Gesetzestext

 

1Geld, Wertpapiere und sonstige Urkunden sowie Kostbarkeiten kann der Schuldner bei einer dazu bestimmten öffentlichen Stelle für den Gläubiger hinterlegen, wenn der Gläubiger im Verzug der Annahme ist. 2Das Gleiche gilt, wenn der Schuldner aus einem anderen in der Person des Gläubigers liegenden Grund oder infolge einer nicht auf Fahrlässigkeit beruhenden Ungewissheit über die Person des Gläubigers seine Verbindlichkeit nicht oder nicht mit Sicherheit erfüllen kann.

A. Grundlagen.

I. Überblick und Zweck.

 

Rn 1

Die Hinterlegung unter Rücknahmeverzicht (§§ 372, 378) ist ein Erfüllungssurrogat. Sie soll dem Schuldner ermöglichen, sich der Leistung durch Hinterlegung bei der hierfür zuständigen öffentlichen Stelle zu entledigen, wenn die Schuld aus vom Gläubiger zu verantwortenden Gründen oder wegen einer vom Schuldner unverschuldeten Unsicherheit über die Person des Gläubigers nicht oder nicht sicher erfüllt werden kann. Insb soll der Schuldner nicht aus von ihm nicht zu verantwortenden Gründen in die Lage geraten, zweimal leisten zu müssen (BGHZ 145, 352). Die §§ 372 ff regeln die materiell-rechtliche Erfüllungswirkung der Hinterlegung, in verfahrensrechtlicher Hinsicht sind die Hinterlegungsgesetze der Länder maßgebend. § 372 regelt die Voraussetzungen, die zur Hinterlegung berechtigen, ohne den Schuldner hierzu zu verpflichten (BGHZ 145, 352; NZI 10, 646). Die Vorschriften der §§ 372 ff sind materiell-rechtlicher Natur (BGH NJW 93, 55). Das Gebot von Treu und Glauben ist auf sie anwendbar und kann den Gläubiger ausnahmsweise verpflichten, eine Teilhinterlegung als Surrogat einer Teilerfüllung anzunehmen (BGH BB 62, 3).

 

Rn 2

Zur Hinterlegung befugt ist der Schuldner. Ein Dritter kann dann hinterlegen, wenn er auch zur Erfüllung berechtigt ist, etwa aufgrund des § 268 I iVm II (RGZ 120, 205, 211).

II. Sonderfälle: Hinterlegung ohne Wirkung als Erfüllungssurrogat.

1. Hinterlegung als Erfüllung.

 

Rn 3

Nach dem Inhalt der Forderung kann der Schuldner zur Hinterlegung als Erfüllung verpflichtet sein. Dies kann vereinbart werden und ist gesetzlich ausnahmsweise in den § 432 I 2, § 660 II Hs 2, § 1077 I 2 Hs 2, § 1281 2 Hs 2, § 2039 2, § 2114 2 vorgesehen. Der Anspruch ist in diesen Fällen auf Hinterlegung gerichtet; der Schuldner ist zur Hinterlegung verpflichtet. Es handelt sich allerdings um einen verhaltenen Anspruch: Die Pflicht zur Hinterlegung besteht nur, wenn der Gläubiger sie verlangt (RGZ 52, 141, 144). Für die Erfüllung gilt alsdann § 362. Die §§ 372 ff können entspr angewandt werden (Celle 10.7.03, 5 U 45/03). Die Hinterlegung muss ihrem Erfüllungszweck nach idR unter Rücknahmeverzicht erfolgen.

2. Hinterlegung als Sicherheit.

 

Rn 4

Diese unterliegt den §§ 232 ff. Verfahrensrechtlich gelten die Hinterlegungsgesetze der Länder. Die §§ 372386 finden auf die Hinterlegung als Sicherheit weder unmittelbar noch entspr Anwendung (BGH NJW-RR 05, 712 [BGH 10.12.2004 - V ZR 340/03]). Die Umwandlung in eine Hinterlegung zur Erfüllung ist auf Antrag des Schuldners möglich. Für die Bestellung einer prozessualen Sicherheit sind die §§ 108 ff ZPO maßgebend.

3. Hinterlegung an anderer Stelle.

a) Hinterlegung beim Notar.

 

Rn 5

Auch die Übergabe von Geld an einen Notar (§§ 54a ff BeurkG) oder die Überweisung eines Geldbetrages auf ein Notaranderkonto (›Hinterlegung beim Notar‹) zwecks Aufbewahrung oder Ablieferung an Dritte (§ 23 BNotO) ist keine Hinterlegung iSd §§ 372 ff und entfaltet nicht die in §§ 378, 379 genannten Wirkungen, wirkt also nicht als Erfüllungssurrogat (BGHZ 87, 156; NJW 64, 836). Die Parteien können aber ausnahmsweise vereinbaren, dass schon diese Zahlung die vertraglich geschuldete Erfüllung bewirkt und die Wirkungen des § 362 herbeiführt (BGHZ 87, 156). Die Vereinbarung kann auch besagen, dass nicht schon die Zahlung auf das Notaranderkonto, aber auch nicht erst die Vornahme der Auszahlung an den Gläubiger, sondern der dazwischenliegende Zeitpunkt des Eintritts der Auszahlungsreife zur Erfüllung führt (BGH NJW 94, 1403). Eine solche Vereinbarung kann sich auch aus der Auslegung des maßgebenden Vertrags unter Berücksichtigung der Interessenlage ergeben (BGH NJW 94, 1403; Hambg NJW 96, 1289; Stuttg ZIP 98, 1834). Dies kann jedoch nicht ohne Weiteres unterstellt werden, auch dann nicht, wenn die Hinterlegung im Interesse beider Parteien erfolgt ist (dazu offenlassend BGH NJW 94, 1403; krit Reithmann NJW 96, 3327). Der öffentlich-rechtliche Anspruch des Berechtigten gegen den Notar auf Auszahlung des hinterlegten Betrags (BGH NJW 98, 2134) ist hierfür ebenfalls keine ausreichende Grundlage. Erfolgt die Hinterlegung allerdings im überwiegenden Interesse des Gläubigers, so kann eine stillschweigende Vereinbarung über den Erfüllungseintritt bei Auszahlungsreife vorliegen (BGH NJW 94, 1403; Stuttg ZIP 98, 1834; weitergehend Reithmann NJW 96, 3327). In jedem Fall erfüllt die Hinterlegung beim Notar die Leistungspflicht nur dann, wenn sie nicht mit Vorbehalten versehen ist, die eine Auskehrung an den Verkäufer von weiteren, nicht vereinbarten Voraussetzungen abhängig machen (BGH NJW 97, 2104 [BGH 07.03.1997 - V ZR 4/96]). Eine zweckwidrige Auszahlung an den Gläubiger kann dem Eintritt der Erfüllungswirkung entgegenstehen (Hambg NJW 96, 1289 [OLG ...

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