Leitsatz (amtlich)

›Zur Auslegung der Vertragsklausel "Ansprüche wegen Produktionsausfall sowie entgangenem Gewinn werden nicht geltend gemacht", die zwischen einer Gemeinde und dem Lieferanten einer Wärmepumpe für das Hallenbad der Gemeinde vereinbart wurde.‹

 

Verfahrensgang

LG Mannheim

OLG Karlsruhe

 

Tatbestand

Die klagende Stadt (künftig: Klägerin) erteilte der Beklagten den Auftrag, zum Gesamtpreis von 211.068 DM (ohne Mehrwertsteuer) in ein Hallenbad eine Gas-Motorwärmepumpe zur Entfeuchtung der Hallenzuluft und Beheizung der einzelnen Wärmeabnehmer einzubauen. In dem (nur von Vertretern der Beklagten unterschriebenen) Bauvertrag vom 11. Dezember 1979/6. März 1980 wurde festgelegt, daß die Auftragsbestätigung der Beklagten vom 6. März 1980 "integrierender Bestandteil des (Angebotes) Auftrages" ist. Diese Auftragsbestätigung enthält unter "Vertragsgrundlagen" u.a. folgende Regelung:

"Gewährleistung

Unsere Gewährleistungsfrist beträgt 24 Monate, sie beginnt mit der Inbetriebnahme der von uns erbrachten Leistung, spätestens jedoch 6 Monate nach Lieferung, falls sich die Inbetriebsetzung aus Gründen verzögert, die wir nicht zu vertreten haben. Für instandgesetzte Teile endet die Gewährleistung mit dem gleichen Tag wie für die Gesamtanlage.

Haftung

Unsere Haftung und die unserer Erfüllungs- und Verrichtungsgehilfen - gleich aus welchem Rechtsgrund - beschränkt sich unter Ausschluß anderer Ansprüche auf dem Auftraggeber schuldhaft zugefügte Schäden; dem Grunde nach bis zu den Grenzen, innerhalb derer, die deutschen Versicherungsgesellschaften Deckung zu gewähren pflegen. Der Höhe nach haften wir bis zu 1 Million DM pauschal für jedes einzelne Schadensereignis. Ansprüche wegen Produktionsausfall und entgangenem Gewinn können in keinem Fall geltend gemacht werden."

Mit Schreiben vom 19. Juni 1980 schlug das von der Klägerin beauftragte Ingenieurbüro der Klägerin vor, der Gewährleistungsregelung in der Auftragsbestätigung der Beklagten zu widersprechen und den Beginn der Gewährleistung erst nach mängelfreier und funktionsfähiger Übergabe und Abnahme der Anlage zu vereinbaren. Zwischen Vertretern der Parteien fand daraufhin am 24. Februar 1981 eine Besprechung statt, deren wesentlichen Inhalt die Beklagte mit Schreiben vom gleichen Tag wie folgt bestätigte:

"2.) Die Konditionen der VOB werden von uns anerkannt mit Ausnahme folgender Punkte:

a) Haftung und sonstige Schadensersatzansprüche §§ 4/10/13 VOB/B

- Die Haftung für den Auftraggeber schuldhaft zugefügte Schäden wird mit 1 Mio DM je Schadensereignis begrenzt. -

- Ansprüche wegen Produktionsausfall sowie entgangenem Gewinn werden nicht geltend gemacht.

b) Die Gewährleistungsfrist beträgt wie vereinbart 24 Monate.

Der Passus § 13 VOB/B, nach der während der Gewährleistungszeit auftretende Mängel ein Neuanlaufen der Gewährleistungsfrist nach sich zieht, entfällt."

Auf diese Bestätigung antwortete die Klägerin mit Schreiben vom 3. April 1981 u.a.,

"dem Abs. 2 a) wird ... zugestimmt, der Abs. 2 b) "Gewährleistung" muß wie in der Ausschreibung beinhaltet entsprechend § 13 VOB Teil B bestehen bleiben. Ihr Vorschlag bezüglich Abs. 2 b) wird hiermit zurückgewiesen."

Die von der Beklagten eingebaute Wärmepumpe wurde von der Klägerin am 2. März 1982 abgenommen. In einem Abnahmeprotokoll wurden mehrere Mängel der Pumpe aufgeführt und Termine für die Mängelbeseitigung festgelegt. Außerdem wurde vereinbart, daß die Gewährleistung "nach Mängelbehebung" beginnt und "laut Vertrag bzw. gemäß Vereinbarung nach Ablauf von 2 Jahren" endet.

