Gesetzestext

 

Zur Zwangsvollstreckung in das Gesellschaftsvermögen einer nach § 705 des Bürgerlichen Gesetzbuchs eingegangenen Gesellschaft ist ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich.

 

Zwangsvollstreckung für oder gegen eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts bei nachträglicher Eintragung im Gesellschaftsregister.

Die Zwangsvollstreckung für oder gegen eine im Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts findet auch aus einem Vollstreckungstitel für oder gegen eine nicht im Gesellschaftsregister eingetragene Gesellschaft bürgerlichen Rechts statt, wenn

1. der in dem Vollstreckungstitel genannte Name und Sitz oder die Anschrift der Gesellschaft identisch sind mit dem Namen und Sitz oder der Anschrift der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft und
2. die gegebenenfalls in dem Vollstreckungstitel aufgeführten Gesellschafter der Gesellschaft identisch sind mit den Gesellschaftern der im Gesellschaftsregister eingetragenen Gesellschaft.

A. Grundlagen und Bedeutung der Norm.

I. Ausgangspunkt und Normzweck.

 

Rn 1

§ 736 stellt eine Nahtstelle zwischen Personengesellschaftsrecht und Prozessrecht dar. Wenn sich die Strukturen des Personengesellschaftsrechts ändern, betrifft das zwangsläufig auch die Norm des § 736. Obgleich die Norm seit 1898 (damals § 670b CPO) unverändert ist, hat sie seit 20 Jahren durch die Rspr eine dramatische Umdeutung contra legem hinnehmen müssen.

 

Rn 2

Ausgangspunkt der Norm ist der Grundsatz des § 750 I 1, dass eine ZV nur gegen denjenigen möglich ist, der im Titel oder in der beigefügten Vollstreckungsklausel als Vollstreckungsschuldner genannt wird. § 736 enthält deshalb eine Regelung, gg wen ein Titel erforderlich ist, wenn Vollstreckungsschuldner eine Gesamthand ist, wenn also eine Rechtszuständigkeit mehrerer vorliegt. Der Gesetzgeber hat die GbR als nicht rechts- und parteifähige Gesamthand ausgestaltet. Da die GbR also bis zum Jahre 2001 nicht klagen und nicht verklagt werden konnte, musste § 736 die Konsequenz aus der Rechtszuständigkeit der Gesamthänder ziehen und vorschreiben, dass eine ZV nur aus einem Vollstreckungstitel möglich ist, der sich gegen alle Gesellschafter richtet. Ein Titel gegen die Gesellschaft war prozessrechtlich nicht möglich und vollstreckungsrechtlich nicht ausreichend. Der Wortlaut der §§ 735, 736 ist insofern eindeutig (§ 735: ›Es genügt ein gegen den Verein ergangenes Urteil‹ – § 736: ›Es ist ein gegen alle Gesellschafter ergangenes Urteil erforderlich‹). Die Rspr hat diese Zusammenhänge im Jahr 2001 gesellschaftsrechtlich abgeändert.

II. Die BGH-Entscheidung ›Weißes Ross‹.

 

Rn 3

Der II. Zivilsenat des BGH hat mit Urt v 29.1.01 die GbR für rechts- und parteifähig erklärt (BGHZ 146, 341 = NJW 01, 1056 = EWiR 01, 341 m Anm Prütting – ›Weißes Ross‹). Diese Entscheidung war gesellschaftsrechtlich von der Wissenschaft gut vorbereitet gewesen und hat die Einordnung der GbR von einer Gesamthand hin zu einem eigenen Rechtssubjekt ohne Rechtspersönlichkeit geschaffen (statt vieler Wiedemann GesellschaftsR II, 04, § 7 III 2 b). Diese materiell-rechtliche Wendung traf in den §§ 50, 735, 736 auf eine prozessual damit unvereinbare Rechtslage (abl deshalb aus prozessualer Sicht St/J/Bork 22 Aufl § 50 Rz 23; Prütting FS Wiedemann 03, S. 1177; Stürner JZ 03, 44 [BVerfG 02.09.2002 - 1 BvR 1103/02]). Denn ein rechts- und parteifähiges Rechtssubjekt verlangt in der ZV einen Titel gegen dieses Rechtssubjekt selbst und nicht gegen seine Mitglieder. Der Wortlaut des § 736 wurde also contra legem in sein Gegenteil verwandelt (Prütting EWiR 01, 341). Die Norm wurde im Grunde als obsolet zur Seite geschoben. Die Schwierigkeiten der im Jahr 2001 entstandenen neuen Lage waren umso dramatischer, als die Entscheidung ›Weißes Ross‹ vom 29.1.01 ein wirkungsloses und nicht existentes Urteil war, weil es sich gg eine nicht existente Partei gerichtet hatte (zu den Einzelheiten Prütting, FS Grunewald, 21, S 881, 882). Der Gesetzgeber hat dennoch über 20 Jahre hinweg § 736 unverändert gelassen und erst im Jahre 2021 die entstandenen Widersprüche aufgelöst.

III. Gesetz zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG).

 

Rn 4

Nunmehr hat der Gesetzgeber das Personengesellschaftsrecht vollkommen neu geordnet (G v 10.8.21, BGBl I 3436) und damit die Konsequenzen aus der Entscheidung ›Weißes Ross‹ gezogen. Er hat § 736 nF der materiellen Rechtslage angepasst. Der künftige § 713 BGB nF ordnet das Gesellschaftsvermögen der nunmehr rechtsfähigen GbR zu. Die dem entgegenstehende Regelung des § 736 aF war damit nicht zu vereinbaren. Die Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen der GbR ist gem § 722 I BGB nF nur noch mit einem gegen die Gesellschaft lautenden Titel möglich. Aus diesem Titel gegen die Gesellschaft ist jedoch eine Zwangsvollstreckung gg die Gesellschafter nicht möglich (§ 722 II BGB nF). Die Neuregelung des § 736 nF bringt nur noch eine Erleichterung des Identitätsnachweises der GbR. Die Neuregelung tritt am 1.1.24 in Kraft.

B. Rechtslage bis zum 31.12.23.

I. Anwendungsbereich.

 

Rn 5

§ 736 gilt nach seinem Wortlaut nur für die ZV in das Vermögen einer Gesellschaft nach §§ 705 ff BGB. Liegt nur eine Innengesellschaft oder nur eine stille Gesellschaft vor, die nicht nach außen in...

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