Leitsatz (amtlich)

Die Ersatzfähigkeit eines Rückstufungsschadens in der Kfz-Kaskoversicherung kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil des Geschädigten eingetreten sei, denn der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt - unabhängig von der Regulierungshöhe - allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden.

Kommt es hierzu durch ein Ereignis, das teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen (Bestätigung des Senatsurteils v. 18.1.1966 - VI ZR 147/64, BGHZ 44, 382, 387).

 

Normenkette

BGB § 249

 

Verfahrensgang

LG Heilbronn (Urteil vom 14.11.2016; Aktenzeichen 5 S 49/15 (II))

AG Heilbronn (Entscheidung vom 04.12.2015; Aktenzeichen 14 C 3760/14)

 

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil der 5. Zivilkammer des LG Heilbronn vom 14.11.2016 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das vorbezeichnete Gericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

Rz. 1

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall vom 17.4.2014 geltend, wobei Gegenstand des Revisionsverfahrens nur noch das Feststellungsbegehren bezüglich des Rückstufungsschadens in ihrer Vollkaskoversicherung ist. Die Beklagte zu 2) regulierte als Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Pkw der Beklagten zu 1) den von der Klägerin geltend gemachten Sachschaden von insgesamt 10.408,52 EUR außergerichtlich auf der Basis einer 75-prozentigen Haftung ohne Anerkennung einer Rechtspflicht und unter Vorbehalt der Rückforderung. Nach der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung wegen des verbleibenden Schadens hat die Klägerin die Feststellung begehrt, dass die Beklagten verpflichtet sind, ihr den Schaden zu ersetzen, der ihr aufgrund der Inanspruchnahme ihrer Vollkaskoversicherung im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Schadensereignis und der damit verbundenen Prämienerhöhung im Versicherungsbeitrag entstanden ist oder noch entstehen wird. Das AG hat die Klage abgewiesen. Die hiergegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht zurückgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Feststellungsbegehren weiter.

 

Entscheidungsgründe

I.

Rz. 2

Das Berufungsgericht ist der Auffassung, dass die Klägerin von den Beklagten nicht den Ersatz des ihr entstandenen oder noch entstehenden Rückstufungsschadens verlangen könne. Es sei zwar zutreffend, dass der Rückstufungsschaden der Klägerin in ihrer Vollkaskoversicherung letztlich adäquat kausale Folge des Verkehrsverstoßes der Beklagten zu 1) sei, nachdem insoweit für die Bejahung der Kausalität Mitursächlichkeit ausreichend sei. Jedoch begründe dies für sich genommen noch keine anteilige Ersatzpflicht der Beklagten an einem Rückstufungsschaden der Klägerin. Gemäß § 17 Abs. 1 StVG hänge die Verpflichtung zum Ersatz des Schadens insb. davon ab, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder dem anderen Teil verursacht worden sei. Führe dies zu dem Ergebnis, dass der entstandene primäre Sachschaden vom Unfallgegner nur quotal zu übernehmen sei, habe der Geschädigte seinerseits den sich hieraus ergebenden quotalen Eigenanteil zu tragen. Nehme er nach Regulierung des Haftungsanteils des Unfallgegners dann ausschließlich in diesem Rahmen seine Vollkaskoversicherung in Anspruch, um nicht auf einem Teil seines Schadens "sitzen zu bleiben", so beträfen die damit für den Geschädigten einhergehenden Kosten und finanziellen Belastungen wie Selbstbeteiligung und Rückstufungsschaden gerade nicht den Haftungsbereich des Unfallgegners, weshalb von diesem insoweit auch keine quotale Beteiligung gefordert werden könne. Ansonsten liefe dies im Ergebnis darauf hinaus, dass sich der Unfallgegner über seinen Haftungsanteil hinaus am eigenen Haftungsanteil des Geschädigten beteiligen müsse.

II.

Rz. 3

Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin in Höhe der Haftungsquote der Beklagten anteiligen Ersatz des Rückstufungsschadens in ihrer Vollkaskoversicherung verlangen.

Rz. 4

1. Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist die Rückstufung in der Vollkaskoversicherung für den Geschädigten eine Folge seines unfallbedingten Fahrzeugschadens (vgl. BGH, Urt. v. 18.1.1966 - VI ZR 147/64, BGHZ 44, 382, 387; v. 25.4.2006 - VI ZR 36/05, VersR 2006, 1139; v. 26.9.2006 - VI ZR 247/05, VersR 2007, 81 Rz. 8; ebenso BGH, Urt. v. 14.6.1976 - III ZR 35/74, VersR 1976, 1066, 1067, insoweit in BGHZ 66, 398 nicht abgedruckt; BVerwGE 95, 98, 102 f.; vgl. zur Gebäudekaskoversicherung BGH, Urt. v. 18.1.2005 - VI ZR 73/04, VersR 2005, 558, 559). Dies zieht das Berufungsgericht im Grundsatz nicht in Zweifel.

