Gesetzestext

 

Die Verfassung eines rechtsfähigen Vereins wird, soweit sie nicht auf den nachfolgenden Vorschriften beruht, durch die Vereinssatzung bestimmt.

A. Verfassung.

 

Rn 1

Als rechtliche Grundordnung des Vereins enthält die Verfassung die Grundentscheidungen, die das Vereinsleben bestimmen, insbes die Mindesterfordernisse und den Sollinhalt der Satzung nach §§ 57, 58. Rechtsgrundlagen der Verfassung sind die zwingenden vereinsrechtlichen Vorschriften, die nicht nach § 40 zur Disposition der Satzung stehen. Zwingend sind auch § 26 I 1 u § 39 sowie der ungeschriebene Gleichbehandlungsgrundsatz (dazu Schöpflin ZStV 14, 166). Auf der zweiten Stufe der vereinsrechtlichen Normenpyramide folgt die Satzung, auf der dritten das dispositive Vereinsrecht des BGB, das eingreift, soweit es an einer Satzungsregelung fehlt. Die Satzung kann nicht auf den jeweils geltenden Inhalt einer anderen Vereinssatzung (zB des übergeordneten Verbandes) verweisen (BGH NJW 95, 583, 585 [BGH 28.11.1994 - II ZR 11/94] – dynamische Verweisung), da dieses der Vereinsautonomie widerspräche. Zulässig ist nur die statische Verweisung auf eine bestimmte Fassung einer anderen Verbandssatzung.

B. Satzung.

I. Begriff.

 

Rn 2

Die Satzung ist der privatautonom von den Gründern festgelegte Teil der Vereinsverfassung. Aufgrund § 59 II Nr 1 besteht für den eV faktisch Schriftformzwang. Satzung im formellen Sinne ist die Satzungsurkunde mit den in ihr enthaltenen Regelungen. Materielles Satzungsrecht sind die das Vereinsleben betreffenden Grundentscheidungen, die nicht nur in der Satzungsurkunde, sondern auch in Nebenordnungen (zB Schiedsordnungen, Wettkampfordnungen) enthalten sein oder sich aus Vereinsbeschlüssen ergeben können. Der Mindest- und Sollinhalt der Satzung folgt aus §§ 57, 58. Die das Vereinsleben bestimmenden Grundentscheidungen sind in die Satzung aufzunehmen (BGHZ 105, 306, 313).

II. Mängel.

 

Rn 3

Inhaltliche Mängel der Satzung nach §§ 134, 138 führen zur Nichtigkeit der betroffenen Satzungsteile. § 139 ist unanwendbar (BGHZ 47, 172, 180; Stuttg NZG 01, 753, 754). Die Satzung bleibt also iÜ bestehen, statt der nichtigen Satzungsbestimmungen gilt dispositives Gesetzesrecht (KG Rpfleger 07, 82, 83 [KG Berlin 12.09.2006 - 1 W 428/05]). Lassen sich die verbleibenden Satzungsbestimmungen allerdings nicht zu einer praktikablen Vereinsordnung ergänzen, ist Gesamtnichtigkeit anzunehmen. Das gilt auch, wenn der Vereinszweck gesetzes- oder sittenwidrig ist, zB bei Verstoß gegen § 7 RDG durch unentgeltliche studentische Rechtsberatung (Brandenbg MDR 14, 1400). Bei Gesamtnichtigkeit gelten die Regeln über die fehlerhafte Gesellschaft (s MüKo/Schäfer § 705 Rz 333 ff), dh die Gründungsmängel führen nur ex nunc zur Auflösung der Vereinigung. Vorbehaltlich schutzwürdiger Interessen ist der fehlerhaft gegründete Verein wirksam bis der Gründungsmangel geltend gemacht wird (§ 21 Rn 13).

III. Rechtsnatur.

 

Rn 4

Die Vertragstheorie sieht die Satzung als Organisationsvertrag, der die Organe des Vereins näher regelt, und als einen schuldrechtlichen Vertrag, soweit zB die Mitglieder zu Beiträgen verpflichtet werden (Soergel/Hadding Rz 1 ff). Nach der modifizierten Normentheorie verobjektiviert sich die Satzung nach ihrer Feststellung und wird zur objektiven Vereinsnorm (BGHZ 105, 306; Reichert/Wagner Kap 2 [7. Aufl] Rz 367 f). Nach der zutr Normentheorie ist die Gründung des Vereins ein schöpferischer sozialer Gesamtakt, der objektives Recht setzt, das für die Mitglieder vom Erwerb ihrer Mitgliedschaft an gilt (MüKoBGB/Reuter 6. Aufl. Rz 16 ff), da die Satzung eine körperschaftliche Ordnung für einen unbestimmten Personenkreis schafft. Praktische Bedeutung hat die Rechtsnatur zB bei der Frage der Anwendung des § 139. Als Vereinsverfassung wirkt die Satzung für und gegen die Mitglieder, für Dritte nur, wenn diese die Satzung einzelvertraglich anerkennen, zB anlässlich der Benutzung von Vereinseinrichtungen. Dritte haben keinen Anspruch auf die satzungsgemäßen Unterstützungsleistungen eines gemeinnützigen Vereins (Koblenz MDR 08, 267 – Weißer Ring).

IV. Auslegung.

 

Rn 5

Aus der Normentheorie folgt, dass Gründerwille und -interessen nach der Gründung hinter der entstandenen Organisation zurücktreten. Daher sind Satzungen (und sonstige verbandsrechtliche Regelungen, denen sich ein Nichtmitglied unterwirft, zB Nominierungsrichtlinien im Sport, BGH NZG 15, 1282 Rz 24) objektiv und einheitlich auszulegen, also ohne die Berücksichtigung subjektiver Umstände außerhalb der Urkunde. Diese dürfen nur herangezogen werden, wenn sie den Betroffenen bekannt oder erkennbar sind (BGHZ 63, 282, 290; BayObLG FGPrax 01, 30). Eine Vereinsübung kann dann zur Auslegung herangezogen werden (Frankf WM 85, 1466, 1468). Die teleologische Satzungsauslegung muss den Vereinszweck und die Mitgliederinteressen berücksichtigen (BGHZ 47, 172, 180).

V. Neben-, Geschäftsordnungen, Vereinsgewohnheitsrecht.

 

Rn 6

Kraft der Vereinsautonomie kann der Verein auch außerhalb der Satzung verbindliche Regeln setzen. Derartige Nebenordnungen wie Wettkampf-, Benutzungs- oder Schiedsordnungen, gestalten die Satzung nur näher aus und bedürfen einer satzungsmäßigen ...

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