Leitsatz (amtlich)

Ein Netzbetreiber kann Ersatz des Gewinns verlangen, der ihm entgeht, weil die Beschädigung seines Stromkabels eine Versorgungsunterbrechung verursacht, die zu einer Verschlechterung seines Qualitätselements und - in der Folge - zu einer Herabsetzung seiner von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenze führt ("Qualitätselement-Schaden").

 

Normenkette

BGB §§ 252, 823 Abs. 1; EnWG § 21a; ARegV §§ 18-20

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 03.07.2017; Aktenzeichen 13 S 5014/15)

AG München (Urteil vom 25.02.2015; Aktenzeichen 114 C 15494/14)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil der 13. Zivilkammer des LG München I vom 3.7.2017 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die klagende Betreiberin eines Elektrizitätsverteilernetzes verlangt von der Beklagten nach einer Versorgungsunterbrechung aufgrund Beschädigung eines Stromkabels Schadensersatz für entgangenen Gewinn wegen der Verschlechterung ihres Qualitätselements und deren Auswirkung auf ihre von der Bundesnetzagentur festgesetzten Erlösobergrenzen ("Qualitätselement-Schaden").

Rz. 2

Am 8.9.2010 beschädigte ein von der Beklagten eingesetzter Bagger ein der Klägerin gehörendes Stromkabel. Durch diese Beschädigung wurde die Versorgung von angeschlossenen Letztverbrauchern unterbrochen.

Rz. 3

Die Bundesnetzagentur beschloss am 20.11.2013, das Qualitätselement Netzzuverlässigkeit für Elektrizitätsnetzbetreiber vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2016 anzuwenden. In diesem Beschluss heißt es u.a.:

"[...] 1. Das Qualitätselement Netzzuverlässigkeit wird für Elektrizitätsnetzbetreiber vom 1.1.2014 bis zum 31.12.2016 angewendet. 2. Zur Bestimmung des Qualitätselements Netzzuverlässigkeit sind die Daten aller Elektrizitätsverteilernetzbetreiber [...] heranzuziehen. [...] [...] 4. Die Netzzuverlässigkeit wird für die Niederspannungsebene anhand der Kennzahl SAIDI (System Average Interruption Duration Index) und für die Mittelspannungsebene der Kennzahl ASIDI (Average System Interruption Duration Index) bewertet. 5. Für die Ermittlung der Kennzahlen sind geplante und ungeplante Versorgungsunterbrechungen mit einer Dauer von mehr als drei Minuten heranzuziehen. Hinsichtlich der ungeplanten Versorgungsunterbrechungen sind Versorgungsunterbrechungen mit den Unterbrechungsanlässen [...] "Einwirkungen Dritter" und "Zuständigkeit des Netzbetreibers/kein erkennbarer Anlass" zu berücksichtigen. [...] 6. Aus den ermittelten Kennzahlen ist für die Niederspannungsebene und die Mittelspannungsebene jeweils ein Mittelwert über drei Kalenderjahre zu bilden. Dabei sind die Kennzahlen der Kalenderjahre 2010, 2011 und 2012 zugrunde zu legen. [...] 12. Zur Ermittlung der Zuschläge und Abschläge auf die zulässige Erlösobergrenze ist die Differenz zwischen dem errechneten Referenzwert und der drei Jahre gemittelten Kennzahl SAIDI bzw. ASIDI der entsprechenden Netzebene des Netzbetreibers mit der Anzahl der Letztverbraucher des Kalenderjahres 2012 und mit dem Monetarisierungsfaktor entsprechend der Ziff. 13 zu multiplizieren. [...] 13. Der Monetarisierungsfaktor wird unter Verwendung eines makroökonomischen Ansatzes auf Basis der Daten der Kalenderjahre 2010 bis 2012 berechnet. Der Monetarisierungsfaktor "m" beträgt 0,19 EUR/min/Letztverbraucher/a. 14. Um die Auswirkungen auf die Erlösobergrenze zu begrenzen, werden Kappungsgrenzen berücksichtigt. Die Kappung wird erst nach Summierung der Zuschläge und Abschläge über die betroffenen Netzebenen durchgeführt. Der Bonus- und Malusbereich wird symmetrisch und einheitlich gekappt. Es wird eine Kappung der Erlösauswirkung von 2 bis 4 % der Erlösobergrenze des Kalenderjahres 2013 abzgl. der dauerhaft nicht beeinflussbaren Kosten und - falls vorhanden - abzgl. der Kosten für die Netzebenen Höchstspannung, Umspannebene HöS/HS, Hochspannung und die Umspannebene HS/MS vorgenommen. Wichtig für die Bestimmung der Kappungsgrenze ist dabei die Minimierung der Abweichung von der angestrebten Erlösneutralität, die bedeutet, dass sich die Zuschläge oder Abschläge auf die Erlösobergrenze über die Gesamtheit aller betroffenen Verteilernetzbetreiber möglichst ausgleichen sollen (Erlösneutralität). 15. Die Definition der Anlage 1 zur Festlegung über die Datenerhebung zur Bestimmung des Qualitätselements hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit Strom nach den §§ 19 und 20 ARegV vom 8.5.2013 (Aktenzeichen BK8-13/001) sind für die Ermittlung des Qualitätselements nach Maßgabe der dargestellten Ermittlungsmethode maßgeblich. [...] Gründe [...] II. [...] 2. Ermächtigungsgrundlage Die Festlegung über den Beginn der Anwendung, die nähere Ausgestaltung und das Verfahren der Bestimmung des Qualitätselements hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit Strom nach den §§ 19 und 20 ARegV erfolgt auf Grundlage des § 29 Abs. 1 EnWG i.V.m. § 32 Abs. 1 Nr. 6 ARegV. [...] 4. Ermessensausübung Die Einführung eines Qualitätselements nach § 19 Abs. 1 Satz 1 ARegV ist erforderlich und geboten, da eine Anreizregulierung, die einzig auf den Abbau von ineffizienten Kosten abzielt, grundsätzlich negative Auswirkungen auf die Versorgungsqualität haben könnte. Gemäß § 19 Abs. 2 Satz 1 ARegV hat der Beginn der Anwendung eines Qualitätselements in Stromversorgungsnetzen zur zweiten Regulierungsperiode zu erfolgen, so dass in dieser Hinsicht kein Ermessensspielraum besteht. [...] 10. Umsetzung des Qualitätselements Netzzuverlässigkeit in die Erlösobergrenze 10.1 Im Sinne der Erlösneutralität der Qualitätsregulierung soll mit der Einführung des Qualitätselements keine generelle Veränderung der Erlössituation der Netzbetreiber insgesamt erreicht werden. Vielmehr sollen sich die Bonus- und Maluszahlungen des Qualitätselements über die Gesamtheit aller betroffener Netzbetreiber möglichst ausgleichen. 10.2 Um die monetären Auswirkungen auf die Erlösobergrenze auf ein verhältnismäßiges Maß zu begrenzen, die einem Netzbetreiber maximal aus dem Qualitätselement entstehen können, sollen Kappungsgrenzen berücksichtigt werden. 10.3 Durch eine symmetrische Kappung kann es zu einer geringfügigen Abweichung vom Ziel einer erlösneutralen Ausgestaltung der Qualitäts-Kosten-Funktion kommen. [...] 12. Anwendung des Qualitätselements Netzzuverlässigkeit Das Qualitätselement wird für die Elektrizitätsnetzbetreiber hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit, nachdem dieses mit Festlegung vom 7.6.2011 (Aktenzeichen BK8-11/002) erstmals zum 1.1.2012 eingeführt wurde, zum 1.1.2014 auf Grundlage dieser Festlegung bis zum 31.12.2016 weitergeführt. [...]"

Rz. 4

Am 17.4.2015 beschloss die Bundesnetzagentur gegenüber der Klägerin, den kalenderjährlichen Erlösobergrenzen der Jahre 2014 bis 2016 jeweils einen Bonus/Malus hinzuzurechnen. Für die Niederspannungsebene ergebe sich ein Malus von 201.190,12 EUR. Die Klägerin sei von der Kappungsgrenze nicht betroffen.

Rz. 5

Die Klägerin macht geltend, dass wegen der von der Beklagten verursachten Versorgungsunterbrechung die Bundesnetzagentur ihre Netzqualität schlechter bewertet und ihre Erlösobergrenze herabgesetzt habe, wodurch ihr die Vereinbarung von höheren Netzentgelten verwehrt worden sei. Das AG hat die Klage, mit der die Klägerin einen Teil des Schadens geltend gemacht hat, abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das LG das Urteil des AG abgeändert und die Beklagte zur Zahlung von 1.089 EUR nebst Zinsen verurteilt sowie hinsichtlich einer weitergehenden Zinsforderung die Klage abgewiesen und die Berufung insoweit zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Antrag auf Klageabweisung weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 6

Das Berufungsgericht hat in seinen Urteilsgründen (veröffentlicht in GWF/Recht und Steuern 2017, 37) ausgeführt, dass bei einer nicht verringerten Erlösobergrenze höhere Einnahmen ohne entsprechend höhere Kosten angefallen wären. Dies stelle einen entgangenen Gewinn dar. Bei der Netzunterbrechung handle es sich um eine Einschränkung der möglichen Nutzung. Ein derartiger Schaden sei grundsätzlich vom Eigentumsschutz umfasst. Aus dem Energiewirtschaftsgesetz und der Anreizregulierungsverordnung ergäben sich keine Einschränkungen.

Rz. 7

Die Grundlagen des Schadensumfangs (Versorgungsunterbrechung von 110 Minuten, die 55 Letztverbraucher betroffen habe) seien durch die Zeugenvernehmung bewiesen. Der Sachverständige habe dargelegt, dass sich ohne diese Versorgungsunterbrechung ein geringerer Malus auf der Niederspannungsebene ergeben hätte (200.798,40 EUR statt 201.190,12 EUR). Diese Differenz von 391,72 EUR führe bei einem Wirkungszeitraum von drei Jahren zu einem Betrag von 1.175,16 EUR.

Rz. 8

Der geltend gemachte Schaden in Gestalt entgangenen Gewinns sei eingetreten. Die Klägerin habe vorgetragen, ihre Entgelte würden so kalkuliert, dass die Erlösobergrenze erreicht werde. Eine Zeugenvernehmung habe bestätigt, dass für die Jahre 2014 und 2015 von einem Mehrerlös auszugehen sei. Ein Mehrerlös führe nicht zur Kompensation des entgangenen Gewinns. Eine Kappungsgrenze spiele keine Rolle, da diese auf die Klägerin nicht angewendet worden sei. Von einer Beweisaufnahme zur Frage, ob sich ohne die Versorgungsunterbrechung der Referenzwert geändert hätte, könne abgesehen werden. Da für die Bestimmung des Referenzwerts die Datensätze der 184 größten Netzbetreiber berücksichtigt worden seien, würde sich - selbst wenn die Berichtigung des Referenzwerts rechtlich geboten wäre - die Einbeziehung der Versorgungsunterbrechung nur unerheblich auswirken. Wie sich aus einer Auskunft der Bundesnetzagentur ergebe, könne nicht davon ausgegangen werden, dass diese eine etwaige Schadensersatzzahlung der Beklagten gem. § 9 Stromnetzentgeltverordnung (StromNEV) als Erlös ansetze.

