Rn 9

Weiter müssen Eintritt oder Umfang des Schadens kausal auf der Verletzung einer Pflicht oder Obliegenheit beruhen. Das ergibt sich schon aus dem Wort ›Mitwirkung‹. Es muss also zB die Trunkenheit des Fahrers für den Unfall ursächlich geworden sein (BGH VersR 60, 479) oder ein Verstoß gegen die Anschnallpflicht verletzungsfördernden Charakter gehabt haben (BGH NJW 12, 2027 [BGH 28.02.2012 - VI ZR 10/11]). Auch das Fehlen der Fahrerlaubnis (s BGH NJW 07, 506 [BGH 21.11.2006 - VI ZR 115/05] Tz 18) ist nicht per se anspruchsmindernd zu berücksichtigen, wenn gerade nicht klar ist, dass es kausal für den Unfall war (dass der Unfallgegner ohne Fahrerlaubnis an sich gar nicht hätte fahren dürfen und schon deshalb den Unfall nicht verursacht hätte, ist nach dem BGH irrelevant); hierfür soll nicht einmal ein Anscheinsbeweis streiten (aaO Tz 19). Adäquanz (§ 249 Rn 52) ist schon deshalb nötig, weil die Mitwirkungsanteile nach der Wahrscheinlichkeit des Umstandes für das Schadensereignis gewichtet werden (u. Rn 34 f): Wo diese nur ganz geringfügig ist, bleibt der Umstand also außer Betracht.

 

Rn 10

Zudem muss der Schutzzweck der verletzten Obliegenheit betroffen sein. So soll der Schadensersatzanspruch eines Unfallverletzten gegen den ihn fehlerhaft behandelnden Arzt nicht deshalb gemindert werden, weil der Verletzte den Unfall selbst verschuldet hatte: ›Es macht für das Rechtsverhältnis zwischen Arzt und Patient keinen Unterschied, ob der Patient durch eigene Schuld behandlungsbedürftig geworden ist oder nicht‹ (BGH NJW 72, 334, 335 [BGH 21.09.1971 - VI ZR 122/70]). Ähnl darf sich der Abschleppunternehmer nicht auf das Verschulden des Abzuschleppenden bei dessen Falschparken berufen (BGH NJW 78, 2502, 2504 [BGH 11.07.1978 - VI ZR 138/76]). Wer die Behandlung oder Behütung eines Suizidgefährdeten übernimmt, kann nicht ein Mitverschulden des Gefährdeten an einem Suizidversuch geltend machen (BGHZ 96, 98, 101). Wer aus der Verletzung einer Beratungspflicht haftet, kann idR nichts daraus herleiten, dass der zu Beratende selbst das Richtige hätte erkennen können (BGH NJW 04, 1868, 1870 [BGH 13.01.2004 - XI ZR 355/02]).

 

Rn 11

Fraglich ist, ob es auf die zeitliche Reihenfolge zwischen der Schädigung und der für § 254 maßgeblichen Mitwirkung ankommt. Nach BGH ZIP 90, 315, 318 soll ggü einem Anspruch auf Schadensersatz wegen Nichterfüllung einer Vertragspflicht nur ein Verhalten relevant sein, das dem Vertragsschluss zeitlich nachfolgt. Das dürfte aber zumindest nicht allg zutreffen: Schadensvermeidende Obliegenheiten können ebenso wie Schutzpflichten schon im Verhandlungsstadium bestehen (vgl § 311 II).

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