Gesetzestext

 

(1) 1Haben mehrere eine unteilbare Leistung zu fordern, so kann, sofern sie nicht Gesamtgläubiger sind, der Schuldner nur an alle gemeinschaftlich leisten und jeder Gläubiger nur die Leistung an alle fordern. 2Jeder Gläubiger kann verlangen, dass der Schuldner die geschuldete Sache für alle Gläubiger hinterlegt oder, wenn sie sich nicht zur Hinterlegung eignet, an einen gerichtlich zu bestellenden Verwahrer abliefert.

(2) Im Übrigen wirkt eine Tatsache, die nur in der Person eines der Gläubiger eintritt, nicht für und gegen die übrigen Gläubiger.

A. Bedeutung.

 

Rn 1

Die Vorschrift regelt die Mitgläubigerschaft, die dadurch gekennzeichnet ist, dass jeder Gläubiger Leistung an alle gemeinschaftlich verlangen kann. Anwendbar ist § 432 bei aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unteilbaren Leistungen, sofern nicht ausnw (BGH NJW 96, 1407, 1409 [BGH 12.10.1995 - I ZR 172/93]; NZM 21, 819 [BGH 10.03.2021 - VIII ZR 200/18]) Gesamtgläubigerschaft iSd § 428 vorliegt.

B. Formen der Mitgläubigerschaft.

I. Bruchteilsgemeinschaft.

 

Rn 2

Bei Bruchteilsgemeinschaften (§§ 741 ff) erstreckt sich die anteilige Berechtigung auch auf die der Gemeinschaft erwachsenen Forderungen. Die Zweckbindung begründet rechtliche Unteilbarkeit selbst dann, wenn bei natürlicher Betrachtung Teilung möglich ist (BGH NJW 58, 1723; 92, 182, 183 [BGH 02.10.1991 - V ZB 9/91]; 93, 727, 728 [BGH 11.12.1992 - V ZR 118/91]; 01, 231, 233 [BGH 19.10.2000 - IX ZR 255/99]; anders Hadding FS E. Wolf [85], 107, 120 ff). Im Außenverhältnis zum Schuldner gilt § 432 (BGHZ 106, 222, 226; 121, 22, 25), ausgeschlossen ist die Einzelbefugnis allerdings bei sog Und-Konten (Hambg NZG 00, 784, 785).

 

Rn 3

Bsp: Gewährleistung bei mehreren Auftraggebern (BGHZ 94, 117, 119) o Käufern (Kobl MDR 10, 281), Grundstücksübertragungsanspruch von Ehegatten (BayObLGZ 92, 131, 136), Anspruch mehrerer Grundstückseigentümer auf Erlös aus Verkauf (BGH NJW 98, 1482, 1483) oder Teilungsversteigerung (BGHZ 175, 297, 302 ff), Rückgewähransprüche mehrerer Darlehensnehmer bei Widerruf (BGH NJW 18, 223), Rückübertragungsanspruch bei einer Grundschuld (BGH NJW 86, 2108, 2110 f [BGH 25.03.1986 - IX ZR 104/85]; Bambg NJW-RR 97, 81 [OLG Bamberg 18.03.1996 - 7 U 12/95]), Forderung mehrerer Makler (Oldbg NJW-RR 99, 579), Mietzinsanspruch mehrerer Miteigentümer (BGH NJW 58, 1723; NJW-RR 01, 369, 370) bzw mehrerer Mieter gg Untermieter (BGH NJW 69, 839), Anspruch auf Rückzahlung zu viel gezahlter Miete u Auskunftserteilung bei Mietermehrheit (BGHZ 225, 352), Entspr gilt für überzahlte Entgelte der Kunden eines Energieversorgungsunternehmens, auch wenn sie für gemeinschaftlich begründete Kaufpreisforderungen aus dem Fernwärmelieferungsvertrag gem §§ 421, 427 als Gesamtschuldner haften (BGH NZM 21, 819 [BGH 10.03.2021 - VIII ZR 200/18]), Anspruch auf Räumung u Herausgabe der Mietsache, wenn auf Vermieterseite Bruchteilsgemeinschaft besteht (Ddorf NJW-RR 98, 11 [OLG Düsseldorf 10.07.1996 - 9 U 10/96]), auch Anspruch auf Duldung von Modernisierungsmaßnahmen (BGH NJW 12, 63 [BGH 28.09.2011 - VIII ZR 242/10]), aus gemeinschaftlich abgeschlossenem Pachtvertrag (BGH NJOZ 20, 229) auf Errichtung einer Stiftung ggü einem Treuhänder bei mehreren Stiftern (BGH NZG 15, 364 [BGH 22.01.2015 - III ZR 434/13]); Schadensersatzanspruch von gemeinschaftlich veranlagten Ehegatten gg ihren Steuerberater (Zweibr BeckRS 20, 22273), Schadensersatz bei Verletzung gemeinschaftlicher Rechte (BGH NJW 84, 795, 796; Kobl NJW-RR 92, 706, 707), nicht aber Ersatzansprüche von Schutzrechtsinhaber u Lizenznehmer (BGHZ 176, 311 ff).

 

Rn 4

Die Wohnungseigentümergemeinschaft ist nach § 9a I WEG (s schon BGHZ 163, 154 ff) als solche rechtsfähig u daher selbst Forderungsinhaberin, so dass § 432 schon deshalb nicht einschlägig ist.

II. Gesamthandsgemeinschaft.

 

Rn 5

Mitgläubiger sind auch die Mitglieder einer Erbengemeinschaft u ehelichen Gütergemeinschaft hinsichtlich der zum Gesamthandsvermögen gehörigen Forderungen. § 432 ist anwendbar, soweit nicht Sonderregeln (§ 2039, § 1422) greifen. Die Vorschrift greift nicht bei rechtsfähigen Gesamthandsgesellschaften einschl der GbR (BGHZ 146, 341, 343 ff), da hier nicht die Gesellschafter, sondern die Gesellschaft selbst Gläubigerin ist.

III. Einfache gemeinschaftliche Berechtigung.

 

Rn 6

Eine einfache Forderungsgemeinschaft liegt vor, wenn Eigentümer u Besitzer durch unerlaubte Handlung geschädigt werden; auch bei Verletzung eines Anlageberatungsvertrages ggü mehreren Geschädigten (BGH NZG 15, 1315, 1317 [BGH 20.08.2015 - III ZR 57/14]). IÜ handelt es sich bei den im Schrifttum genannten Fällen regelmäßig um eine Bruchteilsgemeinschaft oder GbR (so wohl auch im Schulfall der gemeinschaftlichen Bestellung eines Taxis).

C. Rechtsfolgen.

I. Leistung an alle Gläubiger.

 

Rn 7

Der einzelne Gläubiger kann Leistung nur an alle verlangen. Der Schuldner kann nicht mit einer Forderung, die er nur gg einen Mitgläubiger hat, aufrechnen (BGH NJW 69, 839 [BGH 29.01.1969 - VIII ZR 20/67]; 96, 1407, 1409 [BGH 12.10.1995 - I ZR 172/93]). Die Leistung an nur einen Mitgläubiger ist keine Erfüllung, dies gilt auch für Miterben (Kobl NJW-RR 05, 1678 [OLG Koblenz 11.07.2005 - 12 U 647/04]); anders, wenn ein Mitgläubige...

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