Rn 29

Sachlich zuständig für die Anordnung einer Betreuung ist das BtG und dort der Richter (§ 3 Nr 2a, § 14 Nr 4 RPflG). Der Betroffene ist unabhängig von seiner Geschäftsfähigkeit verfahrensfähig (§§ 275, 316) u kann auch ohne Einschränkungen eine Verfahrensvollmacht erteilen (Schlesw FamRZ 07, 1126; BGH FamRZ 14, 110; BVerfG FamRZ 20, 1674). Soweit erforderlich ist ihm ein Verfahrenspfleger zu bestellen (§ 276 FamFG). Dies gilt auch in einem Verfahren auf Aufhebung der Betreuung (FamRZ 22, 982). Die Betreuung kann auf Antrag oder vAw (§ 1814 IV 1) angeordnet werden. Liegt beim Betroffenen nur eine Körperbehinderung vor und kann er iÜ seinen Willen kundtun, ist sein Antrag erforderlich. § 1814 IV 2 regelt ausdrücklich, dass in diesen Fällen gegen den freien Willen des Betroffenen ein Betreuer nicht bestellt werden darf (vgl BayObLG FamRZ 05, 63 mwN). Für den Antrag ist keine Geschäftsfähigkeit erforderlich. Für das Verfahren gilt der Amtsermittlungsgrundsatz (§ 26 FamFG). Für die Feststellung der medizinischen Voraussetzungen für die Anordnung einer Betreuung ist ein Sachverständigengutachten (§§ 280, 283 FamFG) einzuholen (BVerfG FamRZ 10, 1624; vgl Seifert FamRZ 21, 90 ff), soweit das Verfahren mit der Betreuerbestellung oder der Anordnung eines Einwilligungsvorbehalts endet (BGH FamRZ 18, 628; 19, 736). Die stereotype Wiedergabe pauschaler Wertungen ohne den konkreten Bezug zum Betroffenen reicht nicht (München FamRZ 06, 440; KG FamRZ 07, 81; München FamRZ 10, 756; BGH FamRZ 14, 1917; Nürnbg 16, 1200; BGH FamRZ 16, 1352; 17, 140, 648; 20, 782). Auch vom Betroffenen vorgelegte fachärztliche Stellungnahmen, die im Widerspruch zum Sachverständigengutachten stehen, sind zu berücksichtigen (BGH FamRZ 20, 945; 22, 1556). Ein ohne die erforderliche persönliche Untersuchung erstattetes Sachverständigengutachten ist grds nicht verwertbar, dies gilt unabhängig davon, ob aus ärztlicher Sicht bereits auf der Grundlage anderer Erkenntnisse der sichere Schluss auf eine erkrankungsbedingte Betreuungsbedürftigkeit gezogen werden kann (BGH FamRZ 18, 1601; 19, 1735). Gem § 283 I 1 FamFG kann eine Untersuchung des Betroffenen sowie dessen Vorführung vom BtG auch angeordnet werden (BGH FamRZ 18, 628). Der Betroffene ist wegen der Schwere des Eingriffs in seine Persönlichkeitsrechte soweit möglich (beachte aber §§ 34 II, 278 IV FamFG; BGH FamRZ 21, 222, 224) persönlich anzuhören, damit sich das Gericht einen unmittelbaren Eindruck von seinem Zustand verschaffen kann (§ 278 I FamFG; vgl BVerfG FamRZ 10, 186; 1145; BGH FamRZ 14, 1543 mwN; BVerfG BtPrax 16, 145; BGH FamRZ 16, 1662, 2093; 17, 143; 20, 1410, 1772; vgl Seifert FamRZ 21, 90 ff; BGH FamRZ 21, 224; zu Corona-bedingten Ausnahmen: Grotkopp FamRZ 20, 659; Beckmann FamRZ 20, 735; Braun FamRZ 20, 737; Wedel/Kraemer FamRZ 20, 970; AG Brandenburg FamRZ 20, 862; LG Darmstadt FamRZ 20, 946; BGH FamRZ 21, 138, 142, 303). Dies gilt auch, wenn das Gericht von der Bestellung eines Betreuers absehen will (BGH FamRZ 21, 1412), auch wenn der Betroffene selbst die Bestellung des Betreuers angeregt hat (Zweibr FamRZ 09, 1180; einschränkend: BGH FamRZ 19, 1179). Ggf ist die Bestellung eines Verfahrenspflegers (§ 276 FamFG) erforderlich (München Rpfleger 06, 16, BGH FamRZ 14, 1446), ohne dass dies die persönliche Anhörung entbehrlich machen würde (Frankf FamRZ 08, 1477). Dem Verfahrenspfleger ist die Teilnahme an der Anhörung zu ermöglichen (BGH FamRZ 19, 1358; 20, 1671; 21, 225, 636). Der rechtzeitig vom Termin unterrichtete Verfahrenspfleger kann dann selbst entscheiden, ob er an dem Termin teilnimmt (BGH FamRZ 22, 1225). Das Gutachten zur Betreuungsbedürftigkeit ist grds dem Betroffenen persönlich rechtzeitig vor seiner Anhörung bekannt zu geben (BGH BtPrax 10, 278; FamRZ 11, 1289; 18, 707; 18,1769; 19, 387; 19, 1355; 19, 1648; 20, 782, 1410, 1770; 21, 219, 220, 889, 1064; 22, 56, 136). Hiervon kann nur unter den Voraussetzungen des § 288 I FamFG abgesehen werden (BGH FamRZ 18, 1770; 19, 139; 20, 786; 21, 385, 712; FamRZ 22, 892). Grds sind auch dem Betroffenen nahestehende Personen anzuhören (vgl § 279 III FamFG). Die Betreuung ist nach dem Prinzip der Rehabilitation nur solange erforderlich, wie der Betroffene für die konkreten Aufgabenfelder der Hilfe eines Betreuers bedarf (vgl §§ 1864 II, 1871 I). Sie darf deshalb jew nur befristet für die Zeitspanne angeordnet werden, in der voraussichtlich eine Betreuungsnotwendigkeit besteht (BayObLG BtPrax 95, 68, 69 f). Bei Entscheidung über die Verlängerung einer Betreuung (§ 295 FamFG) gelten für die Auswahl des Betreuers und das Verfahren dieselben Vorschriften wie bei der Neubestellung (Schlesw FamRZ 06, 288; BGH FamRZ 10, 1650; 20, 1303; 22, 229). Die Höchstdauer beträgt 7 Jahre (§ 294 III FamFG). Danach sind die Voraussetzungen für eine weitere Anordnung erneut zu prüfen (§ 295 I FamFG). Eine erneute Begutachtung ist dabei bei unverändertem Zustand des Betreuten und soweit dies nicht seinem erklärten Willen widerspricht, nicht erford...

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