Rn 7

Der Gläubiger ist nicht verpflichtet, den angebotenen Leistungsteil anzunehmen; ihm steht also ein Zurückweisungsrecht zu (hM: Grüneberg/Grüneberg § 266 Rz 10; Staud/Bittner/Kolbe § 266 Rz 2; MüKoBGB/Krüger § 266 Rz 18). Macht der Gläubiger von seinem Zurückweisungsrecht Gebrauch, treten für den Schuldner die Nichterfüllungsfolgen in vollem Umfang ein. Der Gläubiger kann hinsichtlich der gesamten Leistung nach fruchtlosem Ablauf der Nachfrist vom Vertrag zurücktreten (§ 323) oder Schadensersatz statt der Leistung verlangen (§§ 280, 281, 286). Der Gläubiger gerät wegen des Zurückweisungsrechts auch hinsichtlich des angebotenen Leistungsteils nicht in Annahmeverzug (Lorenz NJW 13, 1341). Anderes gilt nur, wenn der Schuldner ausnahmsweise zur Teilleistung berechtigt ist (Rn 2 f).

 

Rn 8

Das dem Gläubiger zustehende Recht, eine in quantitativer oder qualitativer Hinsicht unvollständige Leistung zurückzuweisen, ist jedoch gewissen Einschränkungen zu unterwerfen. Diese resultieren aus der Notwendigkeit, nach der Reform des Schuldrechts das Zurückweisungsrecht des Gläubigers vor Gefahrenübergang mit dem System der Rechtsbehelfe nach Gefahrenübergang zu harmonisieren (Jud JuS 04, 842). Das mit Gefahrübergang geltende Gewährleistungsrecht der §§ 437 ff vermag keine andere Regelung zu treffen als § 266 (Lorenz NJW 13, 1344). ME ist der Gläubiger daher immer dann zur Zurückweisung berechtigt, wenn ihm wegen der Pflichtverletzung des Schuldners ein sofortiges Rücktrittsrecht oder Schadensersatz statt der ganzen Leistung zusteht, weil er auch bei Geltendmachung des Rücktritts oder des Schadensersatzes die Sache zurückzugewähren hätte. Dasselbe gilt, wenn die vollständige oder mangelfreie Leistung noch erbracht werden kann, sei es durch Nachlieferung, Ersatzlieferung oder Nachbesserung (§ 439 I). Ist vollständige (mangelfreie) Erfüllung möglich, ist der Gläubiger auch dann zur Zurückweisung berechtigt, wenn die Schwelle für den Rücktritt (§ 323 V) oder den Schadensersatz statt der ganzen Leistung (§ 281 I 2, 3) nicht erreicht ist, der Gläubiger also an der angebotenen Teilleistung ein Interesse hat oder die Pflichtverletzung unerheblich ist. Andernfalls würde dem Gläubiger nämlich die Möglichkeit genommen, auf den Schuldner Druck zur ordnungsgemäßen und vollständigen Erfüllung auszuüben. Der Ausschluss des Rücktritts (§ 323 V) setzt bei behebbaren Pflichtverletzungen daher voraus, dass der Gläubiger die mangelhafte Sache oder die Teilleistung angenommen hat. Nur bei unbehebbaren Pflichtverletzungen (quantitative Teilunmöglichkeit, unbehebbare Mängel), die die Schwelle für den Rücktritt nicht erreichen, ist der Gläubiger zur Annahme der in quantitativer oder qualitativer Hinsicht unvollständigen Leistung verpflichtet, sein Zurückweisungsrecht also ausgeschlossen (ausf Jud JuS 04, 843 ff mwN).

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge