Gesetzestext

 

(1) Widerspricht eine Untersuchung des Gesundheitszustandes, eine Heilbehandlung oder ein ärztlicher Eingriff dem natürlichen Willen des Betreuten (ärztliche Zwangsmaßnahme), so kann der Betreuer in die ärztliche Zwangsmaßnahme nur einwilligen, wenn

1. die ärztliche Zwangsmaßnahme notwendig ist, um einen drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden vom Betreuten abzuwenden,
2. der Betreute aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer geistigen oder seelischen Behinderung die Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann,
3. die ärztliche Zwangsmaßnahme dem nach § 1827 zu beachtenden Willen des Betreuten entspricht,
4. zuvor ernsthaft, mit dem nötigen Zeitaufwand und ohne Ausübung unzulässigen Drucks versucht wurde, den Betreuten von der Notwendigkeit der ärztlichen Maßnahme zu überzeugen,
5. der drohende erhebliche gesundheitliche Schaden durch keine andere den Betreuten weniger belastende Maßnahme abgewendet werden kann,
6. der zu erwartende Nutzen der ärztlichen Zwangsmaßnahme die zu erwartenden Beeinträchtigungen deutlich überwiegt und
7. die ärztliche Zwangsmaßnahme im Rahmen eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus, in dem die gebotene medizinische Versorgung des Betreuten einschließlich einer erforderlichen Nachbehandlung sichergestellt ist, durchgeführt wird.

§ 1867 ist nur anwendbar, wenn der Betreuer an der Erfüllung seiner Pflichten verhindert ist.

(2) Die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme bedarf der Genehmigung des Betreuungsgerichts.

(3) Der Betreuer hat die Einwilligung in die ärztliche Zwangsmaßnahme zu widerrufen, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind. Er hat den Widerruf dem Betreuungsgericht unverzüglich anzuzeigen.

(4) Kommt eine ärztliche Zwangsmaßnahme in Betracht, so gilt für die Verbringung des Betreuten gegen seinen natürlichen Willen zu einem stationären Aufenthalt in ein Krankenhaus § 1831 Absatz 1 Nummer 2, Absatz 2 und 3 Satz 1 entsprechend.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nach Maßgabe des § 1820 Absatz 2 Nummer 3 für einen Bevollmächtigten entsprechend.

A. Vorbemerkung.

 

Rn 1

Die Normen entsprechen mit kleinen redaktionellen Änderungen den §§ 1906, 1906a aF. Um den Inhalt der Normen deutlicher zu machen, wurden die Überschriften geändert und der Regelungstechnik des § 1830 angepasst. § 1906 V aF und § 1906a aF sind jetzt in § 1820 II Nr 3 enthalten.

§ 1831 regelt die Voraussetzungen der zivilrechtlichen Unterbringung sowohl in der Form der freiheitsentziehenden Unterbringung (I–II) als auch für freiheitsentziehende Maßnahmen, die nicht mit einer Unterbringung verbunden sind (IV). § 1832 regelt die Genehmigung des BtG bei ärztlichen Zwangsmaßnahmen. Mit dieser bereits im Jahre 2017 mit dem ›Gesetz zur Änderung von Zwangsmaßnahmen und zur Stärkung des Selbstbestimmungsrechts von Betreuten‹ erfolgten gesetzlichen Regelung ist die betreuungsgerichtliche Einwilligung in eine ärztliche Zwangsmaßnahme von der freiheitsentziehenden Unterbringung entkoppelt werden, um eine bisherige Schutzlücke im Gesetz zu schließen (BVerfG FamRZ 16, 1738; 18, 1021; Spickhoff FamRZ 17, 1633 ff; BVerfG FamRZ 20, 1296). Das Verfahren der zivilrechtlichen Unterbringung (§ 1831) ist zweistufig. Das BtG ist nur für die Genehmigung der Unterbringung bzw der unterbringungsähnlichen Maßnahme zuständig, es ordnet sie nicht selbst an. Dies bleibt vielmehr dem Betreuer überlassen (vgl Lipp FamRZ 13, 913). Dieser entscheidet auch, wo sie konkret durchzuführen ist, denn die Genehmigung bezieht sich nur auf die Art der Maßnahme, nicht auf eine bestimmte Einrichtung (BayObLG FamRZ 95, 1296), er hat die Unterbringung zu beenden, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind (§ 1831 III 1). Keine Geltung hat § 1831 für öffentlich-rechtliche Unterbringungen, deren Voraussetzungen sich ausschließlich nach den Unterbringungsgesetzen der Länder richten (vgl Übersicht zu den landesrechtlichen PsychKG/Unterbringungsgesetzen bei Soergel/Zimmermann § 1906 aF Rz 6; BVerfG FamRZ 13, 767). Dies gilt auch für weitere Spezialbereiche freiheitsentziehender Maßnahmen, die im Freiheitsentziehungsgesetz des Bundes geregelt sind (Freiheitsentziehung zwecks Abschiebung und zur Verhinderung der Verbreitung gefährlicher Krankheiten). Das Verfahren für beide Unterbringungsformen ist in §§ 312 ff FamFG geregelt. Zur strafrechtlichen Unterbringung vgl §§ 63, 64 StGB. Analogien zu § 1831 sind nur in engen Grenzen zulässig, sodass zB die Genehmigung der zwangsweisen Unterbringung in einer offenen Alten- und Pflegeeinrichtung ausscheidet (Hamm FamRZ 03, 255). § 1831 gilt ausschließlich für Volljährige. Die Zulässigkeit entspr Maßnahmen ggü Minderjährigen richtet sich nach § 1631b (vgl Hoffmann FamRZ 13, 1346). Kann der Betroffene nicht selbst in die freiheitsentziehende Unterbringung oder Maßnahme einwilligen, so ist die Genehmigung des BtG zwingend notwendig. Für die Einwilligung ist die Geschäftsfähigkeit nicht erforderlich, sondern der Betroffene muss nur in der Lage sein, einen natürlichen F...

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