Gesetzestext

 

(1) 1In der Verhandlung können die Parteien mit Beiständen erscheinen. 2Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Partei den Rechtsstreit selbst führen kann, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. 3Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. 4§ 79 Abs. 3 Satz 1 und 3 und Abs. 4 gilt entsprechend.

(2) Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von der Partei vorgebracht, insoweit es nicht von dieser sofort widerrufen oder berichtigt wird.

A. Begriff.

 

Rn 1

Der Beistand tritt in der Verhandlung neben der Partei zu deren Unterstützung auf. Dies gilt uneingeschränkt im Parteiprozess (§ 79), in dem der Beistand auch neben einem Prozessbevollmächtigten der Partei auftreten kann (KG FamRZ 01, 1619; Zö/Althammer § 90 Rz 3; aA ThoPu/Hüßtege § 90 Rz 1). Nach dem Wortlaut (in der Verhandlung) gilt die Vorschrift auch im Anwaltsprozess (Zö/Althammer § 90 Rz 3; Anders/Gehle/Weber ZPO § 90 Rz 4; Musielak/Voit/Weth § 90 Rz 1), ist dort aber auf die der Partei zustehenden Rechte (§ 137 IV) beschränkt. Auch der gesetzliche Vertreter einer Partei und der Nebenintervenient können sich eines Beistands bedienen. Keine Beistände sind in der Regel die von der Partei oder ihrem Prozessbevollmächtigten zugezogenen Hilfskräfte (zB der zu einer Beweisaufnahme zugezogene Privatgutachter). Der Beistand ist kein Vertreter oder Prozessbevollmächtigter (arg § 90 II) und bedarf deshalb keiner besonderen Vollmacht (allgM Zö/Althammer § 90 Rz 2; Musielak/Voit/Weth § 90 Rz 5). Er wird dadurch legitimiert (›bestellt‹), dass die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter ihn zur Verhandlung mitbringt und vortragen lässt und ihn damit als Beistand benennt. Eine Beiordnung findet nicht statt (Anders/Gehle/Weber ZPO § 90 Rz 4; Musielak/Voit/Weth § 90 Rz 5). Nach §§ 112, 113 I FamFG findet die Vorschrift auch in Ehesachen und Familienstreitsachen Anwendung. Für die übrigen Verfahren nach dem FamFG enthält § 12 FamFG eine ähnliche Regelung. Die Vorschrift sichert die Funktionsfähigkeit der Gerichtsbarkeit. Sie ist deshalb kein Schutzgesetz iSv § 823 II BGB (Karlsr Urt v 26.11.09 – 4 U 60/09, AnwBl 10, 220, Rz 35f).

B. Qualifikation.

 

Rn 2

Der Beistand muss prozessfähig sein (§§ 51, 52). Der Kreis der als Beistand in Betracht kommenden Personen ergibt sich aus dem Verweis auf § 79 II (I 2). Andere Personen kann das Gericht zulassen, wenn deren Auftreten bei objektiver Betrachtung sachdienlich ist und im konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung der Interessen der Partei dafür ein Bedürfnis besteht (I 3). Dabei kann berücksichtigt werden, dass dies nach dem Gesetz die Ausnahme darstellt, zumal Angehörige bereits nach § 79 II Nr 2 Beistand sein können. Juristische Kenntnisse des Beistands allein rechtfertigen die Zulassung nicht. Auch Richter können Beistand sein (Abs 1 S 4 iVm § 79 IV).

C. Befugnisse.

 

Rn 3

Der Beistand darf in den mündlichen Verhandlungen alle Prozesshandlungen vornehmen, die die Partei vornehmen darf, sein Vortrag gilt als Vortrag der Partei, wenn diese nicht sofort widerruft oder ihn berichtigt (Abs 2). Das Widerrufsrecht der Partei gilt auch für Prozesshandlungen, bspw für ein Anerkenntnis, und geht damit weiter als § 85 I 2 (Zö/Althammer § 90 Rz 5; Anders/Gehle/Weber ZPO § 90 Rz 5; Musielak/Voit/Weth § 90 Rz 5). Diese Rechte hat der Beistand allerdings nur in Anwesenheit der Partei, die er unterstützt. Ist die Partei nicht anwesend oder verlässt diese die Sitzung, ist er nicht an deren Stelle zum Vortrag oder zur Vornahme von Prozesshandlungen befugt. Seine prozessuale Stellung endet spätestens mit dem Schluss der mündlichen Verhandlung, so dass an ihn nicht zugestellt werden darf (BGH NJW 95, 1225).

D. Entscheidung des Gerichts.

 

Rn 4

Ungeeignete Personen, denen die Fähigkeit zu sachgerechter Unterstützung fehlt, können von weiterem Vortrag ausgeschlossen werden; sie werden durch unanfechtbaren Beschl zurückgewiesen (Abs 1 S 4 iVm § 79 III 1, 3). Personen, die geschäftsmäßig fremde Rechtsangelegenheiten besorgen ohne als Rechtsanwalt oder Beistand zugelassen zu sein, sind auszuschließen (Bremen FamRZ 04, 1582; Rostock FamRZ 06, 493). Wird einem Beistand zu Unrecht weiterer Vortrag untersagt oder zurückgewiesen, kann darin eine Verletzung des rechtlichen Gehörs und des Rechts auf ein faires Verfahren liegen (Brandbg OLGR 09, 57). Daneben besteht die Möglichkeit, gegen den Beistand Maßnahmen nach § 177 GVG zu ergreifen (MüKoZPO/Zimmermann § 177 GVG Rz 3; Zö/Lückemann § 177 GVG Rz 2).

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