Rn 17

Mehrbedarf ist der Teil des Lebensbedarfs, der regelmäßig, jedenfalls während eines längeren Zeitraums, anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er mit Regelsätzen nicht erfasst werden kann, aber kalkulierbar ist und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden kann (BGH FamRZ 06, 612).

 

Rn 18

Mehrbedarf kann entstehen als krankheitsbedingter Mehrbedarf bei Körper- oder Gesundheitsschäden, wenn diese besondere Kosten, zB für Therapiemaßnahmen, eine besondere Diät, Medikamente oder sonstige Hilfsmittel, auslösen (BGH FamRZ 86, 661; Ddorf FamRZ 01, 444). Er kann entstehen als behinderungsbedingter Mehraufwand, etwa durch behinderungsgerechte Ausstattung der Wohnung, mobile Pflegedienste, Mehraufwand für Kleidung, Hilfsmittel, wie Rollstuhl oder Sonderschulunterricht (BGH FamRZ 83, 48). Es kann auch ausbildungsbedingter Mehrbedarf entstehen, zB regelmäßiger Nachhilfeunterricht (Ddorf FUR 05, 565, wobei zu prüfen ist, ob der Mehrbedarf bei hohen Einkommensgruppen – etwa 6. EG – im Tabellenunterhalt enthalten ist), für Privatschulbesuch (BGH FamRZ 83, 48), Sport- oder Musikunterricht, nicht aber als Beitrag für den Ganztagskindergarten (Nürnbg FuR 05, 571). Ob laufende Kindergartenkosten Mehrbedarf auslösen oder bereits in den Tabellenbeträgen der Düsseldorfer Tabelle enthalten sind, ist umstritten (BGH NJW 07, 1969; Nürnbg aaO bejahend; Bamberg FF 00, 142: ab 6. EG; Stuttg FamRZ 99, 884: immer Mehrbedarf).

 

Rn 19

An dem Mehrbedarf haben sich beide Eltern zu beteiligen, auch der betreuende Elternteil, weil das Gleichgewicht des Verteilungsschlüssels gem § 1606 Abs 3 S 2 nicht mehr gewahrt ist. Es bietet sich an, die Haftungsanteile entspr dem Volljährigenunterhalt zu berechnen. Abzuziehen ist als Sockelbetrag der angemessene Selbstbehalt und etwaige Kindesunterhaltszahlungen (BGH FamRZ 13, 1563).

 

Rn 20

Der Mehrbedarf ist mit der Abänderungsklage geltend zu machen, weil er ein unselbstständiger Bestandteil des Unterhaltsanspruchs ist. Es müssen die Voraussetzungen des § 1613 Abs 1 für die Geltendmachung von Unterhalt in der Vergangenheit vorliegen, wenn rückwirkend Mehrbedarf verlangt wird.

 

Rn 21

Als Besonderheiten des Mehrbedarfs sind unbedingt zu beachten:

  • Der Mehrbedarf ist mit der Abänderungsklage geltend zu machen, weil er ein unselbstständiger Bestandteil des Unterhaltsanspruchs ist.
  • Es müssen die Voraussetzungen des § 1613 Abs 1 für die Geltendmachung von Unterhalt in der Vergangenheit vorliegen, wenn rückwirkend Mehrbedarf verlangt wird.
 

Rn 22

Fehlerhaft ist es, den Mehrbedarf insg als Abzugsposten bei der Berechnung des Ehegattenunterhalts einzustellen, da nur der Teil in Ansatz gebracht werden darf, der auf den Pflichtigen oder Berechtigten entfällt. Bei der Berechnung der Haftungsquoten ist auch der abfließende und zuwachsende Ehegattenunterhalt zu berücksichtigen, sodass sich wegen gleicher Haftungsanteile häufig keine Auswirkungen beim Ehegattenunterhalt ergeben.

 

Rn 23

 

Berechnungsbeispiel:

Einkommen Vater: 2.500,00 EUR

Einkommen Mutter: 1.800,00 EUR

Vater zahlt Kindesunterhalt für ein 9-jähriges Kind in Höhe von 428,00 EUR (Einkommensgruppe 3 Altersstufe 2 der Düsseldorfer Tabelle 2023

Restbedarf für die Mutter: Bedarf 558,00 (Einkommensgruppe 7 – Gesamteinkommen 4.300 EUR/Altersstufe 2 abzgl 1/2 Kindergeld) abzgl 428,00 EUR = 130 EUR

Mehrbedarf des Kindes: 300,00 EUR

Zunächst ist das vergleichbare Einkommen der Eltern zu ermitteln. Dazu ist bei jedem Elternteil der Sockelbetrag von 1.650 EUR (angemessener Selbstbehalt) abzuziehen. Ferner ist bei V der Kindesunterhalt und bei M der Restbedarf zu berücksichtigen.

Einkommen V = 422,00 EUR (2.500,00 – 1.650,00 – 428,00)

Einkommen M = 20,00 EUR (1.650,00 – 1.800,00 – 130,00)

Beteiligung V: 422,00 EUR: 442,00 EUR = 95 % = 285,00 EUR

Beteiligung M: 20,00 EUR: 4.442,00 EUR = 5 % = 15,00 EUR

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge