Gesetzestext

 

1Der zu ersetzende Schaden umfasst auch den entgangenen Gewinn. 2Als entgangen gilt der Gewinn, welcher nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder nach den besonderen Umständen, insbesondere nach den getroffenen Anstalten und Vorkehrungen, mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte.

A. Zweck der Vorschrift.

I. Ersatzfähigkeit, S 1.

 

Rn 1

Entgangener Gewinn sind diejenigen Vorteile, deren Zufluss in das Vermögen des Geschädigten der zum Ersatz verpflichtende Umstand verhindert hat. Dieser Gewinnentgang ist schon von § 249 I umfasst (Totalersatz, s § 249 Rn 5); § 252 soll also insoweit nur Zweifel beheben, die sich aus früheren Kodifikationen hätten ergeben können (s Mot II 17 f). Zum entgangenen Gewinn zählt insbesondere der Erwerbsschaden, also jeder wirtschaftliche Nachteil aufgrund verletzungsbedingter Beeinträchtigung der Arbeitsfähigkeit; damit ist nicht nur der Verdienst des Arbeitnehmers gemeint (Rn 12), sondern auch der Gewinn bei Selbstständigen (Rn 11). Unter einen Erwerbsschaden fällt zB auch der Verlust der Besoldung des Beamten nach schädigungsbedingter Frühpensionierung (BGH VersR 21, 650, zugleich zur Bindungswirkung der verwaltungsrechtlichen Versetzung in den Ruhestand); es genügt eine wirtschaftliche Beeinträchtigung durch den Verlust der Arbeitsfähigkeit. Selbst der Verlust des Arbeitslosengeldes II kann daher einen Erwerbsschaden darstellen (BGH VersR 13, 1050). Erforderlich ist indes stets ein auf das Haftungsereignis kausal beruhender Erwerbsschaden, der fehlen kann, wenn der Geschädigte aufgrund eines eigenen Willensentschlusses selbst in den Geschehensablauf eingegriffen und dadurch die eigentliche Ursache für die von ihm geltend gemachte Schadensfolge gesetzt hat (§ 249 Rn 63 zu BGH NJW 18, 866 [BGH 14.11.2017 - VI ZR 92/17]: unfallunabhängiger Berufswechsel eines Verletzten und späterer Verlust dieses Berufs). Zu beachten ist, dass – bei längeren oder gar dauerhaften Beeinträchtigungen – auch der Ersatzanspruch entsprechend länger besteht und sich der Höhe nach auch ändern kann (etwa, weil in dem unfallbedingt aufgegebenen Beruf nun eine Gehaltssteigerung eingetreten wäre, die dem Verletzten entgeht). Entsprechend sieht § 843 (s dort) eine Rentenzahlung – also eine wiederkehrende Ersatzleistung – vor. Die Altersrente von rentenversicherungspflichtigen Geschädigten (die bei einem verletzungsbedingt verkürzten Erwerbsleben an sich sonst geringer wäre) wird nach § 119 SGB X dadurch gesichert, dass der Rentenversicherer einen Beitragsregress wegen der weggefallenen oder geringeren Rentenversicherungsbeiträge vornehmen darf (vgl Rn 1417); bei nicht gesetzlich Rentenversicherten kann indes der Erwerbsschaden auch nach dem unfallunabhängigen Ende des Erwerbslebens andauern, weil die Altersversorgung geringer geworden ist, als sie ohne schädigendes Ereignis wäre (hierzu insgesamt Luckey Rz 172). Auch bei einer Sachbeschädigung kann es zu einem ersatzfähigen Gewinnausfall kommen (BGH VersR 18, 1067, weshalb ein Netzbetreiber Ersatz des Gewinns verlangen kann, der ihm entgeht, weil die Beschädigung seines Stromkabels eine Versorgungsunterbrechung verursacht, die zu einer Verschlechterung seines Qualitätselements und – in der Folge – zu einer Herabsetzung seiner von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenze führt).

 

Rn 2

Dem 1 sind gleichwertig die §§ 842, 843 I bis III sowie die entspr Vorschriften in den Haftpflichtgesetzen. Das gilt auch für das in § 842 genannte ›Fortkommen‹, also die Möglichkeit zu einer Verbesserung des Einkommens (durch Beförderung, Vergrößerung des Geschäfts usw). Auch dies ist nämlich in dem Zustand enthalten, der jetzt ohne das Schadenereignis bestünde (§ 249 I); Fortkommensschäden sind also nicht bloß nach Deliktsrecht zu ersetzen.

II. Die Bedeutung des S 2.

 

Rn 3

Größere Bedeutung hat 2. Er will die Beweisschwierigkeiten mildern, die beim entgangenen Gewinn oft besonders belastend sind. Dabei enthält die Vorschrift trotz des entgegenstehenden Wortlauts (›gilt‹) keine Fiktion, sondern nur eine widerlegbare Vermutung (BGH NJW 59, 1079 [BGH 16.03.1959 - III ZR 20/58], jetzt wohl allg Ansicht). S.u. Rn 8.

B. Einzelheiten.

I. Die Vermutung in S 2.

1. Allgemeines.

 

Rn 4

Die Vermutung in 2 gleicht weitgehend dem § 287 I ZPO (vgl Vor § 249 Rn 9). Die ›freie Überzeugung‹ von § 287 I 1 ZPO führt nämlich kaum zu einem anderen Ergebnis als zu dem in 2 geforderten Wahrscheinlichkeitsurteil (BGHZ 29, 393, 398 f).

 

Rn 5

Hinsichtlich des für die Erwartung maßgeblichen Zeitpunktes verweist der Wortlaut von 2 auf die Vergangenheit (›erwartet werden konnte‹). Das müsste wohl der Zeitpunkt des Schadensereignisses sein. Doch widerspricht das der allg Regel von der Maßgeblichkeit des derzeitigen Wissensstandes (also in der letzten mündlichen Tatsachenverhandlung). Daher legt die hM (etwa BGHZ 29, 393, 398; NJW 64, 661, 662; NJW 11, 1148) den 2 auch in dieser Hinsicht berichtigend aus: Entscheidend ist die Beurteilung aus der Sicht der Gegenwart.

2. Der gewöhnliche Lauf der Dinge.

 

Rn 6

Der gewöhnliche Lauf der Dinge bildet nach 2 die Grundlage für die Gewinnschätzung. Dieser braucht, eben weil er wahrscheinlich ist, vom Geschädigten nicht bewiesen zu w...

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