II.

Rz. 9

Die Revision der Beklagten ist unbegründet.

Rz. 10

1. Die Annahme des Berufungsgerichts, der Klägerin stehe wegen Verletzung ihres Eigentums dem Grunde nach ein Anspruch aus § 823 Abs. 1 BGB gegen die Beklagte zu, wird von der Revision nicht beanstandet. Sie lässt auch Rechtsfehler nicht erkennen.

Rz. 11

2. Die Klägerin kann von der Beklagten Ersatz des Gewinns verlangen, der ihr entging, weil die Beschädigung ihres Stromkabels eine Versorgungsunterbrechung verursachte, die zu einer Verschlechterung ihres Qualitätselements und - in der Folge - zu einer Herabsetzung der von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenzen führte.

Rz. 12

a) Bei einer Eigentumsverletzung nach § 823 Abs. 1 BGB ist der dadurch adäquat verursachte Schaden zu ersetzen, wobei sich der Umfang des Ersatzanspruchs nach den §§ 249 ff. BGB bemisst. Der Schadensersatzanspruch wegen unerlaubter Handlung richtet sich auf das negative Interesse. Der Geschädigte ist deshalb so zu stellen, wie er ohne das schädigende Verhalten stünde (BGH, Urt. v. 17.7.2001 - X ZR 65/99, NJW-RR 2001, 1599, 1600). Der danach zu ersetzende Schaden umfasst den entgangenen Gewinn (§§ 249 Abs. 1, 252 Satz 1 BGB). Jedoch ist nicht jeder adäquat verursachte Schaden zu ersetzen. Die Schadensersatzpflicht wird durch den Schutzzweck der Norm begrenzt. Eine Haftung besteht nur für diejenigen äquivalenten und adäquaten Schadensfolgen, die aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde (BGH, Urteile vom 20.5.2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rz. 10; v. 26.2.2013 - VI ZR 116/12, NJW 2013, 1679 Rz. 12; v. 10.7.2012 - VI ZR 127/11, NJW 2012, 2964 Rz. 13; BGH, Urt. v. 25.1.2018 - VII ZR 74/15, NJW 2018, 944; Versäumnisurt. v. 22.9.2016 - VII ZR 14/16, BGHZ 211, 375 Rz. 14 jeweils m.w.N.).

Rz. 13

b) Die Ersatzfähigkeit des entgangenen Gewinns nach einer Versorgungsunterbrechung wegen des dadurch verschlechterten Qualitätselements und der Auswirkungen auf die von der Bundesnetzagentur festgelegten Erlösobergrenzen wird unterschiedlich beurteilt.

Rz. 14

Teilweise wird in der Rechtsprechung der Instanzgerichte die Ersatzfähigkeit bejaht (so etwa LG Rostock, Urt. v. 24.6.2016 - 3 O 175/16, GWF/Recht und Steuern 2016, 36; AG Hamburg-Barmbek, Urt. v. 17.1.2017 - 820 C 542/15, GWF/Recht und Steuern 2017, 35; AG Hamburg-Harburg, Urt. v. 17.5.2016 - 642 C 92/15, GWF/Recht und Steuern 2016, 27; AG Hamburg, Urt. v. 28.5.2015 - 44 C 20/14, GWF/Recht und Steuern 2015, 48).

Rz. 15

Teilweise wird die Ersatzfähigkeit ausgeschlossen, weil ein solcher Nachteil außerhalb des Schutzzwecks der Norm liege, nicht adäquat kausal verursacht sei, sich einem konkreten Schadensfall nicht zurechnen lasse oder es Sinn und Zweck der Anreizregulierungsverordnung widerspreche, gewollte Nachteile aus einer Abweichung von Kennzahlen durch einen zivilrechtlichen Ersatzanspruch auszugleichen (so etwa OLG Hamm, Urteil vom 30.6.2017 - 26 U 16/17, juris Rz. 16 f.; LG Tübingen, Urt. v. 12.5.2017 - 5 O 76/16, ER 2018, 43 Ls.; LG Paderborn, Urt. v. 21.12.2016 - 3 O 237/16, juris Rz. 24 ff.; LG Hamburg, Urt. v. 15.11.2016 - 307 O 421/15, juris Rz. 34 ff.; vom 19.10.2016 - 305 O 519/15, juris Rz. 34 ff.).

Rz. 16

c) Der Senat entscheidet die Frage dahingehend, dass Einnahmeausfälle infolge Verschlechterung des Qualitätselements einen ersatzfähigen Schaden darstellen.

aa) Entgangener Gewinn ist ein mittelbarer Schaden, der vom Schädiger gem. §§ 249 Satz 1, 252 Satz 1 BGB zu ersetzen ist. Er umfasst alle Vermögensvorteile, die dem Geschädigten im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zustanden, ohne dieses Ereignis aber angefallen wären. Entgangener Gewinn ist daher stets anzunehmen, wenn der Geschädigte infolge Beeinträchtigung seines Eigentums etwaige Produktionsmittel nicht gewinnbringend nutzen kann (BGH, Urt. v. 11.5.1989 - VII ZR 39/88, NJW-RR 1989, 980, 981). Dies gilt auch, wenn die Verwertung staatlich reguliert wird (vgl. BGH, Urt. v. 4.7.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127; v. 29.1.1993 - V ZR 160/91, NJW-RR 1993, 626, 627 f.: Nichtzuteilung einer Milchreferenzmenge). Dabei ist unerheblich, ob Art und Inhalt der staatlichen Regulierung beim Eintritt des zum Ersatz verpflichtenden Umstands bereits absehbar waren (BGH, Urt. v. 4.7.1994 - II ZR 126/93, NJW 1995, 126, 127).

