Rn 5

Die Regelung des § 1, wie sie unverändert seit 1900 besteht, enthält nur eine konkrete Aussage über den Beginn der Rechtsfähigkeit des Menschen. Damit setzt diese Norm den Begriff der Rechtsfähigkeit (s.u. Rn 7) als solchen und das gesamte System der Rechtssubjekte voraus. Nach der Systematik des Privatrechts sind Zurechungssubjekte für Rechte und Pflichten immer nur entweder Personen oder Gemeinschaften. Als Personen kennt das BGB nur die natürliche Person (§§ 114) und die juristische Person (§§ 21–89, also Vereine, Stiftungen und juristische Personen des öffentlichen Rechts). Die Regelung ist bezüglich der juristischen Personen sehr unvollständig. Hinzu kommen im Privatrecht noch die AG, die GmbH, die KGaA, die eingetragene Genossenschaft sowie der Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit, im öffentlichen Recht die Körperschaften, Anstalten und Stiftungen, nicht aber der AStA einer Universität (Frankf NJW 18, 1106 [OLG Karlsruhe 15.09.2017 - 6 W 31/17]). Allen diesen Personen kommt kraft Definition Rechtsfähigkeit zu. Demgegenüber hat der Gesetzgeber den Gemeinschaften eine Rechtsfähigkeit nicht oder nur sehr eingeschränkt zuweisen wollen. Hier hat die Rspr in jüngerer Zeit starke Veränderungen vorgenommen (s.u. Rn 8, 9 und § 14 Rn 6). Als Gemeinschaften kennt das Privatrecht nur die Gesamthandsgemeinschaften (GbR, oHG, KG, Gütergemeinschaft, Erbengemeinschaft, Partnerschaftsgesellschaft, Partenreederei, EWIV) und die Bruchteilsgemeinschaft (§§ 741–758). Hier wird sich ab 1.1.24 durch das MoPeG eine starke Veränderung ergeben (s Rn 8).

 

Rn 6

§ 1 setzt neben dem System der Rechtssubjekte auch den Begriff der Rechtsfähigkeit als solchen voraus (s.u. Rn 7). Dabei geht die gesetzliche Regelung ganz selbstverständlich davon aus, dass Rechtsfähigkeit als Eigenschaft jeder natürlichen und jeder juristischen Person zukommt. Eine Person ohne Rechtsfähigkeit gibt es nicht (zu den Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit s.u. Rn 8, 9). Rechtsfähigkeit ist daher auch unabhängig von der Staatsangehörigkeit, der Religion, Abstammung, Beruf oder des Geschlechts. Allerdings bedeutet die Zuerkennung der allg Rechtsfähigkeit nicht, dass nicht spezielle Zuordnungen eine besondere Rechtsfähigkeit voraussetzen. So kann für einzelne Rechte und Pflichten ein bestimmtes Alter, Geschlecht, Verwandtschaft usw spezielle Voraussetzung sein. Dagegen sind besondere berufliche Voraussetzungen vom Begriff der Rechtsfähigkeit zu trennen. Zur Rechtsfähigkeit der Gemeinschaften s.u. § 14 Rn 6, zur Sonderstellung des nichtrechtsfähigen Vereins s.u. § 54 Rn 12, 16, zur Vorgesellschaft vgl § 11 GmbHG. Der Versuch, die Rechtsfähigkeit und die Rechtspersönlichkeit auch den Tieren, der Natur oder automatisierten Systemen (Künstliche Intelligenz) zuzusprechen, geht fehl. Mit der Zuordnung von Rechtssubjektivität auf nichthumane Substrate würde die normative Grundordnung aufgelöst (Di Fabio JZ 20, 1073, 1078). Eine solche Rechtssubjektivität wäre stets nur ein Handeln des Menschen mit sich selbst. Der Antropozentrismus ist unüberwindbar.

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