Rz. 5

2. Die Frage, ob der Schädiger auch bei nur anteiliger Schadensverursachung für den Rückstufungsschaden haftet, hat der erkennende Senat mit Urteilen vom 25.4.2006 (VI ZR 36/05, a.a.O.) und vom 26.9.2006 (VI ZR 247/05, a.a.O.) bereits bejaht. Wie der erkennende Senat in diesen Urteilen näher ausgeführt hat, gilt dieser Grundsatz auch dann, wenn der Rückstufungsschaden (auch) infolge der Regulierung des vom Geschädigten selbst zu tragenden Schadensanteils eintritt. Das folgt aus dem Grundsatz, dass eine Mitursächlichkeit einer Alleinursächlichkeit in vollem Umfang gleichsteht (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.2006 - VI ZR 247/05, a.a.O.; v. 25.4.2006 - VI ZR 36/05, a.a.O., Rz. 10; v. 19.4.2005 - VI ZR 175/04, VersR 2005, 945, 946; v. 20.11.2001 - VI ZR 77/00, VersR 2002, 200, 201; v. 27.6.2000 - VI ZR 201/99, VersR 2000, 1282, 1283; v. 26.1.1999 - VI ZR 374/97, VersR 1999, 862).

Rz. 6

3. Soweit das Berufungsgericht meint, der vorliegende Fall sei deshalb anders zu beurteilen, weil im Gegensatz zu den vom Senat bereits entschiedenen Fällen die Klägerin ihre Vollkaskoversicherung erst nach der Regulierung des Haftpflichtversicherers ihrer Unfallgegnerin "nur" hinsichtlich des von ihr selbst zu tragenden Schadensteils und damit nicht "auch" in Anspruch genommen habe, ist dem nicht zu folgen.

Rz. 7

Für die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens ist es unerheblich, ob der Geschädigte die Regulierung des Haftpflichtversicherers seines Unfallgegners für dessen Haftungsanteil abwartet und sich erst dann an seinen Kaskoversicherer wendet oder ob er dies sogleich hinsichtlich des Gesamtschadens tut und danach der Schaden quotenmäßig ausgeglichen wird. In beiden Fällen tritt der Rückstufungsschaden ein mit der Folge, dass in derartigen Fällen der Rückstufungsschaden vom Schädiger unabhängig von dessen Regulierungsverhalten regelmäßig anteilig zu ersetzen ist (vgl. BGH, Urt. v. 26.9.2006 - VI ZR 247/05, a.a.O., Rz. 10 m.w.N.). Die Ersatzfähigkeit des Rückstufungsschadens kann nicht mit der Begründung verneint werden, dass dieser nur im Hinblick auf den eigenen Haftungsanteil der Klägerin eingetreten sei. Der Nachteil der effektiven Prämienerhöhung tritt allein dadurch ein, dass Versicherungsleistungen in der Kaskoversicherung in Anspruch genommen werden. Kommt es hierzu durch ein Ereignis, das teils vom Schädiger, teils vom Versicherungsnehmer zu vertreten ist, so ist der Schaden wie jeder andere nach den hierfür geltenden Regeln zu teilen (Senat, Urt. v. 18.1.1966 - VI ZR 147/64, a.a.O., juris Rz. 16).

Rz. 8

Im Gegensatz zur Erstattungsfähigkeit vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten des Geschädigten für die Inanspruchnahme seiner Kfz-Kaskoversicherung nur im Hinblick auf den ihm selbst verbleibenden Schadensteil (vgl. BGH, Urt. v. 11.7.2017 - VI ZR 90/17, NJW 2017, 3527) ist beim Kasko-Rückstufungsschaden keine Abgrenzung über die Zurechnung vorzunehmen. Denn der unfallbedingte Rückstufungsschaden tritt nach den Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB) insgesamt abhängig vom Schadensfall und unabhängig von der Regulierungshöhe ein.

Rz. 9

4. Soweit das Berufungsgericht gegen das Ergebnis Bedenken äußert, weil der Unfallgegner per Saldo höhere Kosten zu tragen habe, wenn der Geschädigte über Vollkaskoschutz verfüge und diesen in Anspruch nehme, ist ein entsprechendes Ergebnis - anders als das Berufungsgericht meint - dem Schadensrecht nicht fremd. Es liegt vielmehr darin begründet, dass der Schädiger den Geschädigten schadensrechtlich so hinnehmen muss, wie er ihn trifft. Schließlich vermag auch der Umstand, dass dem Rückstufungsschaden als Vorteil Versicherungsleistungen gegenüberstehen, kein anderes Ergebnis zu rechtfertigen, denn die entsprechenden Versicherungsleistungen sind durch Prämien erkauft und dienen nicht dazu, den Schädiger zu entlasten.

Rz. 10

5. Nach alledem war das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat kann in der Sache nicht selbst entscheiden, weil die Beklagten für den Rückstufungsschaden nur anteilig haften und sich das Berufungsgericht - aus seiner Sicht folgerichtig - mit der Haftungsquote nicht auseinandergesetzt hat. Deren Höhe ist auch Voraussetzung dafür, ob den Beklagten ein Rückforderungsanspruch zusteht, mit dem sie - wie von der Revisionserwiderung geltend gemacht - in der Berufungsinstanz die Aufrechnung erklärt haben. Des Weiteren wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, sich mit dem Vorbringen im Zusammenhang mit der Gegenrüge der Revisionserwiderung zu befassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 11530539

NJW 2018, 1598

NJW 2018, 8

JurBüro 2018, 277

DAR 2018, 197

DAR 2018, 307

JZ 2018, 244

MDR 2018, 337

NZV 2018, 188

VersR 2018, 314

RÜ 2018, 219

VK 2018, 110

VK 2018, 39

VK 2018, 72

VRA 2018, 61

VRR 2018, 2

VRR 2018, 7

r+s 2018, 159

FMP 2018, 73

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