Rz. 17

bb) So liegt es hier. Der Klägerin sind infolge der Verschlechterung des Qualitätselements Vermögensvorteile entgangen.

Rz. 18

(1) Die Entgelte für den Netzzugang werden gem. § 21 Abs. 2 Satz 1 EnWG auf der Grundlage der Kosten einer Betriebsführung, die denen eines effizienten und strukturell vergleichbaren Netzbetreibers entsprechen müssen, unter Berücksichtigung von Anreizen für eine effiziente Leistungserbringung und einer angemessenen, wettbewerbsfähigen und risikoangepassten Verzinsung des eingesetzten Kapitals gebildet.

Rz. 19

Gemäß § 21a Abs. 1 EnWG können nach Maßgabe einer Rechtsverordnung nach § 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 1 EnWG Netzzugangsentgelte der Betreiber von Energieversorgungsnetzen durch eine Methode bestimmt werden, die Anreize für eine effiziente Leistungserbringung setzt (Anreizregulierung). Nach § 21a Abs. 2 Satz 1 EnWG erfolgt die Anreizregulierung durch Vorgabe von Obergrenzen für die Höhe der Netzzugangsentgelte oder für die Gesamterlöse aus Netzzugangsentgelten, die innerhalb einer Regulierungsperiode erzielt werden dürfen. Hierbei sind Effizienzvorgaben zu berücksichtigen. Gemäß § 21a Abs. 5 Satz 1 EnWG werden die Effizienzvorgaben u.a. unter Berücksichtigung der Versorgungsqualität und auf diese bezogener Qualitätsvorgaben bestimmt. Die Qualitätsvorgaben werden gem. § 21a Abs. 5 Satz 2 EnWG auf der Grundlage einer Bewertung von Zuverlässigkeitskenngrößen oder Netzleistungsfähigkeitskenngrößen ermittelt, bei der auch Strukturunterschiede zu berücksichtigen sind. Bei einem Verstoß gegen Qualitätsvorgaben können nach § 21a Abs. 5 Satz 3 EnWG auch die Obergrenzen zur Bestimmung der Netzzugangsentgelte für ein Energieversorgungsunternehmen gesenkt werden. Weitere materiell-rechtliche Vorgaben überlässt § 21a Abs. 6 EnWG einer Rechtsverordnung, die die nähere Ausgestaltung der Methode einer Anreizregulierung und ihre Durchführung regeln (§ 21a Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 EnWG) und insb. Regelungen für die Ausgestaltung der Qualitätsvorgaben treffen kann (§ 21a Abs. 6 Satz 2 Nr. 3 EnWG). Diese Verordnungsermächtigung wird durch die Anreizregulierungsverordnung (ARegV) ausgefüllt (vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.2014 - EnVR 59/12, RdE 2014, 495 Rz. 14 ff.).

Rz. 20

Gemäß § 18 ARegV dienen Qualitätsvorgaben der Sicherung eines langfristig angelegten, leistungsfähigen und zuverlässigen Betriebs von Energieversorgungsnetzen. Als Instrumente zur Gewährleistung der Qualitätsvorgabe werden in der Vorschrift Qualitätselemente nach § 19 und § 20 ARegV und die Berichtspflichten nach § 21 ARegV genannt. Das Qualitätselement ist Bestandteil der Regulierungsformel in Anlage 1 zu § 7 ARegV. Hierfür sieht § 19 Abs. 1 Satz 1 ARegV vor, dass auf die Erlösobergrenzen Zu- oder Abschläge vorgenommen werden können, wenn Netzbetreiber hinsichtlich der Netzzuverlässigkeit oder der Netzleistungsfähigkeit von Kennzahlenvorgaben abweichen. Die Kennzahlenvorgaben sind nach Maßgabe des § 20 ARegV unter Heranziehung der Daten von Netzbetreibern aus dem gesamten Bundesgebiet zu ermitteln und in Zu- und Abschläge umzusetzen (§ 19 Abs. 1 Satz 2 ARegV). Zulässige Kennzahlen für die Bewertung der Netzzuverlässigkeit, die in § 19 Abs. 3 ARegV definiert ist, sind gem. § 20 Abs. 1 Satz 1 ARegV insb. die Dauer der Unterbrechung der Energieversorgung, die Häufigkeit der Unterbrechung der Energieversorgung, die Menge der nicht gelieferten Energie und die Höhe der nicht gedeckten Last. Nach § 20 Abs. 1 Satz 2 ARegV ist eine Kombination und Gewichtung dieser Kennzahlen möglich. Für die ausgewählten Kennzahlen sind Kennzahlenwerte der einzelnen Netzbetreiber zu ermitteln (§ 20 Abs. 1 Satz 3 ARegV). Aus diesen Kennzahlenwerten sind nach § 20 Abs. 2 ARegV Kennzahlenvorgaben als gewichtete Durchschnittswerte zu ermitteln, wobei bei der Ermittlung der Kennzahlenvorgaben gebietsstrukturelle Unterschiede zu berücksichtigen sind, was durch Gruppenbildung erfolgen kann. Damit ist zugleich klargestellt, dass die Referenzwerte nicht von der individuellen Qualität des jeweiligen Netzbetreibers abhängen sollen. Schließlich bestimmt § 20 Abs. 3 ARegV, dass für die Gewichtung der Kennzahlen oder der Kennzahlenwerte sowie die Bewertung der Abweichungen in Geld zur Ermittlung der Zu- und Abschläge auf die Erlöse nach § 19 Abs. 1 ARegV (monetäre Bewertung) insb. die Bereitschaft der Kunden, für eine Änderung der Netzzuverlässigkeit niedrigere oder höhere Entgelte zu zahlen, als Maßstab herangezogen werden, analytische Methoden, insb. analytische Kostenmodelle, die dem Stand der Wissenschaft entsprechen müssen, oder eine Kombination von beiden Methoden verwendet werden können (vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.2014 - EnVR 59/12, RdE 2014, 495 Rz. 16).

