95, 816; Staud/Kessal-Wulf § 512 Rz 9; Bülow/Artz Rz 7).

 

Rn 5

Keine neue Existenz ist anzunehmen, wenn lediglich die Umwandlung in eine andere Rechtsform erfolgt, etwa die Überführung eines Einzelhandelsgeschäfts in eine GmbH. Auch die Erweiterung einer schon vorhandenen Existenz löst keinen Verbraucherschutz aus, selbst wenn die bisherige Tätigkeit nur einen geringen Umfang hatte (BGH NJW-RR 00, 719 [BGH 03.11.1999 - VIII ZR 35/99] u 1221; Kessal-Wulf FS Tolksdorf [14], 67, 75).

C. Betragsmäßige Obergrenze.

 

Rn 6

Nettodarlehensbetrag o Barzahlungspreis ohne Umsatzsteuer (Bülow/Artz Rz 17; aA Staud/Kessal-Wulf § 512 Rz 3) dürfen die – auch für Ratenlieferungsverträge zu beachtende – Höchstbetragsgrenze von 75 000 EUR nicht übersteigen. Bei nur teilweiser Kreditierung des Barzahlungspreises kommt es für die Obergrenze auf den konkreten Kreditbedarf an, nicht den Barza...

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