Rn 11

Der Erblasser ist bis zum Beweis des Gegenteils als testierfähig anzusehen (Celle ErbR 18, 269). Dies gilt auch, wenn Betreuung (§ 1896) bestand (Frankf FamRZ 96, 635) oder früher Gebrechlichkeitspflegschaft (§ 1910 aF; BayObLG FamRZ 88, 1099). Der Ausnahmefall der Testierunfähigkeit muss für das Gericht ggf feststehen. Eine mathematische, jede Möglichkeit des Gegenteils ausschließende Gewissheit ist aber nicht erforderlich (BayObLG FGPrax 04, 293 [BayObLG 04.08.2004 - 1 Z BR 44/04]).

 

Rn 12

Hat das Nachlassgericht im Erbscheinverfahren aufgrund konkreter Umstände und dargelegter Auffälligkeiten Zweifel, dann sind dieselben vor Erteilung (oder Einziehung) vAw (§ 2358) zu klären. Der dazu erforderliche Umfang der Ermittlungen richtet sich nach dem Einzelfall (Köln NJW-RR 91, 1412 [OLG Köln 26.08.1991 - 2 Wx 10/91]; 94, 396 [OLG Köln 20.12.1993 - 2 Wx 36/93]), doch ist sorgfältige Untersuchung geboten (Frankf NJW-RR 98, 870 [OLG Frankfurt am Main 22.12.1997 - 20 W 264/95]). Dabei sind die konkreten auffälligen Verhaltensweisen des Erblassers zu ermitteln, der medizinische Befund zu klären und anschließend Rückschlüsse auf die Testierfähigkeit zu ziehen (Hamm OLGZ 89, 273; Frankf NJW-RR 96, 1159 [OLG Frankfurt am Main 15.11.1995 - 20 W 144/94]). Weitere Zweifel an der Testierfähigkeit sind regelmäßig durch ein Gutachten eines psychiatrischen oder neurologischen Sachverständigen aufgrund der ermittelten Tatsachen zu klären (allgM, zB BGH FamRZ 84, 1003). Stellt sich eine geistige Erkrankung heraus, muss der Sachverständige deren Auswirkungen auf Einsichts- und Willensbildungsfähigkeit des Erblassers prüfen (BayObLG FamRZ 02, 1066). Er muss sein Gutachten auf Antrag mündlich erläutern (Hamm OLGZ 92, 409). Vom Gericht ist es auf seinen sachlichen Gehalt, seine logische Schlüssigkeit sowie darauf zu überprüfen, ob es von dem für erwiesen erachteten Sachverhalt ausgeht und eine überzeugende Begründung liefert, die sich am richtigen Begriff der Testierunfähigkeit orientiert (BayObLGZ 82, 314; FamRZ 02, 1066). An das Gutachten ist das Gericht nicht gebunden (BGH NJW 61, 2061). Nach dem Grundsatz freier Beweiswürdigung kann es vielmehr davon nach eingehender Auseinandersetzung abweichen (BayObLG Rpfleger 85, 239) oder ein Obergutachten einholen (BGHZ 53, 258 f; BayObLGZ 82, 315).

 

Rn 13

Wer die Testierunfähigkeit behauptet, trägt insoweit die Beweislast (BGH FamRZ 58, 127). Der Anscheinsbeweis ist uU möglich (Frankf NJW-RR 98, 870 [OLG Frankfurt am Main 22.12.1997 - 20 W 264/95]). Dies gilt zB, wenn feststeht, dass der Erblasser erwiesenermaßen vor und nach der Testamentserrichtung testierunfähig war (Karlsr OLGZ 82, 280; Köln NJW-RR 91, 1412 [OLG Köln 26.08.1991 - 2 Wx 10/91]) und das Gericht nicht von wechselnden Zuständen des Erblassers, sondern von anhaltender Testierunfähigkeit überzeugt ist (BayObLG FamRZ 99, 820). Die ernsthafte Möglichkeit eines lichten Intervalls reicht demgegenüber zur Erschütterung des ersten Anscheins aus; sie hat darzulegen und ggf zu beweisen, wer Rechte aus dem Testament herleitet (Karlsr aaO; BayObLG ZEV 94, 303 m Anm Jerschke). Wer sich im FG-Verfahren auf die Unwirksamkeit des Testaments beruft, trägt die Feststellungslast, wenn trotz Ausschöpfung aller Aufklärungsmöglichkeiten unbehebbare Zweifel bleiben (KG NJW 01, 903). Ist der Testierzeitpunkt ungewiss, steht aber fest, dass der Erblasser für einen Teil des in Frage kommenden Zeitraums testierunfähig war, dann spricht der erste Anschein dafür, dass der Erblasser im Zustand der Testierunfähigkeit verfügte; die Feststellungslast trifft hier den, der sich auf die Gültigkeit des Testaments beruft (BayObLG NJW-RR 96, 1160 [BayObLG 11.04.1996 - 1 Z BR 163/95]).

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