Rz. 21

Erfolgt nach diesen Maßgaben eine Bestimmung des Qualitätselements, so hat die Regulierungsbehörde nach § 4 Abs. 5 ARegV von Amts wegen die Erlösobergrenze entsprechend anzupassen, wobei die Anpassung höchstens einmal jährlich zum 1. Januar des folgenden Kalenderjahres zulässig ist (vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.2014 - EnVR 59/12, RdE 2014, 495 Rz. 17).

Rz. 22

Nach § 19 Abs. 3 Satz 1 ARegV beschreibt die Netzzuverlässigkeit die Fähigkeit des Energieversorgers, Energie möglichst unterbrechungsfrei und unter Einhaltung der Produktqualität zu transportieren. Nach der Verordnungsbegründung liegt die Netzzuverlässigkeit bei 100 Prozent, wenn ein unterbrechungsfreier Transport von Energie unter Einhaltung der Produktqualität stattfindet (BR-Drucks. 417/07, 63). § 20 Abs. 1 ARegV nennt danach beispielhaft die schon erwähnten Kennzahlen für die Bewertung der Netzzuverlässigkeit. Die Kennzahlen sollen geplante und ungeplante Unterbrechungen berücksichtigen (BR-Drucks. 417/07, 64). Danach ist im Ausgangspunkt jegliche Versorgungsunterbrechung zu berücksichtigen, weil sie für die Verbraucher zu Unannehmlichkeiten führt und eine Verschlechterung der Versorgungsqualität bedeutet. Ziel einer Qualitätsregulierung nach § 18 ARegV ist es, eine Versorgungsunterbrechung unter den gegebenen Rahmenbedingungen nach Möglichkeit zu vermeiden und eine aufgetretene Störung so kurz wie möglich zu halten, also auf eine zeitnahe Wiederaufnahme der Energieversorgung hinzuwirken (vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.2014 - EnVR 59/12, RdE 2014, 495 Rz. 72 ff.).

Rz. 23

Die Bundesnetzagentur hat die erfassten Störungsanlässe im Grundsatz nicht auf solche beschränkt, die der Netzbetreiber schuldhaft i.S.d. § 276 Abs. 1 BGB verursacht hat, sondern alle Störfälle berücksichtigt, deren Verursachung oder deren Behebung in seiner Sphäre liegen. Ein Netzbetreiber kann Versorgungsunterbrechungen aufgrund des Verhaltens Dritter durchaus beeinflussen. Dies gilt sowohl in Bezug auf eine Vermeidung solcher Störungen etwa durch öffentliche Informationen, Schulungsmaßnahmen und sorgfältige Planauskünfte als auch in Bezug auf die möglichst zeitnahe Beseitigung einer gleichwohl eingetretenen Versorgungsunterbrechung. Eine Berücksichtigung nur des Störungsanlasses "Zuständigkeit des Netzbetreibers" wäre nicht ausreichend. Ganz im Gegenteil könnte eine solche Beschränkung sogar zu einer fehlerhaften Datengrundlage führen, weil eine Unterscheidung zwischen den Störungsanlässen "Einwirkungen Dritter" und "Zuständigkeit des Netzbetreibers" bereits bei der Erfassung zu Grenz- oder Konfliktfällen führen und Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen würde. Die Feststellung der tatsächlichen Verursachung einer Versorgungsunterbrechung könnte im Einzelfall Schwierigkeiten aufwerfen, wenn etwa ein Leitungsschaden zwar unmittelbar auf einem Baggerschaden beruht, dieser aber durch eine unsorgfältige Planauskunft des Netzbetreibers mitverursacht worden oder dies nicht auszuschließen ist. In einem solchen Fall wäre es im Rahmen der Qualitätsregulierung nicht sachgerecht, wenn diese Versorgungsunterbrechung unberücksichtigt bliebe, weil als Störungsanlass "Einwirkungen Dritter" benannt würden (vgl. BGH, Beschl. v. 22.7.2014 - EnVR 59/12, RdE 2014, 495 Rz. 75 f.).

Rz. 24

(2) Die mit der Klage geltend gemachten Einnahmeausfälle sind adäquat kausal auf die Eigentumsverletzung zurückzuführen.

