1. Allgemeines.

 

Rn 14

Die Partei kann die Prozessführung nachträglich genehmigen. Die Genehmigung kann nur für die gesamte Prozessführung erfolgen, eine Beschränkung auf einzelne Prozesshandlungen ist nicht zulässig und auch für den genehmigten Teil wirkungslos (BGH NJW 87, 130 [BGH 19.07.1984 - X ZB 20/83]; Zö/Althammer § 89 Rz 10; Musielak/Voit/Weth § 89 Rz 14; einschränkend St/J/Jacoby § 89 Rz 16; MüKoZPO/Toussaint § 89 Rz 21), weshalb die Genehmigung nicht auf eine Instanz beschränkt werden kann (München Urt v 9.5.19 – 23 U 2693/18 Rz 43). Die Genehmigung wirkt in die Vergangenheit, weshalb die Partei für das weitere Verfahren einen anderen Bevollmächtigten bestellen kann (St/J/Jacoby § 89 Rz 12; MüKoZPO/Toussaint § 89 Rz 8).

2. Genehmigungserklärung.

 

Rn 15

Die Genehmigung erfolgt idR durch ausdrückliche Erklärung ggü dem Gericht, dem Gegner oder dem Vertreter. Sie kann aber auch schlüssig (stillschweigend) erklärt werden (BGH NJW 21, 1956 Rz 10), zB durch Weiterführen des Prozesses (RGZ 47, 413, 415) oder durch nachträgliche Erteilung einer Vollmacht (BGH NJW 53, 1470; GmS-OGB BGHZ 91, 111, 115; BGH Beschl v 14.12.17 – V ZB 35/17 Rz 8; BAG NZA 03, 628, 630). Stets ist aber Voraussetzung, dass die Partei Kenntnis von der Prozessführung zumindest hinsichtlich der wesentlichen Einzelheiten und deren Unwirksamkeit hat oder zumindest mit der Unwirksamkeit rechnet und deshalb weiß oder damit rechnet, dass diese Handlungen erst durch ihre Erklärung Wirksamkeit erlangen (BGH NJW 04, 59, 61 [BGH 22.10.2003 - IV ZR 398/02]; 04, 842, 843 [BGH 29.10.2003 - IV ZR 122/02]). Deshalb erfasst die Genehmigung keinen der Partei unbekannten Rechtsmittelverzicht (BGH NJW 53, 1470). Zu einer Genehmigung ist derjenige befugt, der eine Prozessvollmacht erteilen könnte. Die Genehmigung kann auch von einem postulationsfähigen Bevollmächtigten erklärt werden, bspw durch Bezugnahme auf das Vorbringen des vollmachtslosen Vertreters (BGH NJW 90, 3085, 308 [BGH 07.06.1990 - III ZR 142/89]; NJW-RR 99, 855, 856; 07, 278, 279 [BGH 31.10.2006 - VI ZB 20/06]).

3. Zeitpunkt.

 

Rn 16

Die Genehmigung kann grds nur bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung erklärt werden, aufgrund der die Klage oder das Rechtsmittel wegen der fehlenden Vollmacht abgewiesen oder verworfen wird. Danach scheidet eine genehmigende Nachreichung der Vollmacht in der Berufung oder Revision aus, denn durch die Entscheidung wurde der eine Genehmigung ermöglichende Schwebezustand beendet und die Prozesshandlung endgültig unwirksam (GmS-OGB BGHZ 91, 111, 114, 116; NJW 95, 1901, 1902; 06, 2260, 2261; MDR 13, 810 Rz 13; BSG NJW 01, 2652 [BSG 13.12.2000 - B 6 KA 29/00 R]; OVG Lüneburg NJW 14, 556 Rz 5; Musielak/Voit/Weth § 89 Rz 17; Zö/Althammer § 89 Rz 11). Eine Genehmigung in einer höheren Instanz ist daher nur möglich, wenn der Mangel nicht entdeckt worden war und die Entscheidung deshalb nicht darauf beruht, in einem solchen Fall kann die Genehmigung noch bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung bzw bis zum Zeitpunkt der Beschlussfassung erfolgen, also auch noch nach Ablauf der Rechtsmittelfrist in der jeweiligen Instanz und auch im Verfahren der Rechtsbeschwerde (BGH NJW 21, 1956 [BGH 02.12.2020 - XII ZB 303/20] Rz 10; NJW-RR 22, 1340 [KG Berlin 03.05.2022 - 6 U 39/21] Rz 18; vgl §§ 547 Nr 4, 579 I Nr 4) und sogar noch nach Eintritt der Rechtskraft (Rostock OLGR 00, 455, 456; Stuttg Beschl v 22.10.79 – 18 WF 245/79 Rz 7; Zö/Althammer § 89 Rz 11 m Hinw auf § 579 I Nr 4). Das Gleiche gilt, wenn die Vorinstanz einen Mangel verneint hat (Ddorf OLGR 07, 241, 242). Lag zum Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung eine wirksame Vollmacht vor und ist das Prozessurteil deshalb falsch, kann dies im Rechtmittelzug gerügt und nachgewiesen werden, dass zu diesem Zeitpunkt bereits eine Vollmacht erteilt war (GmS-OGB BGHZ 91, 111, 115; BGH NJW 92, 627; 02, 1957; Kobl NJW-RR 06, 377). Wegen der Möglichkeit der Genehmigung und deren Rückwirkung gilt dies auch bei fristgebundenen Prozesshandlungen (zB Rechtsmittel), die schwebende Unwirksamkeit des Rechtsmittels führt deshalb erst mit dessen Verwerfung zur endgültigen Unzulässigkeit und nicht schon mit Ablauf der Rechtsmittelfrist, so dass die Genehmigung nicht schon vor Fristablauf erklärt werden muss (GmS-OGB BGHZ 91, 111, 115, 116; BGH NJW 95, 1901, 1902 [BGH 10.01.1995 - X ZB 11/92]; 06, 2260 [BGH 26.01.2006 - III ZB 63/05] Rz 17; 21, 1956 Rz 10; MüKoZPO/Toussaint § 89 Rz 15; aA BGH NJW 84, 1559, 1560 [BGH 01.03.1984 - IX ZR 33/83] zu § 41 KO; 90, 3085, 3086 – nicht entscheidungserheblich –; Beschl v 16.12.92 – XII ZB 137/92 Rz 6; NJW-RR 07, 278 [BGH 31.10.2006 - VI ZB 20/06] Rz 4 unter Bezugnahme auf NJW 90, 3085, 3086 [BGH 07.06.1990 - III ZR 142/89]; BAG Urt v 17.9.13 – 9 AZR 75/12 Rz 15 zur Postulationsfähigkeit; unklar St/J/Jacoby § 78 Rz 95 und § 89 Rz 13; Zö/Althammer § 78 Rz 12 und § 89 Rz 11; Anders/Gehle/Weber ZPO § 78 Rz 34 und § 89 Rz 12). Dafür spricht, dass die Möglichkeit einer nachträglichen Genehmigung gesetzlich anerkannt ist (§§ 547 Nr 4, 579 Nr 4). Im Zwangs...

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