Entscheidungsstichwort (Thema)

Erbscheinseinziehung und -erteilung. Erbschein

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Erbschein ist einzuziehen, wenn er aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen nicht mehr erteilt werden dürfte, falls das Nachlassgericht jetzt nach § 2359 BGB über die Erteilung zu entscheiden hätte.

2. Ein Erblasser ist solange als testierfähig anzusehen, als nicht die Testierunfähigkeit zur vollen Gewissheit des Gerichts feststeht.

3. Bestehen Zweifel an der Testierfähigkeit, so müssen die Aufklärungsmöglichkeiten im gebotenen Umfang ausgeschöpft werden.

 

Normenkette

BGB § 2361 Abs. 1, § 2361 S. 1, § 2229 Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Limburg a.d. Lahn (Beschluss vom 25.11.1993; Aktenzeichen 7 T 79/92)

AG Wetzlar (Aktenzeichen 5 VI B 72/90)

 

Tenor

Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.

Die Sache wird zu neuer Prüfung und Entscheidung, auch über die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens der weiteren Beschwerde, an das Landgericht zurückverwiesen.

Der Geschäftswert jeder der beiden weiteren Beschwerden beträgt 43.125,– DM.

 

Gründe

Am 22.7.1990 verstarb in … im Alter von 86 Jahren die Witwe …, Ihre – einzige – Ehe mit dem am 11.2.1976 im Alter von 80 Jahren verstorbenen … war kinderlos geblieben. Sie hatte zwei Schwestern, die im Jahre 1902 geborene und am 27.9.1993 verstorbene … – die Mutter der Beteiligten zu 1) und 2) – und die im Jahre 1905 geborene und am 27.4.1990 kinderlos verstorbene Krankenschwester

Die Erblasserin hatte mit ihrem vorverstorbenen Ehemann am 18.12.1961 ein gemeinschaftliches notarielles Testament errichtet (UR Nr. 346/61 des Notars … in … Darin hatten sich die Eheleute gegenseitig zu befreiten Vorerben eingesetzt. In dem Testament ist weiter bestimmt, daß nach dem Tode des Längerlebenden der noch vorhandene Nachlaß zur Hälfte an die nachfolgenden Verwandten des Ehemannes (…) und zur anderen Hälfte an die beiden Schwestern der Erblasserin, … vererbt werden soll und daß, falls die Bedachten im Zeitpunkt des Erbfalls bereits verstorben sein sollten, an ihre Stelle ihre Nachkommen treten.

Am 28.1.1988 wurden die Erblasserin und ihre Schwester in ein Alten- und Pflegeheim in … aufgenommen. Die Erblasserin litt an einer Arteriosklerose. Sie wurde damals bis etwa Mitte Juli 1988 von dem Allgemeinarzt … in … behandelt. Ab Mitte Juli 1988 bis zu ihrem Tod wurde sie von dem praktischen Arzt … in … ärztlich betreut.

Am 8.8.1988 beurkundete der Notar … mit Amtssitz in … in dem Alten- und Pflegeheim in … Erklärungen der Erblasserin, mit denen diese ihrer Schwester … Generalvollmacht erteilte. Der Notar hatte sich zuvor eine von dem praktischen Arzt … unter dem 8.8.1988 ausgestellte Bescheinigung besorgt, in der es heißt, die Erblasserin sei im Vollbesitz ihrer geistigen und körperlichen Kräfte und sei somit geschäftsfähig. Wie sich nach dem Tode der Erblasserin herausstellte, war der Arzt dabei einer Identitätsverwechslung unterlegen. Er war der Meinung, er habe die Bescheinigung für … ausgestellt. Unter dem 16.8.1988 beurkundete der Notar … einen Grundstückskaufvertrag, durch den die Schwester der Erblasserin – … – unter Ausnutzung der ihr am 8.8.1988 erteilten Generalvollmacht das Hausgrundstück in … verkaufte, das die Erblasserin von ihrem vorverstorbenen Ehemann als befreite Vorerbin geerbt hatte.

Am 28.10.1988 verließen die Erblasserin und ihre Schwester … das Alten- und Pflegeheim in … nachdem sich der Gesundheitszustand der Schwester … so weit gebessert hatte, daß sie annahm, die Erblasserin bei sich zuhause versorgen zu können. Die Erblasserin wurde fortan von ihrer Schwester … in deren Haus in der … in … aufgenommen.

Am 25.1.1989 errichteten die Erblasserin und ihre Schwester in ihrer Wohnung in der … je ein notarielles Testament (UR Nr. 50 und 51/89 des Notars …. Die Erblasserin hat in ihrem Testament ihre Schwester … zu 3/4 und ihre Schwester Eleonore zu 1/4 Anteil des Nachlasses als Erben eingesetzt. Als Ersatzerben für … hat sie den Beteiligten zu 3) und für … deren beiden Kinder – die Beteiligten zu 1) und 2) – zu je 1/2 eingesetzt. Den Beteiligten zu 3) hatte sie damals noch nie gesehen. Sie kannte ihn nur durch Erzählungen ihrer Schwester …, die in ihrem Testament vom 25.1.1989 den Beteiligten zu 3) als Alleinerben eingesetzt und der Erblasserin das lebenslange Nießbrauchsrecht an ihrem Anwesen … zugewendet hat. Beide Testamentsurkunden vom 25.1.1989 enthalten die Feststellung des amtierenden Notars, aus der Unterhaltung mit der jeweils Testierenden habe er die Überzeugung von der vollen Testierfähigkeit gewonnen.

Am 27.4.1990 verstarb die Schwester der Erblasserin, … Um diese Zeit wurde die Erblasserin in ein Krankenhaus aufgenommen Von dort wurde sie am 3.5.1990 in das Alten- und Pflegeheim in … verlegt. Dort lebte sie bis zu ihrem Tod.

Die andere Schwester der Erblasserin, … ist am 27.9.1993 nachverstorben und auf Grund des gemeinschaftlichen Erbscheins des Amtsgerichts Gießen vom 29.6.1994 (22 VI L 81/93) von den Beteiligten zu 1) und 2) zu je 1/2 Anteil des Nachlasses beerbt worden.

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