Rz. 25

Nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts führte die von der Beklagten verursachte Versorgungsunterbrechung zur Herabsetzung der Erlösobergrenze der Klägerin durch die Bundesnetzagentur. Das Argument der Revision, eine Verminderung der Erlösobergrenze aufgrund von Versorgungsunterbrechungen, die von Dritten verursacht worden seien, könne nicht einem konkreten von mehreren Schadensereignissen, die zur Herabsetzung der Erlösobergrenze führten, zugeordnet werden, greift zu kurz. Sollte eine Zuordnung nicht möglich sein, würde dies der Haftung nicht entgegenstehen, da eine - jedenfalls gegebene - Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht (vgl. BGH, Urt. v. 19.12.2017 - VI ZR 577/16, VersR 2018, 314 Rz. 5 m.w.N.). Soweit eine Zuordnung möglich ist, können deren Auswirkungen ggf. anteilig bemessen werden (vgl. zur abgrenzbaren Teilkausalität BGH, Urt. v. 9.11.2017 - VII ZR 62/17, NJW 2018, 394 Rz. 9 ff.; Palandt/Grüneberg, BGB, 77. Aufl., Vorb. v. § 249 Rz. 34; Palandt/Sprau, BGB, 77. Aufl., § 830 Rz. 1 jeweils m.w.N.). Die Frage, wie sich das tatsächliche oder hypothetische Über- oder Unterschreiten von Kappungsgrenzen auswirken würde, bedarf im vorliegenden Zusammenhang keiner Klärung.

Rz. 26

(3) Entgegen der Auffassung der Revision ist der Zurechnungszusammenhang nicht durch die Beschlüsse der Bundesnetzagentur unterbrochen.

Rz. 27

(a) Die haftungsrechtliche Zurechnung wird nicht schlechthin dadurch ausgeschlossen, dass außer der in Rede stehenden Handlung noch weitere Ursachen zu dem eingetretenen Schaden beigetragen haben. Dies gilt auch dann, wenn der Schaden erst durch das (rechtmäßige oder rechtswidrige) Dazwischentreten eines Dritten verursacht wird. Der Zurechnungszusammenhang fehlt auch in derartigen Fällen nur, wenn die zweite Ursache den Geschehensablauf so verändert hat, dass der Schaden bei wertender Betrachtung nur noch in einem "äußerlichen", gleichsam "zufälligen" Zusammenhang zu der durch die erste Ursache geschaffenen Gefahrenlage steht. Wirken dagegen in dem Schaden die besonderen Gefahren fort, die durch die erste Ursache gesetzt wurden, kann der haftungsrechtliche Zurechnungszusammenhang nicht verneint werden (BGH, Urt. v. 17.12.2013 - VI ZR 211/12, BGHZ 199, 237 Rz. 55; BGH, Versäumnisurteil v. 22.9.2016 - VII ZR 14/16, BGHZ 211, 375 Rz. 15 jeweils m.w.N.).

Rz. 28

(b) Der Gewinnentgang der Klägerin steht auch unter Berücksichtigung der Beschlüsse der Bundesnetzagentur in dem notwendigen inneren Zusammenhang mit der Beschädigung des Stromkabels. Die Herabsetzung der Erlösobergrenze beruhte unmittelbar auf der verursachten Versorgungsunterbrechung. Sie erfolgte nicht nur zufällig aus Anlass der Eigentumsverletzung und war von der Klägerin nicht zu vermeiden (vgl. BGH, Versäumnisurteil v. 22.9.2016 - VII ZR 14/16, BGHZ 211, 375 Rz. 15: Haftung eines Zuschauers wegen Zündens eines Sprengkörpers bei einem Fußballspiel für dem Verein vom Sportgericht auferlegte Geldstrafe).

Rz. 29

(4) Die geltend gemachten Einnahmeausfälle sind auch vom Schutzzweck des § 823 Abs. 1 BGB umfasst.

Rz. 30

(a) Die Schadensersatzpflicht wird durch den Schutzzweck der Norm begrenzt. Eine Schadensersatzpflicht besteht nur, wenn die Tatfolgen, für die Ersatz begehrt wird, aus dem Bereich der Gefahren stammen, zu deren Abwendung die verletzte Norm erlassen wurde. Die Schadensersatzpflicht hängt zum einen davon ab, ob die verletzte Bestimmung überhaupt den Schutz Einzelner bezweckt und der Verletzte ggf. zu dem geschützten Personenkreis gehört. Zum anderen muss geprüft werden, ob die Bestimmung das verletzte Rechtsgut schützen soll. Darüber hinaus muss die Norm den Schutz des Rechtsguts gerade gegen die vorliegende Schädigungsart bezwecken; die geltend gemachte Rechtsgutsverletzung bzw. der geltend gemachte Schaden müssen also auch nach Art und Entstehungsweise unter den Schutzzweck der verletzten Norm fallen. Daran fehlt es in der Regel, wenn sich eine Gefahr realisiert hat, die dem allgemeinen Lebensrisiko und damit dem Risikobereich des Geschädigten zuzurechnen ist. Der Schädiger kann nicht für solche Verletzungen oder Schäden haftbar gemacht werden, die der Betroffene in seinem Leben auch sonst üblicherweise zu gewärtigen hat. Insoweit ist eine wertende Betrachtung geboten (vgl. BGH, Urt. v. 20.5.2014 - VI ZR 381/13, BGHZ 201, 263 Rz. 10 m.w.N.).

Rz. 31

(b) § 823 Abs. 1 BGB schützt die Unversehrtheit des Eigentums. Die Vorschrift will durch das Verbot, dieses Rechtsgut zu verletzen, und durch die Pflicht zur Wiedergutmachung, die an einen schuldhaften Verstoß gegen diese Bestimmung geknüpft ist, gegen alle Gefahren schützen, die sich bei einer Verletzung dieses Rechtsguts ergeben. Nur die Folgen dieser Verletzung der geschützten Rechtsgüter und Rechte werden dem Täter zugerechnet und nur in diesem Rahmen sind die Interessen des Geschädigten im Gesetz geschützt (BGH, Urt. v. 22.4.1958 - VI ZR 65/57, BGHZ 27, 137, 140 f.). Bei erwerbswirtschaftlichem, produktivem Einsatz einer Sache wird die Verkürzung ihres Nutzungswerts im Wesentlichen durch einen Gewinnentgang ausgewiesen, dessen Ersatz § 252 Satz 1 BGB ausdrücklich anordnet. Diese Vorschrift unterstreicht die schadensrechtliche Bedeutung, die der Gesetzgeber Ausfällen im erwerbswirtschaftlichen, vermögensmehrenden Einsatz von Wirtschaftsgütern beigemessen hat. § 252 BGB stellt in erster Linie klar, dass - in Abkehr von früheren Kodifikationen - das ganze, nicht nach Verschuldensformen abgestufte Vermögensinteresse dem Schadensausgleich zuzuführen ist; insoweit verwirklicht die Vorschrift den Grundsatz des vollen Schadensausgleichs, der sich aus § 249 BGB ergibt. In dieses Konzept ordnet sich § 252 Satz 2 BGB ein mit seinem auch von § 287 ZPO verfolgten Ziel, den Geschädigten wegen dieser oft schwer nachzuweisenden Schäden nicht nur auf einen Mindestersatz zu verweisen (BGH, Beschl. v. 9.7.1986 - GSZ 1/86, BGHZ 98, 212, 219).

Rz. 32

(5) Abweichendes ergibt sich nicht aus Regelungen des Energiewirtschaftsgesetzes und der Anreizregulierungsverordnung sowie Beschlüssen der Bundesnetzagentur.

Rz. 33

Ein ausdrücklicher Ausschluss oder eine ausdrückliche Beschränkung der Ersatzfähigkeit sind nicht ersichtlich. Solche Einschränkungen sind auch nicht nach Sinn und Zweck der Beschlüsse der Bundesnetzagentur und ihrer Rechtsgrundlagen geboten. Weder sollen Netzbetreibern entsprechende Nachteile zugewiesen noch sollen verantwortliche Dritte von der Ersatzpflicht freigestellt werden. Dem Anreizregulierungssystem liegt - wie oben ausgeführt (II.2.c.bb.) - nicht die Bewertung zugrunde, dass Netzbetreiber uneingeschränkt für Versorgungsunterbrechungen aufgrund des Verhaltens Dritter verantwortlich wären. Vielmehr basiert die Verantwortungszuweisung darauf, dass Netzbetreiber auch derartigen Störungen durch eigene Maßnahmen entgegenwirken können und dass eine Unterscheidung zwischen den Störungsanlässen "Einwirkungen Dritter" sowie "Zuständigkeit des Netzbetreibers" bereits bei der Erfassung zu Grenz- oder Konfliktfällen führen und Missbrauchsmöglichkeiten eröffnen würde.

Rz. 34

Weiter wird das Anreizregulierungssystem nicht dadurch unterlaufen, dass ein Netzbetreiber von einem für die Versorgungsunterbrechung verantwortlichen Dritten Ersatz des entgangenen Gewinns verlangen kann. Denn zu den Zeitpunkten, zu denen ein Netzbetreiber Maßnahmen zur Vermeidung solcher Störungen oder zu deren möglichst zeitnaher Beseitigung ergreifen kann, ist nicht absehbar, ob und ggf. in welchem Umfang sich ein Schadensersatzanspruch zukünftig durchsetzen lassen wird. Darüber hinaus begründet die Ersatzpflicht mittelbar für Dritte einen Anreiz, Versorgungsunterbrechungen zu vermeiden. Dieser Gesichtspunkt ist insb. dann von Bedeutung, wenn sich der Schadensersatzanspruch auf entgangenen Gewinn wegen Verschlechterung des Qualitätselements beschränkt.

Rz. 35

Schließlich müssen Ersatzansprüche nicht zur Gewährleistung der Erlösneutralität ausgeschlossen werden. Die Erlösneutralität besagt lediglich, dass sich die Zuschläge oder Abschläge auf die Erlösobergrenze über die Gesamtheit aller betroffenen Verteilernetzbetreiber möglichst ausgleichen sollen. Sie hat damit auch die Letztverbraucher im Blick, die in ihrer Gesamtheit durch die Anpassungen der Erlösobergrenzen weder be- noch entlastet werden sollen. Die Erlösneutralität schließt daher nach ihrem Zweck Schadensersatzansprüche gegen die für Versorgungsunterbrechungen verantwortlichen Dritten nicht aus.