In der Folgezeit traten an der Pumpe dreimal - zuletzt am 14. April 1984 - Kupplungsschäden auf. Nach Einleitung eines von der Klägerin, wie sie behauptet, am 5. Oktober 1984 beantragten Beweissicherungsverfahrens beseitigte die Beklagte die Mängel an der Wärmepumpe. Die Reparaturarbeiten wurden am 10. März 1986 von der Klägerin abgenommen.

Während des Ausfalls der Wärmepumpe mußte die Klägerin das Hallenbad ausschließlich mit zwei Gas-Heizkesseln beheizen. Den hierfür notwendigen Gasmehrverbrauch berechnete sie mit rund 100.000 DM, während dieser Zeit ersparte Aufwendungen für die Wärmepumpe mit rund 30.000 DM. Die ihr entstandenen Mehrkosten in Höhe von 70.000 DM sowie die Kosten des Beweissicherungsverfahrens in Höhe von 3.660,12 DM, insgesamt also 73.660,12 DM nebst Zinsen, verlangt sie von der Beklagten. Diese wendet ein, Ansprüche der Klägerin "wegen Produktionsausfall sowie entgangenem Gewinn" seien vertraglich ausgeschlossen, der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch falle unter diese Regelung. Weiter erhebt sie die Einrede der Verjährung.

Landgericht und - mit Teil- und Schlußurteil - Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Mit den - angenommenen - miteinander verbundenen Revisionen, die die Beklagte zurückzuweisen bittet, verfolgt die Klägerin den Klageanspruch weiter.

 

Entscheidungsgründe

Das Berufungsgericht nimmt an, der von der Klägerin begehrte Schadensersatz sei durch die zwischen den Parteien vereinbarte Regelung, wonach die Klägerin Ansprüche wegen entgangenem Gewinn nicht geltend machen könne, abbedungen worden. Zu entgangenem Gewinn gehörten die der Klägerin durch die zeitweise Unbenutzbarkeit der von der Beklagten gelieferten Anlage entstandenen Mehrkosten, zumal entgangener Gewinn auch in sonstigen Nachteilen liegen könne, die sich aus der ganzen oder teilweisen Unbenutzbarkeit des Werkes ergäben. Der von den Parteien getroffenen Regelung könne nicht die Bedeutung beigemessen werden, daß nur ein von der Klägerin durch den Schwimmbadbetrieb möglicherweise zu erzielender Gewinn gemeint sein solle. Es sei allgemein bekannt, daß die von den Kommunen im Rahmen der Daseinsvorsorge betriebenen Schwimmbäder Zuschußbetriebe seien.

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg.

1. Aufgrund des geführten Schriftwechsels wurde zwischen den Parteien wirksam vereinbart, daß die Klägerin im Zusammenhang mit der von der Beklagten für das Hallenbad gelieferten Wärmepumpe "Ansprüche wegen Produktionsausfall sowie entgangenem Gewinn" nicht geltend machen kann. Das von der Klägerin betriebene Hallenbad ist kein Produktionsbetrieb; ein Produktionsausfall im Sinne der getroffenen Regelung ist daher nicht möglich. Ebensowenig wird der Klägerin bei eingeschränktem oder stillgelegtem Betrieb des Hallenbades echter Gewinn entgehen können. Das Berufungsgericht weist mit Recht darauf hin, daß kommunale Schwimmbäder in der Regel Zuschußbetriebe darstellen und nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet sind.

Der von den Parteien vereinbarte Ausschluß von Schadensersatzansprüchen, der offenbar Allgemeinen Geschäfts- oder Lieferbedingungen entnommen wurde, kann deshalb nur dann von Bedeutung sein, wenn eine Wärmepumpe für einen Produktionsbetrieb geliefert wurde und durch Mängel der Pumpe die Produktion zum Stillstand kommt, der Fehler der Anlage also zu Produktionsausfall und entgangenem Gewinn führt. Für Ansprüche einer Gemeinde, die sich nach dem Einbau einer mangelhaften Wärmepumpe in ein von ihr betriebenes Hallenbad ergeben können, paßt eine solche Vertragsklausel jedoch nicht. Insbesondere läßt sich ihr Regelungsgehalt nicht ohne weiteres auf Schadensersatzansprüche übertragen, die der Gemeinde wegen etwaiger Mängel der Pumpe bei Weiterbetrieb des Hallenbades gegebenenfalls zustehen. Werden Ersatzansprüche - wie hier von der Klägerin - geltend gemacht, ist die vereinbarte Klausel daher nach Sinn und Zweck ihres Inhalts sowie unter Berücksichtigung der besonderen Verhältnisse der Gemeinde entsprechend auszulegen.

