Gesetzestext

 

(1) 1Die Rechte des Käufers wegen eines Mangels sind ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt. 2Ist dem Käufer ein Mangel infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt geblieben, kann der Käufer Rechte wegen dieses Mangels nur geltend machen, wenn der Verkäufer den Mangel arglistig verschwiegen oder eine Garantie für die Beschaffenheit der Sache übernommen hat.

(2) Ein im Grundbuch eingetragenes Recht hat der Verkäufer zu beseitigen, auch wenn es der Käufer kennt.

A. Grundsätzliches.

I. Zweck.

 

Rn 1

Die Sanktion des Ausschlusses aller Mängelrechte soll den Käufer dazu zwingen, Mängel, die ihm bekannt oder nur infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sind, dem Verkäufer mitzuteilen. Rationes Legis sind das allg Interesse, Streit über Mängel zu vermeiden, die der Käufer hätte regeln können (BRHP/Faust Rz 2; zur aF Köhler JZ 89, 761, 762), und die Sanktion eines venire contra factum proprium des Käufers (MüKo/Westermann Rz 1; Staud/Matusche-Beckmann Rz 1 mwN).

II. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

Die Norm gilt für Sach- und über § 453 Rechtskauf, sowie für Sach- und Rechtsmängel. Sie regelt auch die Ansprüche auf Schadensersatz gem § 437 Nr 3 und aus der Verletzung von Nebenpflichten, die sich auf die Beschaffenheit der Kaufsache auswirken (s § 438 Rn 3). Sie gilt nicht für Mängel, zu deren Beseitigung sich der Verkäufer ausdrücklich verpflichtete (Erman/Grunewald Rz 9). Für ab dem 1.1.22 geschlossene Verbrauchsgüterkaufverträge findet die Norm keine Anwendung mehr (BTDrs 19/27424, 28, 29), § 475 III 2. Anderenfalls würden die erhöhten Anforderungen an negative Beschaffenheitsvereinbarungen (§ 476 I 2) leerlaufen.

III. Abschließender Charakter.

 

Rn 3

§ 442 regelt die Folgen der – möglichen – Kenntnis von Mängeln abschließend, so dass § 254 und das allg Leistungsstörungsrecht nicht zur Anwendung gelangen (Grüneberg/Weidenkaff Rz 5; differenzierend Staud/Matusche-Beckmann Rz 48 mwN). Fahrlässige Unkenntnis des Käufers kann daher nicht gem § 254 berücksichtigt werden (zur aF BGH NJW 78, 2240 [BGH 28.06.1978 - VIII ZR 112/77]; abw zur nF München v 16.7.14 – 20 U 4218/13, juris Rz 77 ff: Lösung über § 254 ohne Verweis auf § 442; aA MüKo/Westermann Rz 15 mwN).

IV. WKRL.

 

Rn 4

IGgs zur VerbrGKRL sieht die WKRL keinen Haftungsausschluss mehr vor, wenn der Verbraucher bei Vertragsschluss Kenntnis von dem Mangel hat. Vielmehr bestimmt Art 7 V, dass in solchen Fällen nur dann kein Mangel gegeben ist, soweit eine entspr Vereinbarung zwischen den Parteien besteht (s ›negative Beschaffenheitsvereinbarung‹ § 476 Rn 810). Abgesehen davon darf sich die Kenntnis des Verbrauchers von der negativen Abweichung der Kaufsache nicht nachteilig auf seine Rechtslage auswirken. Entspr wurde die Anwendbarkeit des § 442 für den Verbrauchsgüterkauf ausgeschlossen (§ 475 III 2) u die Bezugnahme in § 476 I 1 gestrichen (s BTDrs 19/27424, 28).

V. Abdingbarkeit.

 

Rn 5

§ 442 ist durch AGB nicht abdingbar (Schlesw NJOZ 10, 606, 608 f), ansonsten dispositiv.

B. Kenntnis des Käufers vom Mangel (Abs 1 S 1).

I. Begriff.

 

Rn 6

›Kenntnis‹ meint positives Wissen des Käufers oder seines Vertreters (§ 166 I) der Tatsachen, die den Mangel begründen, und der aus ihnen – im Kern – resultierenden rechtlichen Folgen (Schlesw NJOZ 10, 606, 607). Bsp: Köln BeckRS 14, 00523, einschließlich des Umfangs des Mangels (Kobl VersR 17, 828, 830). Unkenntnis oder nur bloßer Verdacht eines dieser Faktoren schließt Kenntnis aus und führt allenfalls zur Anwendbarkeit von I 2 (BRHP/Faust Rz 20; zur aF BGH NJW 91, 2700 [BGH 17.05.1991 - V ZR 92/90]). Aus I 2 folgt im Gegenschluss, dass arglistiges Verschweigen des Mangels dem Verkäufer nicht schadet (BRHP/Faust Rz 15; zur aF BGH NJW 78, 2240 [BGH 28.06.1978 - VIII ZR 112/77]).

II. Zeitpunkt.

 

Rn 7

Mit ›Vertragsschluss‹ ist das Zustandekommen des Vertrags gemeint, die Leistung der letzten Unterschrift (BRHP/Faust Rz 7). Spätere Kenntnis zB bei Übergabe ist unschädlich (arg: § 464 aF ist aufgehoben: BRHP/Faust Rz 6; ebenso MüKo/Westermann Rz 6; aA Celle ZGS 04, 476 f), anders gem § 242 bei deutlichem Hinweis auf Risiko eines Mangels durch Verkäufer und Abnahme in dessen Kenntnis (Köln BeckRS 18, 5256 Rz 21). Sonderfälle: (1) bei formnichtigem Grundstückskauf entscheidet Zeitpunkt der Beurkundung, nicht der zur Heilung führenden Eintragung des Käufers (BGH NJW 11, 2953 [BGH 27.05.2011 - V ZR 122/10] Rz 11–15; Erman/Grunewald Rz 8; abw: nur wenn Käufer Formnichtigkeit nicht kennt MüKo/Westermann Rz 6). (2) Bei schwebend unwirksamem Vertrag ist maßgeblich, ob von Seiten des Käufers noch ein Akt aussteht (BRHP/Faust Rz 9; MüKo/Westermann Rz 6; aA Grüneberg/Weidenkaff Rz 8; Staud/Matusche-Beckmann Rz 18): Es entscheidet daher der Zeitpunkt der Genehmigung der Erklärungen eines vollmachtlosen Vertreters durch den Käufer (BGH NJW 22, 2843 [BGH 06.05.2022 - V ZR 282/20] Rz 13 f) oder des von einer Handlung des Käufers abhängigen Eintritts der aufschiebenden Bedingung; (3) bei Angebot des Käufers der Zeitpunkt von dessen Abgabe, bei späterer Kenntniserlangung aber der Zeitpunkt, bis zu dem der Käufer gem § 130 I 2 widerrufen kann (BGHZ 193, 326 Rz 19–26 gegen Vorinstanz Hamm BeckRS 11, 19687; krit Hahn ZfIR 12, 738, 739).

C. Grob fahrlässige Unkenntnis des Mangels (Abs 1 S 2).

I. Begriff.

 

Rn 8

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