Rn 14

Auch für den Ausschluss des Wertersatzes gibt es drei Fallgruppen. (1.) Der zum Rücktritt berechtigende Mangel hat sich erst während der Verarbeitung oder Umgestaltung gezeigt, Nr 1 (vgl § 467 1 Hs 2 aF). Denn wenn sich der Mangel schon vorher gezeigt hätte, wäre der Empfänger wahrscheinlich schon vor der Verarbeitung zurückgetreten und hätte dann seine Pflicht durch die einfache Rückgabe des mangelhaften Gegenstandes erfüllen können. Soweit er durch die verarbeitete oder umgestaltete Sache bereichert ist, haftet er aber nach III 2 mit § 818.

 

Rn 15

(2.) Der Gläubiger hat die Verschlechterung oder den Untergang zu vertreten oder der Schaden wäre bei ihm gleichfalls eingetreten, Nr 2. ›Zu vertreten‹ hat der Gläubiger nicht nur ein technisches Verschulden. Vielmehr genügt analog § 326 II, dass der Gläubiger allein oder weit überwiegend verantwortlich ist oder sich im Gläubigerverzug befindet (MüKo/Gaier Rz 116, Erman/Röthel/Metzger Rz 22). Insb fällt hierunter, dass Verschlechterung oder Untergang auf einem den Empfänger zum Rücktritt berechtigenden Mangel beruhen (s Köln NJW-RR 18, 436 [OLG Köln 23.08.2017 - 16 U 68/17] für Pferdekauf).

 

Rn 16

Dass der Schaden beim Gläubiger gleichfalls eingetreten wäre (zB das Rennpferd wäre auch bei ihm gestorben; das Haus wäre jedenfalls durch den Blitz getroffen worden), berücksichtigt eine überholende Kausalität: Der Gläubiger hätte die Sache auch ohne die Leistung an den Schuldner verloren.

 

Rn 17

(3.) Den krit Fall enthält die Nr 3: Die Pflicht zum Wertersatz entfällt, wenn beim gesetzlichen Rücktrittsrecht Verschlechterung oder Untergang beim Berechtigten trotz Einhaltung der eigenüblichen Sorgfalt (doch vgl § 277) eingetreten sind. Hier springt also mit dem Rücktritt die Sachgefahr auf den Rücktrittsgegner zurück, obwohl diese aus der Sphäre des Rücktrittsberechtigten stammt und vielleicht sogar auf dessen leichte Fahrlässigkeit zurückgeht. Diese Regelung ist vielfach auf Ablehnung gestoßen (vgl MüKo/Gaier Rz 118 ff; H. Roth FS Canaris [07] I, 1131 ff; s weiter Singer FS Medicus 09, 487, 506 ff; Erman/Röthel/Metzger Rz 25).

 

Rn 18

Zum Verständnis der Regelung ist zunächst die Begründung des Gesetzgebers zu bedenken: Das Rückspringen der Gefahr durch den Rücktritt (bspw) auf den Verkäufer sei sachgerecht, wenn der Käufer wegen einer Pflichtverletzung (Sachmangel) von dem Kauf zurücktrete. Denn hier dürfe der Verkäufer nicht darauf vertrauen, dass der Gefahrenübergang auf den Käufer (§ 446 1) endgültig sei. Das Dilemma, von zwei (womöglich) schuldlosen Beteiligten einem den Verlust auferlegen zu müssen, müsse entspr der hM im bisher geltenden Recht zugunsten des Rücktrittsberechtigten gelöst werden (BTDrs 14/6040, 196, ebenso schon Abschlussbericht 188).

 

Rn 19

Dieser Standpunkt ist wohlüberlegt und vertretbar; ihn gänzlich und sogar entrüstet abzulehnen (etwa D. Kaiser JZ 01, 1057; Kohler JZ 02, 682; 1127) übersieht das in der Tat vorliegende Dilemma. Freilich ergeben sich aus ihm zwei Beschränkungen ggü dem Wortlaut: Erstens ist die Belastung des Rücktrittsgegners nur da berechtigt, wo dieser den Rücktritt durch eine Pflichtverletzung (insb durch mangelhafte Lieferung) veranlasst hat. Dagegen passt sie nicht für das subsidiäre Rücktrittsrecht nach § 313 III, wo es an einer solchen Veranlassung fehlt (Heinrichs Liber Amicorum Eike Schmidt 05, 159, 178; Erman/Röthel/Metzger Rz 27).

 

Rn 20

Zweitens ist die Haftungsbeschränkung auf die eigenübliche Sorgfalt des Rücktrittsberechtigten sinngemäß nur begründet, solange dieser sein Rücktrittsrecht noch nicht kennt (und erst recht noch nicht ausgeübt hat). Denn nur dann kann er annehmen, den ihm geleisteten Gegenstand auf die Dauer behalten zu dürfen und nicht zurückgeben zu müssen (ebenso MüKo/Gaier Rz 122 f mN). Weiß er das dagegen, so muss er den Gegenstand zur Vermeidung einer Schadensersatzpflicht mit aller Sorgfalt behandeln (vgl u. Rn 32 ff).

 

Rn 21

Weitere Einschränkungen des III 1 Nr 3 lassen sich kaum rechtfertigen. Im Gegenteil ist die Vorschrift noch auf Fälle einer nicht durch Verschlechterung oder Untergang des Gegenstandes der Rückgabepflicht eingetretene Hindernisse zu erweitern, zB Verlust durch Diebstahl (etwa MüKo/Gaier Rz 121). IdR aber muss es dabei bleiben: Der Rücktritt wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass der Berechtigte die empfangene Leistung nicht zurückgeben kann; auch tritt ggf nach III 1 Nr 3 keine Wertersatzpflicht ein. Zur Problematik einer Schadensersatzpflicht vgl u. Rn 24 ff.

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