2. Diese Auslegung hat das Berufungsgericht vorgenommen; ihr kann jedoch nicht zugestimmt werden, weil sie nicht im Einklang mit den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB steht.

a) Entgangener Gewinn ist ein mittelbarer Schaden, der vom Schädiger gemäß §§ 249 Satz 1, 252 Satz 1 BGB zu ersetzen ist. Er umfaßt alle Vermögensvorteile, die dem Geschädigten im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses zwar noch nicht zustanden, ohne dieses Ereignis aber angefallen wären (herrschende Meinung, vgl. Grunsky in MünchKomm, BGB, 2. Aufl., § 252 Rdn. 3; Palandt/Heinrichs, BGB, 48. Aufl., § 252 Anm. 1 a). Entgangener Gewinn ist daher stets anzunehmen, wenn der Geschädigte z.B. infolge Verletzung seiner Gesundheit oder Beeinträchtigung seines Eigentums seine Arbeitskraft oder etwaige Produktionsmittel nicht gewinnbringend nutzen kann. Ein Gewinnentgang kann somit nur dann bejaht werden, wenn der Geschädigte durch das schädigende Ereignis einen Ausfall bei der Verwertung seiner Arbeitskraft oder beim Einsatz seiner Produktionsmittel erleidet, insbesondere der Nutzungswert einer erwerbswirtschaftlich eingesetzten Sache verkürzt wird (vgl. BGHZ 98, 212, 219; Grunsky aaO).

b) Ein solcher "Produktionsausfall" auf seiten der Klägerin liegt im Streitfall nicht vor. Ob der Klägerin ein etwaiger Gewinn entgangen wäre, wenn sie wegen der Störung der Wärmepumpe das Hallenbad für gewisse Zeit hätte schließen müssen, also (die ohnehin nicht kostendeckenden) Eintrittspreise nicht hätte erheben können, kann dahingestellt bleiben. Da sie das Hallenbad auch ohne einsatzbereite Wärmepumpe ständig geöffnet hielt, ist der Betrieb des Bades nicht "ausgefallen". Der Nutzungswert des Hallenbades stand der Klägerin vielmehr weiterhin uneingeschränkt zur Verfügung. Auch waren die mit dem Betrieb des Bades verbundenen "Vorteile", den Gemeindebürgern ein Hallenbad zur Verfügung stellen zu können, weiter gegeben. Der während des Ausfalls der Wärmepumpe durch den Einsatz von zwei Heizungskesseln bedingte Gasmehrverbrauch der Klägerin ist somit kein entgangener Gewinn. Die dadurch entstandenen Kosten stellen vielmehr einen auf einem Mangel der Wärmepumpe beruhenden Folgeschaden dar, den die Klägerin bei Nutzung ihrer Einrichtung aufgrund des fehlerhaften Werkes der Beklagten erlitten hat.

c) Bei der Auslegung des Begriffs "entgangener Gewinn" in der zwischen den Parteien vereinbarten Regelung hat das Berufungsgericht zwar erwähnt, gleichwohl aber nicht genügend berücksichtigt, daß der im Streitfall maßgebliche Betrieb eines Hallenbades gar nicht mit Gewinn verbunden ist. Auch hat es nicht beachtet, daß der Wortlaut der Vereinbarung für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch nicht paßt. Schließlich hat es verkannt, daß der Ausfall einer Wärmepumpe in einem Hallenbad zu Mehraufwendungen an Heizenergie führt, ein entgangener Gewinn somit nicht angenommen werden kann. Die Auslegung durch das Berufungsgericht läßt daher wesentlichen Auslegungsstoff außer Betracht und verstößt gegen Auslegungsgrundsätze und Erfahrungssätze (§§ 133, 157 BGB); ihr kann nicht gefolgt werden.

