Gesetzestext

 

(1) 1Hat sich der Schuldner in einem Vergleich, aus dem die Zwangsvollstreckung stattfindet, zur Räumung von Wohnraum verpflichtet, so kann ihm das Amtsgericht, in dessen Bezirk der Wohnraum belegen ist, auf Antrag eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist bewilligen. 2Der Antrag ist spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem nach dem Vergleich zu räumen ist, zu stellen; §§ 233 bis 238 gelten sinngemäß. 3Die Entscheidung ergeht durch Beschluss. 4Vor der Entscheidung ist der Gläubiger zu hören. 5Das Gericht ist befugt, die im § 732 Abs. 2 bezeichneten Anordnungen zu erlassen

(2) 1Die Räumungsfrist kann auf Antrag verlängert oder verkürzt werden. 2Absatz 1 Satz 2 bis 5 gilt entsprechend.

(3) 1Die Räumungsfrist darf insgesamt nicht mehr als ein Jahr, gerechnet vom Tag des Abschlusses des Vergleichs, betragen. 2Ist nach dem Vergleich an einem späteren Tag zu räumen, so rechnet die Frist von diesem Tag an.

(4) Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts findet die sofortige Beschwerde statt.

(5) 1Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Mietverhältnisse über Wohnraum im Sinne des § 549 Abs. 2 Nr. 3 sowie in den Fällen des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. 2Endet ein Mietverhältnis im Sinne des § 575 des Bürgerlichen Gesetzbuchs durch außerordentliche Kündigung, kann eine Räumungsfrist höchstens bis zum vertraglich bestimmten Zeitpunkt der Beendigung gewährt werden.

A. Normzweck.

 

Rn 1

§ 794a enthält eine Regelung für den Fall, dass der Schuldner sich in einem gerichtlichen Vergleich zur Räumung von Wohnraum verpflichtet hat. Die Regelung entspricht derjenigen des § 721. Zweck ist es, den Schuldner, der sich durch einen vollstreckbaren gerichtlichen Vergleich zur Räumung verpflichtet, nicht schlechter zu stellen als denjenigen, gegen den ein Räumungsurteil ausgesprochen worden ist und dem die Möglichkeiten des § 721 zur Verfügung stehen.

B. Anwendungsbereich.

 

Rn 2

§ 794a gilt nur für die Räumung von Wohnraum. Bei Mischmietverhältnissen kann § 794a angewendet werden, wenn die Wohnraummiete im Vordergrund steht und eine getrennte Rückgabe der Wohn- und Geschäftsräume weder möglich, wirtschaftlich sinnvoll noch dem Vermieter zuzumuten ist (MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 3; Schuschke/Walker/Walker Rz 1).

 

Rn 3

Ausgenommen von der Regelung des § 794a sind gem § 794a V 1 Mietverhältnisse über Wohnraum iSd § 549 II Nr 3 BGB und die Fälle des § 575 BGB. § 549 II Nr 3 BGB betrifft Wohnraum, den eine juristische Person des öffentlichen Rechts oder ein anerkannter privater Träger der Wohlfahrtspflege angemietet hat, um ihn Personen mit dringendem Wohnungsbedarf zu überlassen; § 575 BGB betrifft Zeitmietverträge. Es soll verhindert werden, dass diese Regelungen durch Bewilligung einer Räumungsfrist bei der Vollstreckung aus einem Räumungsvergleich unterlaufen werden. Endet allerdings ein Zeitmietverhältnis durch außerordentliche Kündigung, kann Räumungsfrist bis zum vertraglich bestimmten Endzeitpunkt gewährt werden, § 794a V 2. Kommt eine Räumungsfrist nach § 794a nicht in Frage, kann immer noch eine Räumungsfrist nach § 765a gewährt werden (§ 765a Rn 7).

 

Rn 4

Soweit vollstreckbare Urkunden nach § 794 I 5 und Anwaltsvergleiche nach § 794 I Nr 4b Räumungsverpflichtungen möglich machen, gilt § 794a entspr (St/J/Münzberg Rz 1; Zö/Geimer Rz 1).

C. Voraussetzungen.

 

Rn 5

Ein Verzicht auf § 794a ist nicht möglich (MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 1; aA St/J/Münzberg Rz 2). Bei der Entscheidung sind die Interessen der Parteien gegeneinander abzuwägen. Da der Schuldner sich selbst zur Räumung zu einem bestimmten Termin verpflichtet hat, soll eine Räumungsfrist nur gewährt werden, wenn nachträglich Umstände eintreten, die der Schuldner bei Abschluss des Vergleichs nicht vorhergesehen hat; die Einhaltung des Räumungsvergleichs muss zudem für den Schuldner eine Härte bedeuten; der Aufschub der Räumung muss für den Gläubiger zumutbar sein (MüKoZPO/Wolfsteiner Rz 4; großzügiger Musielak/Voit/Lackmann Rz 5). Ebenso wie im Bereich des § 765a sind die beiderseitigen Grundrechte der Beteiligten, so das Grundrecht des Gläubigers auf Schutz seines Eigentums gem Art 14 I GG und sein verfassungsrechtlicher Anspruch auf wirksamen Rechtsschutz gem Art 19 IV GG einerseits, sowie die Grundrechte des Schuldners aus Art 2 II 1 GG andererseits, gegeneinander abzuwägen (vgl § 765a Rn 8).

D. Verfahren, Fristen.

I. Verfahren.

 

Rn 6

Der Antrag auf Räumungsfrist ist spätestens zwei Wochen vor dem Tag, an dem zu räumen ist, zu stellen; die §§ 233–238 sind sinngemäß anzuwenden, § 794a I 2. Die Frist läuft ab dem im Vergleich vereinbarten Datum. Ist sofort zu räumen oder beträgt die im Vergleich niedergelegte Frist weniger als zwei Wochen, scheidet eine Räumungsfrist nach § 794a nicht mit der Folge aus, dass nur noch Vollstreckungsschutz nach § 765a in Frage käme; vielmehr ist auf das Datum des Vergleichs abzustellen (St/J/Münzberg Rz 8; Wieczorek/Schütze/Paulus Rz 10; Zö/Geimer Rz 3; aA Schuschke/Walker/Walker Rz 2). Auf die Frist für die Anbringung des Antrags auf Verlängerung der Räumungsfrist ist § 222 II unmittelbar anwendbar (vgl LG Berlin NJW-RR 20, 1008 Rz 5; ebenso Zö/Sei...

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