Gesetzestext

 

1Bei der Ausübung einer Grunddienstbarkeit hat der Berechtigte das Interesse des Eigentümers des belasteten Grundstücks tunlichst zu schonen. 2Hält er zur Ausübung der Dienstbarkeit auf dem belasteten Grundstück eine Anlage, so hat er sie in ordnungsmäßigem Zustand zu erhalten, soweit das Interesse des Eigentümers es erfordert.

 

Rn 1

§ 1020 S 1 verpflichtet den Eigentümer des herrschenden Grundstücks (BeckOGK-BGB/Kazele § 1020 Rz 32). Die Pflichten der §§ 10201023 konkretisieren die aus der gemeinschaftlichen Benutzung des dienenden Grundstücks resultierenden Rücksichtnahmepflichten (MüKo/Mohr § 1020 Rz 1). Die Pflichten bestehen auch ggü den rechtmäßigen Nutzern des dienenden Grundstücks (BGHZ 161, 115; BeckOGK-BGB/Kazele § 1020 Rz 32). Der Rechtsgedanke ist auf das Notleitungsrecht aus § 917 entsprechend anwendbar (BGH NJW-RR 18, 913 [BGH 26.01.2018 - V ZR 47/17]). Der Berechtigte ist nach S 1 zur schonenden Ausübung verpflichtet. Die Rechtsausübung darf nur in dem objektiv erforderlichen Maß geschehen (BGH VIZ 04, 330 [BGH 06.02.2004 - V ZR 196/03], Interessenabwägung; Karlsr ZfIR 14, 805 [OLG Karlsruhe 25.07.2014 - 12 U 155/13]). Ein Verstoß begründet einen Anspruch aus § 1004 I (BGH NJW 08, 3703 [BGH 19.09.2008 - V ZR 164/07]). § 1020 S 1 gilt va für Benutzungsdienstbarkeiten, aber auch für alle anderen Arten von Grunddienstbarkeiten (BeckOGK-BGB/Kazele § 1020 Rz 35). Das lediglich allgemeine Interesse des Eigentümers, sein mit einem Wegerecht belastetes Grundstück einzufrieden, begründet keinen Anspruch gg den dienstbarkeitsberechtigten Nachbarn, ein auf dem Weg an der gemeinsamen Grundstücksgrenze angebrachtes Tor nach jeder Durchfahrt zu schließen. Dafür sind das Einfriedungsinteresse des Eigentümers und das Interesse des Berechtigten an der ungehinderten Ausübung seines Wegerechts unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls gegeneinander abzuwägen (BGH NJW 21, 3060 [BGH 16.04.2021 - V ZR 17/20]). Vogelkot, der von einer Hochspannungsleitung fällt, verpflichtet nicht zu Überdachungen (Karlsr MDR 18, 664 [BGH 09.02.2018 - V ZR 274/16]).

 

Rn 2

Eine Anlage ist eine für eine gewisse Dauer bestimmte, von Menschenhand zur Benutzung des Grundstücks geschaffene Einrichtung. Erfasst werden Bauwerke, Ver- und Entsorgungsleitungen, Einfriedungen, Wege aller Art, gleichgültig, ob sie befestigt oder nur durch ständige Benutzung als Fahrspuren entstanden sind (BGH NJW 06, 1428 Rz 7), aber auch Pflanzen (BGH NJW 14, 3780 Rz 15) sowie alle körperlichen Hindernisse, welche die Ausübung der Grunddienstbarkeit stören können. Eine zur Ausübung der Dienstbarkeit geschaffene Anlage ist vom Berechtigten in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten, soweit dies im Interesse des Eigentümers erforderlich ist. Anlage ist eine dem Grundstück für eine gewisse Dauer willentlich angefügte Einrichtung, die der Benutzung dient (BGH NJW 06, 1428 [BGH 17.02.2006 - V ZR 49/05]; NJW 19, 2615 Tz 17). Dies betrifft einen befestigten Weg (Celle MDR 00, 81; vgl aber BGH ZfJR 06, 347, auch unbefestigter Weg), Bäume und andere Pflanzen (BGH NJW 14, 3780 [BGH 18.07.2014 - V ZR 151/13] Rz 15), die Gartengestaltung (KG JFG 6, 282), Ver- und Entsorgungsleitungen, Ver- und Entsorgungsrohre, Lichtschächte und Kanaleinrichtungen (BGH NJW 19, 2615 [BGH 08.03.2019 - V ZR 343/17] Tz 17), Stromleitungen (BayObLG JurBüro 80, 375) und ein Tor bei Geh-und Fahrtrecht (München Urt v 8.8.12 – 20 U 4182/11 – juris). Der Eigentümer des dienenden Grundstücks darf bei Sicherungsinteresse ein Tor errichten, wenn durch Klingel, elektrischem Türöffner etc ein jederzeitiger Zugang möglich ist (Karlsr BeckRS 15, 00711). Ein Tor ist zu schließen, nicht abzuschließen (Karlsr ZfIR 14, 805 [OLG Karlsruhe 25.07.2014 - 12 U 155/13]).

 

Rn 3

Ein Halten der Anlage liegt vor, wenn sie für die Zwecke der Dienstbarkeit tatsächlich verwendet wird, eine Nutzungsbefugnis genügt nicht (BGH NJW 11, 1351 [BGH 17.12.2010 - V ZR 125/10]). Auf die Eigentumslage kommt es nicht an. Eine Mitbenutzung durch den Eigentümer schließt S 2 nicht aus (BGH ZfJR 05, 357).

 

Rn 4

Der Berechtigte hat für die Anlage eine Unterhaltspflicht, um sie in einem ordnungsgemäßen Zustand zu erhalten, dh für ordentliches Aussehen und die Verkehrssicherheit zu sorgen (BGHZ 161, 115, 122; KG NotBZ 09, 187; Keller MittBayNot 22, 1, 3). Ob ein nächtliches Verschließen eines Tors verlangt werden kann, hängt von der konkreten Sachlage ab, etwa dem Einbruchsrisiko oder der Gefahr eines unbefugten Betretens (BGH NJW-RR 15, 785 [BGH 23.01.2015 - V ZR 184/14]). Sind die Berechtigten einer Grunddienstbarkeit und der Eigentümer des dienenden Grundstücks zur gleichberechtigten Mitbenutzung des Grundstücks befugt, können sie entspr § 745 II eine Regelung verlangen, dass die Unterhaltungspflicht für die der Ausübung der Dienstbarkeit dienenden Anlagen einheitlich wahrgenommen wird (BGHZ 161, 115, 123; BGH NJW 19, 2615 Tz 16; München BeckRS 16, 20170). Besteht die Grunddienstbarkeit am Sondereigentum eines Wohnungseigent...

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