Rn 12

Andere wichtige Gründe hängen gleichfalls mit der erwähnten Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zusammen. Dabei kommt auch eine Verdachtskündigung in Betracht, insb bei dringendem Verdacht einer schweren Pflichtverletzung (etwa BGH NJW 95, 1110, 1111; Hamm NJW 15, 2970 [OLG Hamm 26.02.2015 - 24 U 56/10]). Eine Betriebseinstellung zur Insolvenzvermeidung bildet aber idR keinen wichtigen Grund (BGH NJW 05, 1360 [BGH 07.10.2004 - I ZR 18/02]). Auch die Verschmelzung einer zur Verwalterin einer Wohnungseigentumsanlage bestellten juristischen Person auf eine andere juristische Person stellt für sich genommen keinen wichtigen Grund dar (BGHZ 200, 221 Rz 28). Ein (auch berufsbedingter) Wohnortwechsel stellt grds keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung dar (für Fitnessstudiovertrag BGH WM 16, 1360 Rz 13; für DSL-Vertrag BGH NJW-RR 11, 916 Rz 9), da die Gründe hierfür in aller Regel allein in der Sphäre des Kunden liegen (arg § 537 I). Etwas anderes gilt nur, wenn ihm aus Gründen, die er nicht beeinflussen kann, eine weitere Inanspruchnahme der Leistungen des anderen Vertragspartners nicht mehr zumutbar ist (vgl BGH NJW 12, 1431 [BGH 08.02.2012 - XII ZR 42/10] Rz 31 mwN; s.a. Klawitter VuR 18, 134: Vertragsanpassung). Bei einem Vertrag über die Nutzung eines Fitnessstudios kann ein solcher – nicht in seinen Verantwortungsbereich fallender – Umstand etwa in einer Erkrankung gesehen werden, ebenso in einer Schwangerschaft (arg Art 6 IV GG). Für den Eintritt unvorhergesehener Umstände, insb einer Störung des Äquivalenzverhältnisses, ist der Vorrang von § 313 (u. Rn 18) zu beachten: Hier muss zunächst eine Anpassung des Vertrages an die veränderten Verhältnisse versucht werden.

 

Rn 12a

Das Zurückbehaltungsrecht aufgrund des COVID-19-bedingten Moratoriums nach Art 240 § 1 EGBGB stellt keinen wichtigen Grund für eine Kündigung dar, anderenfalls würde der vom Gesetzgeber intendierte Zweck verfehlt (BTDrs 19/18110, 33 ff).

Artikel 240 EGBGB

Vertragsrechtliche Regelungen aus Anlass der COVID-19-Pandemie

 

Moratorium

(1) 1Ein Verbraucher hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Verbrauchervertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn dem Verbraucher infolge von Umständen, die auf die Ausbreitung der Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus (COVID-19-Pandemie) zurückzuführen sind, die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht möglich wäre. 2Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. 3Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen der angemessenen Daseinsvorsorge erforderlich sind.

(2) 1Ein Kleinstunternehmen im Sinne der Empfehlung 2003/361/EG der Kommission vom 6. Mai 2003 betreffend die Definition der Kleinstunternehmen sowie der kleinen und mittleren Unternehmen (ABl. L 124 vom 20.5.2003, S. 36) hat das Recht, Leistungen zur Erfüllung eines Anspruchs, der im Zusammenhang mit einem Vertrag steht, der ein Dauerschuldverhältnis ist und vor dem 8. März 2020 geschlossen wurde, bis zum 30. Juni 2020 zu verweigern, wenn infolge von Umständen, die auf die COVID-19-Pandemie zurückzuführen sind,

1. das Unternehmen die Leistung nicht erbringen kann oder
2. dem Unternehmen die Erbringung der Leistung ohne Gefährdung der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs nicht möglich wäre.

2Das Leistungsverweigerungsrecht besteht in Bezug auf alle wesentlichen Dauerschuldverhältnisse. 3Wesentliche Dauerschuldverhältnisse sind solche, die zur Eindeckung mit Leistungen zur angemessenen Fortsetzung seines Erwerbsbetriebs erforderlich sind.

(3) 1Absatz 1 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger seinerseits unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung die wirtschaftliche Grundlage seines Erwerbsbetriebs gefährden würde. 2Absatz 2 gilt nicht, wenn die Ausübung des Leistungsverweigerungsrechts für den Gläubiger unzumutbar ist, da die Nichterbringung der Leistung zu einer Gefährdung seines angemessenen Lebensunterhalts oder des angemessenen Lebensunterhalts seiner unterhaltsberechtigten Angehörigen oder der wirtschaftlichen Grundlagen seines Erwerbsbetriebs führen würde. 3Wenn das Leistungsverweigerungsrecht nach Satz 1 oder 2 ausgeschlossen ist, steht dem Schuldner das Recht zur Kündigung zu.

(4) Die Absätze 1 und 2 gelten ferner nicht im Zusammenhang

1. mit Miet- und Pachtverträgen nach § 2, mit Darlehensverträgen sowie
2. mit arbeitsrechtlichen Ansprüchen.

(5) Von den Absätzen 1 und 2 kann nicht zum Nachteil des Schuldners abgewichen werden.

 

Beschränkung der Kündigung von Miet- und Pachtverhältnissen

(1) 1Der Vermieter kann ein Mietverhältnis über Grundstücke oder über Räume nicht allein aus dem Grund kündigen, dass der Mieter im Zeitraum vom...

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