3. Die Berufungsurteile, die auf einer fehlerhaften Auslegung der zwischen den Parteien getroffenen Vereinbarung beruhen, können nach alledem nicht bestehen bleiben; sie sind in dem aus dem Urteilsspruch ersichtlichen Umfang aufzuheben. Das Berufungsgericht hat über die Verantwortlichkeit der Beklagten für den Schaden und die Höhe des von der Klägerin geltend gemachten Schadensersatzanspruchs keine Feststellungen getroffen. Der Senat, der die Vertragsklausel selbst auslegen kann (vgl. Senatsurteil BGHZ 65, 107, 112 m.w.N.), ist daher nicht in der Lage, gemäß § 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO abschließend zu entscheiden. Die Sache ist vielmehr insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

a) Dabei wird das Berufungsgericht zu beachten haben, daß ein etwaiger Anspruch der Klägerin auf Ersatz der ihr entstandenen Mehrkosten nicht verjährt ist. Zwar hat sie die Wärmepumpe bereits am 2. März 1982 abgenommen. In dem Abnahmeprotokoll wurde jedoch ausdrücklich niedergelegt, daß die vereinbarte zweijährige Gewährleistungsfrist erst nach Mängelbehebung beginnt. Die bei der Abnahme festgestellten Mängel waren - wie aus einem Schreiben der Beklagten vom 15. September 1982 hervorgeht - Mitte September 1982 noch nicht endgültig behoben. Die Zweijahresfrist begann daher frühestens ab Ende September 1982 zu laufen.

Aufgrund der von der Klägerin behaupteten, von der Beklagten nicht im einzelnen bestrittenen Schadensbehebungen durch die Beklagte in den Jahren 1983 und 1984 wurde die Frist gemäß § 639 Abs. 2 BGB wiederholt gehemmt. Als die Klägerin am 5. oder - wie die Beklagte behauptet - am 8. Oktober 1984 die Einleitung eines Beweissicherungsverfahrens beantragte, war sie daher noch nicht abgelaufen. Da der in diesem Verfahren tätig gewordene Sachverständige im Mai 1985 sein Gutachten erstattete, wurde die Verjährung gemäß §§ 639 Abs. 1, 477 Abs. 2 BGB bis zu diesem Zeitpunkt unterbrochen. Die von da an neu laufende Zweijahresfrist (§ 217 BGB) war somit zur Zeit der Klageerhebung (17. November 1986) noch nicht abgelaufen.

b) Soweit die Beklagte sich auch in der Revisionserwiderung darauf beruft, sie treffe kein Verschulden, hat dafür die Darlegungs- und Beweislast sie (st. Rspr., vgl. etwa Senatsurteil NJW 1983, 1731, 1732 m.N.).

c) Dagegen kann die Klägerin die Kosten des Beweissicherungsverfahrens - wie das Berufungsgericht mit Recht annimmt - nicht gesondert geltend machen. Diese Kosten, die im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens angefallen sind, gehören zu den Kosten des vorliegenden Hauptsacheverfahrens, das zwischen denselben Parteien wie das Beweissicherungsverfahren stattfindet. Sie werden daher von der noch zu treffenden Kostenentscheidung mitumfaßt (BGHZ 20, 4, 15; BGH NJW 1983, 284; Senatsurteil vom 20. Dezember 1984 - VII ZR 13/83 = BauR 1985, 232, 233 = ZfBR 1985, 119, 120; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 47. Aufl., § 91 Anm. 3 B f, Anm. 5 Beweissicherung A; Ingenstau/Korbion, VOB, 11. Aufl., B § 18 Rdn. 96 m.w.N.; Werner/Pastor, Der Bauprozeß, 5. Aufl., Rdn. 99 f; Kaiser, Das Mängelhaftungsrecht in Baupraxis und Bauprozeß, 6. Aufl., Rdn. 117). Insoweit hat es bei der Abweisung der Klage zu verbleiben.

 

Fundstellen

Haufe-Index 2992987

BB 1989, 1934

DB 1989, 2603

BGHR BGB § 252 Gewinnentgang 1

BauR 1989, 601

DRsp I(138)565a

NJW-RR 1989, 980

WM 1989, 1434

MDR 1989, 985

ZfBR 1989, 200

ZfBR 1990, 232

ZfBR 1991, 21

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