Entscheidungsstichwort (Thema)

Testament

 

Leitsatz (redaktionell)

Steht die Testierfähigkeit wegen einer krankhaften Störung der Geistestätigkeit in Frage, so ist, weil die Störung der Geistestätigkeit die Ausnahme bildet, ein Erblasser grundsätzlich so lange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur Gewißheit des Gerichts nachgewiesen ist. Deshalb trifft die Feststellungslast für die Testierunfähigkeit des Erblassers grundsätzlich denjenigen, der sich auf die darauf beruhende Unwirksamkeit des Testaments beruft (BayObLGZ 1982, 309/312). Enthält allerdings ein eigenhändiges Testament keine Angaben über den Zeitpunkt seiner Errichtung, läßt sich dieser Zeitpunkt auch nicht ermitteln und steht fest, daß der Erblasser zu irgendeinem Zeitpunkt testierunfähig war, so liegt gemäß § 2247 Abs. 5 Satz 1 BGB die Feststellungslast für die Testierfähigkeit des Erblassers bei demjenigen, der sich auf die Gültigkeit des Testaments beruft.

 

Normenkette

BGB § 2229 Abs. 4, § 2247 Abs. 5 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Amberg (Beschluss vom 19.07.1995; Aktenzeichen 33 T 322/93)

AG Schwandorf (Aktenzeichen VI 198/91)

 

Tenor

I. Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4 wird der Beschluß des Landgerichts Amberg vom 19. Juli 1995 in Nr. 1 dahin abgeändert, daß das Amtsgericht – Nachlaßgericht – Schwandorf, Zweigstelle Burglengenfeld, angewiesen wird, den von ihm am 9. März 1993 bewilligten Erbschein einzuziehen.

II. Im übrigen wird der Beschluß des Landgerichts Amberg aufgehoben. Die Sache wird zu anderer Behandlung und neuer Entscheidung an das Land- gericht Amberg zurückverwiesen.

 

Tatbestand

I.

Der im Alter von 88 Jahren verstorbene Erblasser war verwitwet. Für ihn war seit 30.4.1991 Gebrechlichkeitspflegschaft angeordnet. Er hinterläßt acht Kinder, die Beteiligten zu 1 – 8. Der Nachlaß besteht im wesentlichen aus Grundbesitz und Geldvermögen.

Der Erblasser hat mehrere letztwillige Verfügungen hinterlassen. In einem mit „Vermächtnis” überschriebenen eigenhändigen Testament vom 1.5.1986 hat er dem Beteiligten zu 4 seinen Miteigentumsanteil an einem Grundstück und seine Waffen vermacht. Ein weiteres handschriftlich geschriebenes und unterschriebenes, auf den 1.5.1986 datiertes Schriftstück hat folgenden Wortlaut:

Mein letzter Wille

Als Erben meines Nachlasses setze ich zu gleichen Teilen ein

  1. (Beteiligter zu 4)
  2. (Beteiligte zu 2)

Die Erben sind verpflichtet, nach meinem Versterben die gesamten Formalitäten der Beerdigung und die Beerdigung zu übernehmen. Versicherungen und andere Kosten die erstattet werden, stehen den Erben zu. Sie haben auch die Kosten zu tragen.

Bamberg, den 1.5.86

Die Urkunde ist mit blauer Kugelschreiberpaste geschrieben. Die Namen der Erben sind mit einem anderen Schreibgerät eingefügt.

In einem weiteren eigenhändigen Testament vom 5.6.1991 hat der Erblasser verfügt, daß seine acht Kinder Erben seines Vermögens zu gleichen Teilen werden, und gleichzeitig alle anderen „Erb- und sonstigen Verträge” widerrufen.

Der Beteiligte zu 4 ist der Auffassung, daß das Testament vom 5.6.1991 wegen Testierunfähigkeit des Erblassers unwirksam sei. Er hat deshalb beantragt, ihm auf der Grundlage des Testaments vom 1.5.1986 einen Erbschein zu erteilen, der ihn und die Beteiligte zu 2 als Erben zu je 1/2 ausweisen soll. Die in diesem Testament nicht bedachten Beteiligten halten das Testament vom 5.6.1991 für wirksam. Die Beteiligte zu 1 hat einen Erbschein beantragt, der sie zusammen mit ihren anderen sieben Geschwistern gemäß diesem Testament als Erben zu je 1/8 ausweisen soll.

Das Nachlaßgericht hat den Antrag des Beteiligten zu 4 abgelehnt und der Beteiligten zu 1 den von ihr beantragten Erbschein erteilt. Der Beteiligte zu 4 hat hiergegen Beschwerde eingelegt und die Einziehung des erteilten Erbscheins beantragt. Das Landgericht hat umfangreiche Ermittlungen zur Frage der Testierfähigkeit des Erblassers und zur Echtheit des Testaments vom 1.5.1986 bezüglich der nachträglich eingesetzten Erbennamen durchgeführt. Mit Beschluß vom 19.7.1995 hat es den erteilten Erbschein aufgehoben und das Amtsgericht angewiesen, einen gemeinschaftlichen Erbschein zu erteilen, wonach der Erblasser kraft Gesetzes von seinen acht Kindern zu je 1/8 beerbt worden ist. Im übrigen hat es die Beschwerde zurückgewiesen.

Gegen diese Entscheidung des Landgerichts richtet sich die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 4. Der Beteiligte zu 6 ist dem Rechtsmittel entgegengetreten. Die übrigen Beteiligten haben sich nicht geäußert.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die weitere Beschwerde ist zulässig und in wesentlichen Teilen begründet.

1. Das Landgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, das Testament vom 5.6.1991 sei unwirksam, da der Erblasser im Zeitpunkt der Errichtung testierunfähig gewesen sei. Die Erbeinsetzung der Beteiligten zu 2 und 4 in dem auf den 1.5.1986 datierten Testament sei ebenfalls unwirksam. Es stehe fest, daß die Namen der Erben nachträglich in dieses Testament eingefügt worden seien. Der Zeitpunkt der Einfügung könne nicht f...

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