Rn 15

Wird die Interpretation eines Vertrages einem bestimmten Recht unterstellt (›construction clause‹), wird dies als ausdrückliche Rechtswahl verstanden (München IPRax 89, 42; offen gelassen: Ddorf 20 U 59/05 v 24.1.06), jedenfalls kann man von einer stillschweigenden Rechtswahl ausgehen (Staud/Magnus Art 3 Rz 89; MüKoIPR/Martiny Art 3 Rz 58; AnwK/Leible Art 27 Rz 43, so jedenfalls Ddorf 20 U 59/05 v 24.1.06). Baut der Vertrag auf einer bestimmten Rechtsordnung auf oder wäre er ohne sie nicht verständlich, ist eine stillschweigende Rechtswahl anzunehmen (vgl Saarbr, Urt v 11.6.15 – 4 U 109/14, BeckRS 15, 12044; Köln RIW 93, 415); es sei denn, vorrangige völkerrechtliche Vereinbarungen sind anwendbar (s Art 3 Rn 8, Art 4 Rn 10). Dies gilt auch bei der Verwendung von AGB, Lieferbedingungen oder anderen Formularen; der Gebrauch deutet auf das Recht hin, im Hinblick auf das es entworfen wurde (BGHZ 134, 127, 397; s.a. Hamm NJW-RR 95, 188). Sofern die Parteien juristische Vorschriften einer bestimmten Rechtsordnung zitieren oder spezielle Begriffe dieses Rechts verwenden, kann darin eine stillschweigende Rechtswahl liegen (BGH NJW-RR 96, 1034; 97, 686 [BGH 28.01.1997 - XI ZR 42/96]; 99, 813; 00, 02 [OLG Zweibrücken 01.07.1999 - 5 UF 26/99]; NJW 04, 3706, 3708 [BGH 13.09.2004 - II ZR 276/02]; Köln RIW 93, 415; Brandbg NJW-RR 12, 535 [OLG Brandenburg 25.01.2012 - 4 U 112/08]; Hamm BeckRS 12, 23070; Frankf BeckRS 12, 24989). Können die Begriffe jedoch analoger sprachlicher Ausdruck für auch dem deutschen Recht geläufige Rechtsinstitute sein, so kommt ihnen keine Bedeutung zu (BGH NJW 56, 377; vgl Ddorf NJW-RR 95, 1396 [OLG Düsseldorf 09.06.1994 - 13 U 173/92]). Bei Vereinbarung von VOB/B (BGH NJW-RR 99, 813) sowie beim Abschluss von auf VOB/B zugeschnittenen Verträgen (Hamm BauR 04, 1472, jedoch mit weiteren Indizien) liegt eine stillschweigende Wahl deutschen Rechts vor, ebenso bei Bezugnahme auf gesetzliche Vorschriften, wie dem WEG (BGH NJW-RR 96, 1034 [BGH 10.05.1996 - V ZR 154/95]). In der Vereinbarung deutscher Tarifverträge oder Kündigungsvorschriften kann eine stillschweigende Vereinbarung deutschen Rechts liegen (BAG NZA 08, 761; BAG NJW 96, 741 [BAG 26.07.1995 - 5 AZR 216/94]; vgl auch BAG NJW 12, 475, 476 [BAG 07.07.2011 - 2 AZR 12/10], BAG BeckRS 13, 72909 und BAG BeckRS 13, 72626), ebenso wie in der Bezugnahme auf ein bestimmtes Urlaubsrecht (so jedenfalls bei weiteren Indizien BAG NZA 03, 339 [BAG 09.10.2002 - 5 AZR 307/01]). Wird bei einem Bauvertrag auf deutsche baurechtliche Regelungen und DIN-Normen Bezug genommen, so kann darin eine stillschweigende Wahl deutschen Rechts liegen (jedenfalls bei weiteren Indizien: BGH NJW-RR 99, 813). Die Rechtswahl des Bauvertrages stellt ein Indiz für die konkludente Rechtswahl des Architektenvertrages dar (BGH NJW 01, 1936). Eine konkludente Rechtswahl soll schließlich auch dann vorliegen, wenn ein Arbeitsvorvertrag, dessen Abschluss nicht nachweisbar ist, eine im Arbeitsvertrag nicht wiederholte Rechtswahlklausel enthält und die Vertragsparteien ihr Arbeitsverhältnis unter Anwendung dieses Vorvertrages ›leben‹ (BAG NZA 08, 761, 763 [BAG 19.03.2008 - 5 AZR 435/07]). Haben die Parteien einen Vertriebsvertrag iSe Rahmenvertrags geschlossen und enthält der Vertriebsvertrag eine Rechtswahlklausel, kann nicht von einer stillschweigenden Rechtswahl für den nachfolgenden (Einzel-)Kaufvertrag ausgegangen werden, denn ein Vertriebsvertrag enthält idR keine konkreten Kauf- und Lieferpflichten (Magnus IHR 18, 49, 51).

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