Rz. 36

(6) Die Bestimmung der Schadenshöhe ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Rz. 37

(a) Sowohl § 287 ZPO wie § 252 BGB verlangen für die Schadensberechnung die schlüssige Darlegung von Ausgangs- bzw. Anknüpfungstatsachen. Sie sind die Grundlage, auf der das Ermessen bei einer Beweiswürdigung nach § 287 ZPO und die Wahrscheinlichkeitsprüfung nach § 252 Satz 2 BGB gründen. Für die Schadensberechnung benötigt der Richter als Ausgangssituation greifbare Tatsachen, da sich nur anhand eines bestimmten Sachverhalts sagen lässt, wie die Dinge sich weiterentwickelt hätten. Im Rahmen des § 287 Abs. 1 ZPO soll das Gericht die Schadenshöhe schätzen, wobei in Kauf genommen wird, dass das Ergebnis unter Umständen mit der Wirklichkeit nicht übereinstimmt. Diese Prognose kann zwar nur dann angestellt werden, wenn der Geschädigte konkrete Anknüpfungstatsachen darlegt und nachweist; an die Darlegung solcher Anknüpfungstatsachen dürfen jedoch keine zu hohen Anforderungen gestellt werden. Nur wenn mangels greifbarer Anhaltspunkte eine Grundlage für das Urteil nicht zu gewinnen ist und das richterliche Ermessen vollends in der Luft hängen würde, wenn also eine Schätzung nicht möglich ist, bleibt es bei der Regel, dass den Kläger die Beweislast für die klagebegründenden Tatsachen trifft und deren Nichterweislichkeit ihm schadet (BGH, Urt. v. 21.1.2016 - I ZR 90/14, WRP 2016, 1142 Rz. 26 m.w.N.).

Rz. 38

Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruches ist in erster Linie Sache des nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters. Sie ist revisionsrechtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Richter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Betracht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (BGH, Urt. v. 19.9.2017 - VI ZR 530/16, NJW 2018, 864 Rz. 12 m.w.N.).

Rz. 39

(b) Davon ausgehend zeigt die Revision keinen Rechtsfehler auf. Zwar weist sie im Ausgangspunkt zutreffend darauf hin, dass allein die Herabsetzung der Erlösobergrenze der Klägerin nicht zu einem Gewinnentgang führt und dass es auf die ohne den Schadensfall erzielten Netzentgelte ankommt. Dem hat das Berufungsgericht jedoch Rechnung getragen und ausgeführt, dass nach dem Vortrag der Klägerin ihre Kalkulation der Entgelte zum Erreichen der Erlösobergrenze führe und dass nach einer Zeugenvernehmung für die Jahre 2014 sowie 2015 sogar von einem Mehrerlös auszugehen sei. Diese Erwägungen sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Zudem beruht das System der Anreizregulierung auf der Prämisse, dass die Netzbetreiber ihre Erlösobergrenzen ausschöpfen wollen und können. Dem soll auch durch das Regulierungskonto Rechnung getragen werden (vgl. § 5 ARegV). Abweichendes ergibt sich nicht aus dem Hinweis der Revision auf die Verpflichtung des Netzbetreibers zur Absenkung der Netzentgelte nach Anpassung der Erlösobergrenze. Die weitergehende Beanstandung der Revision, es fehle jede konkrete Berechnung und konkrete Darlegung des entgangenen Gewinns, greift nicht durch. Insbesondere ist nicht erkennbar, welche "Berücksichtigung der entstandenen Kosten" erforderlich sein sollte, da lediglich die Entgeltstruktur betroffen ist und eine höhere Erlösobergrenze keinen zusätzlichen Aufwand verursachen würde.

Rz. 40

Das Berufungsgericht durfte von der von der Revision angemahnten genauen Neubestimmung des Referenzwerts absehen. Denn es hat unangegriffen festgestellt, dass sich bei Einbeziehung der streitgegenständlichen Versorgungsunterbrechung der Referenzwert nur unerheblich verändern würde. Das ist im Rahmen des § 287 ZPO nicht zu beanstanden.

Rz. 41

(7) Entgegen der Revision handelt es sich bei der Schadensersatzleistung der Beklagten für entgangenen Gewinn der Klägerin nicht um einen sonstigen Erlös i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 ARegV i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StromNEV.

Rz. 42

Das im Rahmen der festgesetzten Erlösobergrenzen eingenommene Entgelt stellt keinen sonstigen Erlös oder Ertrag i.S.v. § 6 Abs. 1 Satz 1 ARegV i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StromNEV dar, der "sachlich dem Netzbetrieb zuzurechnen" ist. Denn dieses Entgelt ist nicht Grundlage, sondern Ergebnis der kostenorientierten Entgeltbildung gem. §§ 21 Abs. 2, 21a Abs. 1 EnWG. An die Stelle solcher Entgelte tritt der Ersatz für entgangene Entgelte (vgl. demgegenüber zur Berücksichtigung überhöhter, rechtsgrundlos vereinnahmter Netzentgelte BGH, Beschl. v. 31.1.2012 - EnVR 16/10, RdE 2012, 203 Rz. 49 ff.; vom 30.3.2011 - KZR 69/10, RdE 2011, 260; vom 21.7.2009 - EnVR 12/08, RdE 2010, 29 Rz. 8; vom 14.8.2008 - KVR 39/07, RdE 2008, 323 Rz. 20 ff., 30; BVerfG [K], Beschl. v. 21.12.2009 - 1 BvR 2738/08, BVerfGK 16, 449). Eine (entsprechende) Anwendung von § 6 Abs. 1 Satz 1 ARegV i.V.m. § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StromNEV ist auch nicht zur Wahrung der Erlösneutralität geboten (s. oben II.2.g.).

Rz. 43

Es bedarf daher keiner Klärung, ob - wie die Revision meint - die Qualifizierung als sonstiger Erlös einem Anspruch der Klägerin entgegenstehen würde, oder - wie die Klägerin im Berufungsverfahren ausgeführt hat - dies im Rahmen der Schadensberechnung zu ihren Gunsten zu berücksichtigen wäre.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11837653

CR 2018, 812

IBR 2018, 506

JZ 2018, 616

MDR 2018, 1118

RdE 2018, 477

VersR 2018, 1067

ZNER 2018, 344

ER 2018, 217

IR 2018, 253

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge